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EITEL. Dass der 80. Geburtstag vor der Türe stehe, sieht man ihm nicht an. Bevor er fürs Foto posiert, kämmt er sich die Haare. "Wenn Sie einmal 80 sind, dann sind Sie auch eitel." Witzige Antworten und permanentes Kommunizieren sind überhaupt Eigenheiten von Harry Weber. Das sieht man auch in seinen Bildern. "Was mich interessiert, ist der Ausdruck eines Menschen. Es kränkt mich, dass die Mazzes-Insel vor dem Krieg nicht wirklich fotografiert wurde, dass man nicht mehr sehen kann, wie die Menschen ausgesehen haben."
Wie in der Ausstellung zu sehen ist, ist Weber auch ein Meister der Komposition und formaler Lösungen. Eigentlich gute Voraussetzungen, abstrakte Bilder zu komponieren. "Nein, abstrakte Bilder habe ich nie gemacht. Ich bin ein Realist, ein Phantast und ein Romantiker. Ich will, dass ein Bild eine Geschichte erzählt." Die vierteilige Serie, die erzählt, wie Polizisten einen Sandler von der Straße tragen, den wir dann in Bild vier vor einem Plakat sitzen sehen, das "mehr Wärme" verspricht, ist so ein Fall.
REPORTER. Im Harrach zeigt Weber ausschließlich Schwarzweiß-Fotos. Fotografiert hat er allerdings auch in Farbe. "Farbe nimmt etwas vom Bild weg. In Schwarzweiß kann ich mehr ausdrücken." Weber sieht sich nicht als Künstler. "Ich bin Pressefotograf, ich dokumentiere, mache Reportagen. El Greco ist ein Künstler. Mein Plakat hängt neben seinem, das freut mich."
Fotografiert hat Weber bereits als Kind. Im Alter von 11 Jahren hat der 1921 geborene seine erste Kamera bekommen. "Das erste Bild, das ich gemacht habe, war das Rathaus." Seit diesem Erstkontakt war Weber nur sieben Jahre seines Lebens unterwegs, die Jahre 1938 bis 1945.
1938 gelang ihm die Flucht nach Palästina. Sein Vater blieb hier und überlebte Ausschwitz, seine Mutter wurde 1942 im KZ Minsk ermordet. "Ich mache mir heute noch Vorwürfe, dass ich sie nicht überreden konnte zu gehen. Ich habe meine Mutter sehr geliebt."
HEIRAT. Nach seiner Rückkehr lernte er seine Frau, eine Fotolaborantin, kennen. "Das war von Vorteil, denn mein erster Auftrag für den österreichischen Stern, eine Gerichtssaalreportage, war stark überbelichtet. Meine Frau hat das dann hingekriegt." Er selbst war kein Meister des Entwickelns. "Ich war nie ein Labormensch. Ich bin zu ungeduldig, bei mir werden die Bilder fleckig."
Im Cafe Landtmann spricht er einen Wachebeamten an. "Sagen Sie Ihrem Chef, dem Bundespräsidenten, ich würde mich freuen, ihn in meiner Ausstellung zu sehen", und gibt dem Erstaunten eine Einladungskarte. Der nickt verblüfft. "Ich kommuniziere immer, so ist der Harry Weber, so bin ich", sagt er nicht zum ersten Mal. Und man merkt, dass es noch eine ganz andere Facette gibt.
ANGST. Die Frage, wie er sich in Wien fühlt, macht den heiteren Charmeur ernst. "Ich liebe die Stadt, aber mit den Menschen fühle ich mich nicht wohl. Wenn ich Menschen in meinem Alter sehe denke ich mir: Vielleicht hat der meine Mutter erschossen. Solche Leute sehe ich vor mir, es gibt hier viele Nazis."
Über die Schau, die einen großen Teil seines Werkes zeigt, freut sich Harry Weber. "Ich möchte, dass sie die Arbeit meines Lebens anschauen." Ein Wunsch, der sicher in Erfüllung geht.
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