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Mirko Nottscheid: Der Teilnachlaß von Wilhelm Scherer in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz (15. 02. 2003). In: Sichtungen online, PURL: http://purl.org/sichtungen/nottscheid-m-1a.html ([aktuelles Datum]).

Mirko Nottscheid
Universität Hamburg
Institut für Germanistik II - Neuere deutsche Literatur und Medienkultur
Von-Melle-Park 6/IV, D-20146 Hamburg
Email: Mirko_Nottscheid@web.de
Letzte Adressaktualisierung: 2003

Der Teilnachlaß von Wilhelm Scherer in der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz

Mirko Nottscheid

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Der Germanist Wilhelm Scherer, der 1841 auf Schloß Schönborn bei Göllersdorf in Niederösterreich geboren wurde und 1886 im Alter von nur 45 Jahren in Berlin starb, gehört zu den wirkungsmächtigsten Persönlichkeiten des deutsch-österreichischen Wissenschaftsbetriebs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bereits mit 27 Jahren wurde er 1868 ordentlicher Professor in Wien, nach kurzem Zwischenspiel in Straßburg erhielt er 1877 den Ruf auf den eigens für ihn geschaffenen Lehrstuhl für neuere deutsche Literaturgeschichte an der Universität Berlin. Scherer schärfte das methodische Profil der Germanistik im interdisziplinären Kontakt mit der zeitgenössischen Philosophie und Geschichtswissenschaft, aber auch durch Annäherungen an die induktiven Verfahrensweisen der Naturwissenschaften. Sein umfangreiches wissenschaftliches Werk stand, ebenso wie die nach ihm benannte wissenschaftliche Schule, lange Zeit unter einem pauschalen Positivismusverdacht, ein Urteil, das erst in jüngster Zeit durch differenziertere wissenschaftsgeschichtliche Untersuchungen relativiert wurde.[1] Unbestritten sind Scherers Verdienste um die Öffnung der Germanistik für die Beschäftigung mit neuerer deutscher Literatur sowie die Reform des wissenschaftlichen Unterrichts, die er durch die Gründung germanistischer Seminare in Straßburg und Berlin förderte.


Scherers Berliner (Krypto-)Teilnachlaß

Beim Scherer-Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin handelt es sich - genau genommen - nicht um einen Teilnachlaß von Wilhelm Scherer, sondern um die Hinterlassenschaft seiner Witwe Marie Scherer, die einen solchen (ergo: Krypto-Teilnachlaß) enthält. Die systematische Erschließung des Bestands wurde in den Jahren 2000 und 2001 im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts »Rekonstruktion der wissenschaftlichen Biographie Wilhelm Scherers«[2] durchgeführt, in dessen Zentrum die Aufbereitung einschlägiger Quellen in Form von analytischen Studien und Editionen stand. Daß die hier zur Rede stehenden Teile der Scherer-Hinterlassenschaft bislang innerhalb der Forschung keinerlei Beachtung gefunden haben, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß sie erst relativ spät, 1982, in öffentlichen Besitz gelangten.


Bestandsgeschichte

Die in Wien geborene Konzertsängerin Marie Leeder (1855-1939),[3] deren Talent von Komponisten wie Johannes Brahms und Joseph Joachim geschätzt wurde, trat um das Jahr 1877 in Scherers näheren Bekanntenkreis, als sie ein Engagement an der Straßburger Oper annahm. Im März 1879 heirateten sie und Scherer. In den rund fünfzig Jahren, die sie ihren Mann überlebte, hielt Marie Scherer engen Kontakt zu dessen großem Freundes- und Schülerkreis. Nachdem sie sich bereits in den vorhergehenden Jahrzehnten verschiedentlich von kleineren Teilen des Bestands getrennt hatte,[4] übergab sie im Jahr 1935 den Hauptnachlaß ihres Mannes der Berliner Literaturarchiv-Gesellschaft.[5] Diese Materialien, die heute im Literaturarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften liegen, repräsentierten das, was Marie Scherer vorläufig als Grundlage für ein von der Wissenschaft zu erarbeitendes Scherer-Bild für geeignet hielt. Bei den damals von ihr noch zurückbehaltenen Teilen des Nachlasses handelte es sich hauptsächlich um Dokumente aus Scherers privater Sphäre, die für seine Hinterbliebenen einen hohen persönlichen Wert darstellten: ältere Familienpapiere aus dem Nachlaß von Scherers Eltern, Lebensdokumente aus seiner Kindheit und Jugend, Tagebücher und andere autobiographische Aufzeichnungen, einige wenige Manuskripte sowie umfangreiche Korrespondenzen aus dem engeren Familien- und Freundeskreis - Materialien, die, wie Marie Scherer an den ihr befreundeten Germanisten Albert Leitzmann schrieb, »für eine Biographie in Frage kämen«.[6] Von der Existenz dieses ›Restnachlasses‹ wußte damals nur ein kleiner Personenkreis.[7] Zu ihm gehörten die beiden jungen, aus der Berliner Schule hervorgegangenen Germanisten Ulrich Pretzel (1898-1981)[8] und Wieland Schmidt (1904-1989),[9] die sich um die Sammlung von Quellen zur Geschichte der Germanistik außerordentliche Verdienste erwarben. Pretzel, der sich in Berlin habilitierte, wurde nach dem Krieg Ordinarius für Deutsche Philologie an der Universität Hamburg. Wieland Schmidt schlug die Bibliothekslaufbahn ein. Er war später Gründungsdirektor der Bibliothek der Freien Universität Berlin und daselbst Professor für Bibliothekswissenschaft. Beider persönliche Bekanntschaft mit Marie Scherer dürfte bis in die 20er Jahre zurückreichen, als sie am Berliner Seminar bei ihren Lehrern Gustav Roethe, Arthur Hübner und Julius Petersen studierten.

