Entstehungskontext

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Projektidee und erste Textfassung

Geräusch eines Geräusches, das dritte Hörspiel Peter Handkes, war bereits vor der Studioproduktion und Ursendung von Hörspiel Nr. 2 ein Thema in der Korrespondenz mit dem Leiter der WDR-Hörspielredaktion, Klaus Schöning. Am 20. Dezember 1968 äußerte dieser seinen Wunsch nach einer baldigen Umsetzung: »Es wäre fein, wenn Sie im Laufe der nächsten Monate das Projekt Nr. 3 realisieren könnten.« (HA WDR, 11680) Handkes Ideen waren zum Jahreswechsel 1968/1969 aber vermutlich noch nicht sehr konkret, was Schöning am 22. Jänner 1969 zur erneuten Nachfrage bewegte: »Sie erwähnten bei unserem letzten Gespräch, daß Sie Pläne für "Hörspiel Nr. 3" hätten. Wie weit sind diese Pläne gewachsen? Sollten wir uns darüber nicht einmal detaillierter unterhalten?« (HA WDR, 11680)

Bis zum November 1969 ist in weiterer Folge kein Briefwechsel zu Geräusch eines Geräusches am Historischen Archiv des WDR dokumentiert. Einem Brief vom 21. November zufolge hatte Handke das fertige Typoskript mit der ersten Fassung am 19. November an Klaus Schöning geschickt. Es ist anzunehmen, dass Geräusch eines Geräusches im Zeitraum Oktober/November 1969 geschrieben wurde. In seinem zwei Tage nach dem Typoskript versandten Brief bat er um eine Empfangsbestätigung und darum, die Vertragsangelegenheiten direkt mit dem Verlag der Autoren zu klären, »wenn das Hörspiel überhaupt produzierbar sei.« Zugleich regte er an, das Hörspiel noch im Dezember zu produzieren, »weil ich später im Auslande bin« (HA WDR, 11680). Im Entstehungszeitraum lebte Handke bis Ende 1969 zusammen mit Libgart Schwarz und der gemeinsamen Tochter Amina in Berlin und übersiedelte mit ihnen 1970 nach Paris, wo sie im Winter 1970/1971 die Entscheidung trafen, wieder nach Deutschland, diesmal nach Kronberg am Taunus, zu ziehen (Pichler 2002, S. 89-90).

Zu einer Studioaufnahme noch im Jahr 1969 kam es jedoch nicht mehr. Klaus Schöning reagierte am 28. November 1969 mit einer Zusage: »Wir haben "Geräusch eines Geräusches" gelesen und möchten es sehr gerne machen. [...] Schade, daß Sie bei der Produktion nicht dabei sein können, da Heinz von Cramer [...] erst im Frühjahr 70 wieder bei uns ist.« (HA WDR, 11680) Am 14. Februar 1970 erwähnte Handke das zu diesem Zeitpunkt bereits fertiggestellte Hörspiel indirekt in einem Brief an seinen Freund Alfred Kolleritsch, der für die Ursendung einen einleitenden Essay verfasste: »Was ich mir beim Hörspiel gedacht habe? Daß Geräusche, von denen man nicht weiß, woher sie kommen, irritieren und sprachliche Vergleiche evozieren, blabla. Naja, wenn man in einem stillen Raum sitzt, hört man allmählich Traumgeräusche, beim Lesen etc. Die Geräusche mußten nur irgendwie sinnlich genug sein, damit sie nicht kriminalistisch wirkten, die Geräusche sind schon selber irgendwie Bilder, oder Wörter, oder Ausrufe, oder irgendwie irgendwas.« (Handke / Kolleritsch 2008, S. 36)

Studioaufnahme, Ursendung, Erstdruck

Für die Produktion war seitens des WDR eine zweite Textfassung angefertigt worden, die sich durch einen gekürzten Schlussteil von Textfassung 1 unterscheidet. Eine genaue Datierung dieser Abschrift ist nicht auszumachen. Bereits aus Paris schickte Handke am 15. März 1970 (»wahrscheinlich wird heute das Hörspiel 3 produziert«) noch Wünsche zur Umsetzung des Hörspiels an Klaus Schöning. Es sollte »auf keinen Fall länger als 12-15 Minuten dauern. Auch mit eventuellen zusätzlichen Geräuschen müßte man sehr vorsichtig sein.« (HA WDR, 11682) Schöning antwortete am 19. März, dem Tag, an dem die Hörspielaufnahme fertiggestellt war. Er berichtete, es seien »nach Abhören der Realisation [...] heftige Diskussionen entbrannt, die auf die Problematik dieses Stücks zielen« und lud Handke für April zu einem Gespräch mit dem Regisseur ein. Eine Einführung in das Hörspiel durch Alfred Kolleritsch vor der geplanten Ursendung am 7. Mai 1970 war bereits fixiert worden. Handke antwortete umgehend am 24. März 1970 in einem leicht beleidigten Tonfall: »Was also ist die Problematik des Hörspiels? Mir wird schon klar, was gemeint ist, nur wird mir nicht klar, warum das gemeint ist, und warum, wenn das gemeint wird, man nicht vor der "Realisation" über die Problematik gesprochen hat. [...] Ich dachte mir das ganze eigentlich "schön, geheimnisvoll, wie einen Traum, aus dem man aufwachen möchte [...]« (HA WDR, 11682). Da Handke keine Möglichkeit fand, die Aufnahme beim WDR in Köln probezuhören, ließ Schöning am 15. April eine eigene Arbeitskopie für ihn nach Paris schicken. Zugleich relativierte er die Diskussion am Hörspiel, indem er ihm die positiven Rückmeldungen des befreundeten Hörspiel-Autors Klaus Hoffer und des Handke-Lektors im Suhrkamp Verlag Urs Widmer mitteilte. Schöning fand die Umsetzung »nach mehrmaligem Abhören richtig und konsequent« und betonte: »Daß über dieses "Experiment" gesprochen wird, ist sicher.« (HA WDR, 11682) Handke hatte, wie er in seinem nächsten Brief vom 30. April 1970 schrieb, das Band »bei Urs Widmer in Frankfurt« abgehört. Dabei seien ihm »die Geräusche etwas mickrig« vorgekommen. Seiner Einschätzung nach »sollte also vor der Sendung den Leuten gesagt werden, sie sollten sich nebenbei mit was anderm beschäftigen [...]« (HA WDR, 11682). Zugleich fragte Handke nach der Zusendung eines Manuskripts, das er für die bereits beschlossene Veröffentlichung aller Hörspiele in der edition suhrkamp benötigte.

Geräusch eines Geräusches wurde, zusammen mit einem einleitenden Essay von Alfred Kolleritsch, am 7. Mai 1970 in WDR III urgesendet und im November 1970 in dem im Suhrkamp Verlag veröffentlichten Hörspielsammelband Wind und Meer erstmals abgedruckt. Klaus Schöning berichtete nach der Sendung in einem Brief vom 21. Mai 1970, dass er Handkes Empfehlung an die Hörer, »sich während der Sendung mit anderen Dingen zu beschäftigen«, umgesetzt habe. Kritiken waren zu diesem Zeitpunkt noch keine eingegangen.

Idee und Konzeption

In einem Gespräch mit Heinz von Cramer im Jänner 1971 äußerte sich Peter Handke über seine Grundidee zu Geräusch eines Geräusches: »Geräusch eines Geräuschs ist mir persönlich fast das liebste Hörspiel, weil es den Hörer ganz frei läßt, ihm überhaupt keine Bedeutung sagt, weil es wirklich nur ganz konstruktivistisch mit Elementen von Stimmung und Traum arbeitet und weil ich mich darin völlig von diesen Hörspielen mit Sprecherstimmen befreit habe, die mir eigentlich alle Hörspiele zuwider machen.« (Cramer 1972, S. 33) Die Textvorlage, in der eine Abfolge von Geräuschereignissen vorgegeben ist, möchte Handke als »eine Art Arbeitshypothese« verstanden wissen, im Gegensatz zur völlig freien Improvisation. Handke unterscheidet mit der Vorgabe der Auswahl und Montage die Realisierung des Hörspiels klar von einem naturalistischen Ansatz und von der Geräuschaufzeichnung in einer realen Umgebung. Geräusch eines Geräusches entstand im Kontext einer sprachexperimentellen Wiederbelebung des Hörspiels ab Ende der 1960er-Jahre (Renner 1985, S. 61-62). Der Regisseur Heinz von Cramer, der das Hörspiel unter dem Produktionstitel Hörspiel Nr. 3 für den Westdeutschen Rundfunk erstmals umsetzte, gestand im Gespräch mit Handke seine persönlichen Verständnisschwierigkeiten ein: »Dagegen hat mir Ihr anderes Hörspiel Geräusch eines Geräuschs große Schwierigkeiten gemacht, weil es aus überhaupt nicht mehr identifizierbaren Geräuschen besteht. [...] Ich habe es genau ausgeführt wie es auf dem Papier stand, aber für mich ist da nichts Neues entstanden, kein neues Spannungsfeld.« (Cramer 1972, S. 30) (ck)

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