ISSN: 1680-8975 PURL: http://purl.org/sichtungen/ |
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Volker Kaukoreit: Thomas Mann an Erich Fried (1945) (20. 12. 2001). In: Sichtungen online, PURL: http://purl.org/sichtungen/kaukoreit-v-3a.html ([aktuelles Datum]). - Auch in: Sichtungen 1 (1998), S. 96-97. |
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Thomas Mann an Erich Fried (1945)Volker Kaukoreit |
[1/ S. 96:] Pacif. Palisades, Calif. Sehr geehrter Herr Fried, sowohl Ihr Brief in seiner wohltuenden Kurzangebundenheit wie Ihre Gedichte haben mir Freude gemacht. Ich verstehe, dass der Austrian P.E.N. diese Verse gern gedruckt hat. Sie haben mich namentlich angezogen durch den oft anklingenden Volksliedton, und ich finde, sie haben oft eine gewisse künstlerische und moralische Vergnügtheit, die wohl aus einem guten Ueberlegenheitsgefühl über das Böse kommt. Ich bekomme jetzt manchmal Briefe aus Deutschland, von jungen Leuten, die es knirschend durchgestanden haben. Ich glaube, ein Gedicht wie »Dichter in Deutschland« würde ihnen gut gefallen. Dank und Gruss! Nachlaß Erich Fried (ohne. Sign.) - Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Fischer Verlags, Frankfurt / Main. [1/ S. 97:] KommentarIn seinem Brief reagiert der nach Kalifornien exilierte Thomas Mann (1875-1955) auf Erich Frieds (1921-1988; vgl. S. 31f) erste selbständige Lyrikpublikation, die 1944 mit Unterstützung von Walter Hollitscher und Robert Neumann im Verlag des Austrian P.E.N. in London erschienenen, antifaschistischen »Deutschland«-Gedichte. Der 22jährige England-Exilant Fried hatte sie Thomas Mann mit einem ›kurzangebundenen‹ Begleitschreiben zugeschickt, nachdem er schon am 13. Januar 1944 in ein Tagebuch notiert hatte: »Ich werde meine Aufgabe als Dichter nie erfüllen, wenn ich mich nicht dahintersetz’. Schreiben an[:] Mann [/] Feuchtwanger [/] Brecht [/] Renn [/] Werfel« (Einblicke - Durchblicke. Fundstücke und Werkstattberichte aus dem Nachlaß von Erich Fried. Hg. von Volker Kaukoreit. Wien: Turia & Kant 1903, S. 88-90). Daß Fried mit dein einfachen Vermerk »Mann« gleichzeitig an Heinrich und Thomas Mann gedacht hat, legt die Tatsache nahe, daß er seinen »Deutschland«-Band auch an Heinrich Mann geschickt hat, der sich schon fünf Tage vor seinem Bruder bei dem jungen Refugee-Dichter bedankt hatte. Bereits am 27. August 1940 hatte Fried in einem Brief an seine österreichischen Exilfreunde Gerti und Lux Furtmüller in Reading geschrieben: »Ich lese sehr, sehr viel .... Aber in letzter Zeit waren es nur Romane[,] Schalom Asch, Otto Julius Bierbaum, Andr[é] Gide, Heinrich Mann, Thomas Mann« (unveröffentlicht, ÖLA, Sammlung Furtmüller). Thomas Manns zustimmende Lektüre von Frieds Erstlingswerk dokumentiert ebenfalls eine Eintragung in sein Tagebuch vom 20. Juli 1945 (vgl. Thomas Mann: Tagebücher 1944-1. 4.1946. Hg. von Inge Jens. Frankfurt / Main: Fischer 1986, S. 230). Der »Volksliedton« in Frieds frühen Gedichten war im übrigen auch anderen Lesern und Kritikern der Zeit positiv aufgefallen, so etwa Monty Jacobs. Heinrich Mann schrieb am 19. Juli 1944 aus Los Angeles über das Gedicht »Der Sommer geht zur Neige«, daß es »so gut« sei »wie ein Lied von Eichendorff[,] berufen in Musik gesetzt zu werden und lange zu dauern« (Einblicke - Durchblicke, S. 108). Eine ausführliche Interpretation der von Thomas Mann herausgestellten Verse »Dichter in Deutschland«, in denen Erich Fried versuchte, die im Dritten Reich gebliebenen Dichter nicht vorschnell über einen Leisten zu schlagen, unternimmt Jörg Thunecke (vgl. Interpretationen. Gedichte von Erich Fried. Hg. von Volker Kaukoreit. Stuttgart: Reclam, in Vorbereitung). Volker Kaukoreit |
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Sichtungen 1 (1998),
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