Als Marie Scherer im Oktober 1939, wenige Tage nach Beginn des Zweiten Weltkrieges, in ihrer Heimatstadt Wien starb, fiel der sorgsam gehütete ›Restnachlaß‹ gemeinsam mit ihrer eigenen Hinterlassenschaft dem einzigen Enkel Herman Sonnenthal-Scherer (1906-1973)[10] zu. Bei einem Luftangriff im Frühjahr 1943 wurde Marie Scherers ehemalige Berliner Wohnung, die der Enkel übernommen hatte, von Bomben getroffen und brannte völlig aus. Die in Berlin verbliebenen Reste der 1887 in die USA verkauften Scherer-Bibliothek wurden damals zerstört.[11] Ein Großteil der schriftlichen Hinterlassenschaft konnte jedoch von Pretzel, damals bereits Dozent an der Berliner Universität, und der Theaterwissenschaftlerin Annemarie Schmidt (1909 bis etwa 1995), der Frau Wieland Schmidts, vor der Vernichtung gerettet werden.

Nach Kriegsende brachte Pretzel den größten Teil der damals geretteten Nachlaßstücke an seinen neuen Wirkungsort Hamburg. In den folgenden Jahrzehnten ordnete er das ihm anvertraute Material mehrfach um und reicherte es durch eigene Sammlungen an, veröffentlichte aber kaum etwas daraus.[12] Den langgehegten Plan zu einer umfassenden Geschichte der Germanistik konnte Pretzel, der als einer der besten Kenner der Materie galt, nicht verwirklichen. Allerdings erhielten seit den 1970er Jahren gelegentlich jüngere Wissenschaftler, die über Scherer arbeiteten, Einblick in Teile des Nachlasses, dessen Existenz indes dem breiten Fachpublikum weiterhin unbekannt blieb.[13] Nach dem Tod ihres Mannes übergab Charlotte Pretzel (1895-1994), die Scherer-Hinterlassenschaften 1982 der Staatsbibliothek zu Berlin, wo sie als Nachlaß 166 in den Bestand der Handschriftenabteilung aufgenommen und vorläufig inventarisiert wurden.[14]

Ein wesentlich kleinerer Teil des 1943 sichergestellten Nachlasses von Marie Scherer verblieb in der Obhut von Wieland und Annemarie Schmidt. Kurz vor seinem Tod übergab Wieland Schmidt in den Jahren 1987 und 1988 seine Scherer-Sammlung - darin hauptsächlich Fotografien aus dem Besitz von Wilhelm und Marie Scherer - der Staatsbibliothek zu Berlin, wo sie heute einen Teil seines später übernommenen Nachlasses darstellt.[15]


Nachlaßerschließung

Als Richtschnur für die Aufarbeitung des Nachlasses im Rahmen des oben genannten Erschließungsprojektes dienten die von der DFG herausgegebenen »Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen« (Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen [RNA]. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1997). Nach kritischer Durchsicht des in seiner ursprünglichen Form 18 Kästen umfassenden Gesamtbestandes wurde eine systematische Neuordnung durchgeführt, bei der jedoch in vielen Fällen an die Erstbearbeitung der Handschriftenabteilung sowie die früheren Ordnungsarbeiten von Marie Scherer und Ulrich Pretzel angeschlossen werden konnte. Die Verzeichnung mußte indessen von Grund auf neu angelegt werden.[16] Insgesamt wurden 490 Nachlaßeinheiten gebildet, die sich wie folgt auf fünf Hauptordnungsgruppen verteilen: 1. Ältere Familienpapiere (35 Mappen) - 2. Teilnachlaß Wilhelm Scherer (219 Mappen) - 3. Nachlaß Marie Scherer (221 Mappen) - 4. Anreicherungen von Ulrich Pretzel (13 Mappen) - 5. Deposita aus fremden Nachlässen (2 Mappen). Die Feinverzeichnung der Nachlaßteile von Wilhelm und Marie Scherer, die den Kern des Bestands ausmachen, gliedert sich in die vier Untergruppen, die in den den RNA vorangestellten DFG-»Richtlinien Nachlässe und Autographen« empfohlen werden: Werke (nur bei Wilhelm Scherer), Lebensdokumente, Briefe, Sammlungen (nur bei Marie Scherer). Zum Findbuch wurde ein kommentierter Index aller Personen erstellt, deren Namen in den Beschreibungen des Nachlasses vorkommen. Die Ansetzung der erhobenen Namen orientiert sich an den Normdatensätzen Der Deutschen Bibliothek Frankfurt am Main. Nach Abschluß der Verzeichnung wurden die Daten an die Zentralkartei der Autographen der Staatsbibliothek zu Berlin übermittelt.


Inhaltsübersicht

Die Gruppe 1 mit dem Familiennachlaß enthält verschiedene Dokumente zur Geschichte der Familie Scherer, die zum Teil bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückreichen. Der Forschung bietet sich hier eine wichtige Quelle nicht nur zu den genealogischen Verhältnissen, sondern zu den sozialgeschichtlich relevanten Bedingungen von Scherers Herkunft und zu den Bildungsvoraussetzungen im Elternhaus.[17] Scherer entstammte väterlicherseits einer Familie, die seit mindestens zwei Generationen im Dienst der Grafen von Schönborn stand, einem politisch wie wirtschaftlich einflußreichen, katholischen Adelsgeschlecht mit großen Liegenschaften sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Scherers Großvater, