Aktualisierung 1999
[3/ S. 265:] Das Schweizerische Literaturarchiv (SLA) hat in den letzten beiden Jahren eine Reihe von Nachlässen und Archiven aus der deutsch-,
französisch- und italienischsprachigen Schweiz übernehmen können. Testamentarisch vermacht wurden dem SLA 1998 die Nachlässe
der Westschweizer Schriftstellerin Alice Rivaz (1901-1998) und des italienischsprachigen Autors und Berner Universitätsprofessors
Adolfo Jenni (1911-1997). Der Nachlaß Rivaz kam bereits 1993 ins SLA, wo er geordnet und katalogisiert wurde. Als Schenkung
erhielt das SLA eine bedeutende Sammlung von Briefen und Manuskripten des deutschen Schriftstellers Georg Kaiser (1878-1945),
die dieser dem Schweizer Dramatiker Cäsar von Arx (1895-1949) hinterlassen hatte. Ebenfalls als Geschenk übergab Roland Donzé
sein schriftstellerisches Archiv. Schließlich konnte das SLA den wichtigen Briefnachlaß von Max Altorfer, dem früheren Direktor
des Schweizerischen Bundesamtes für Kulturpflege, das Archiv der Zeitschrift »Einspruch« und den Nachlaß des Schriftstellers
Lorenz Lotmar (1945-1980) erwerben.
1999 hat das SLA die deutschsprachigen Archive und Nachlässe der Schriftstellerin und Journalistin Laure Wyss (geb. 1913),
des Berner Schriftsteller-Vereins (BSV) sowie des vorwiegend in schweizerischer Mundart dichtenden Josef Reinhart (1875-1957)
übernommen. Eine Sammlung von hundert Zeichnungen der Basler Schriftstellerin Adelheid Duvanel (1936-1996) ist als Geschenk
Maja Beutlers ins SLA gelangt. Hinzugekommen sind zudem die französischsprachigen Bestände von Georges Arès (Pseudonym für
Cornélius Heim, 1926-1997) und Georges Poulet (1902-1991).
Die Suche nach einem Erschließungssystem wurde 1999 fortgesetzt; Projektleiter Pierre Clavel und Rudolf Probst verfolgten
an Sitzungen und Arbeitstagungen in London, Wien und Marbach am Neckar die Entwicklung der verschiedenen Systeme. Dabei bestätigte
sich der Eindruck, daß das aus den angelsächsischen Ländern stammende Format Encoded Archival Description (EAD) sich zu einem
allgemein an- [3/ S. 266:] erkannten Standard entwickeln dürfte. Wesentliche Impulse gab auch das EU-Projekt MALVINE (Manuscripts and Letters via Integrated
Networks in Europe), das den Online-Nachweis von Manuskriptkatalogen in Europa zum Ziel hat; da die Schweiz kein EU-Mitglied
ist, wirkt das SLA als Vertreter der Schweizerischen Landesbibliothek als assoziierter Partner mit.
Seit der Einrichtung des provisorischen Lesesaals an der Hallwylstraße im Oktober 1998 mußte die Zahl der Besuchenden des
SLA für die Dauer von etwa zwei Jahren stark eingeschränkt werden. Im provisorischen Lesesaal der Schweizerischen Landesbibliothek
stehen für die Konsultation der Nachlässe und Archive des SLA lediglich zwei - in Ausnahmefällen drei - Arbeitsplätze zur
Verfügung. Noch bis etwa Frühjahr 2001 können die Nachlässe und Archive nur nach Voranmeldung (Anmeldefrist: vier Wochen)
und mit Begründung eines konkreten Forschungsvorhabens eingesehen werden. Umso erfreulicher ist es, daß im Jahr 1999 trotz
dieser Einschränkungen 467 Benutzungen (gegenüber 753 aus dem Vorjahr) registriert werden konnten.
Nachdem 1998 die Arbeiten am Projekt »Zeitgeschichte im SLA« aufgenommen worden waren, konnte 1999 die erste Phase planmäßig
abgeschlossen werden. Einer Delegation des Stiftungsrats der Silva-Casa-Stiftung, die das Projekt großzügig unterstützt, konnten
am 1. Juni 1999 die umfangreichen Inventare vorgestellt werden, die von den vier bearbeiteten Nachlässen und Archiven von
Arnold Künzli, Golo Mann, Niklaus Meienberg und Jean Rudolf von Salis erstellt worden sind. Nach Abschluß der archivarischen
Erschließungsarbeiten begannen die wissenschaftliche Auswertung der Dokumente und die Vorbereitung einer Publikation. Diese
ist im September 2000 unter dem Titel »Nachfragen und Vordenken - Intellektuelles Engagement bei Jean Rudolf von Salis, Golo
Mann, Arnold Künzli und Niklaus Meienberg« im Chronos-Verlag Zürich erschienen, mit Beiträgen von Sibylle Birrer, Reto Caluori,
Kathrin Lüssi und Roger Sidler.
1999 wurde die Betriebsaufnahme des Centre Dürrenmatt Neuchâtel (CDN) vorbereitet. In Zusammenarbeit mit Ulrich Weber (Arbeitsstelle
Dürrenmatt am SLA) verfaßte der Betriebsprojektleiter Peter E. Erismann ein erstes Diskussionspapier für die inhaltliche Konzeption
der Eröffnungsausstellung für den Architekten Mario Botta, der mit der Gestaltung der Schau betraut worden war. Im Frühjahr
2000 wurde Janine Perret Sgualdo als Leiterin des CDN gewählt, das am 23. September 2000 eröffnet werden konnte. Die erste
Ausstellung im CDN ist ausschließlich Friedrich Dürrenmatt gewidmet. Im Zentrum stehen dabei die Bezüge zwischen den beiden
Ausdrucksformen Schreiben und Malen bzw. Zeichnen.
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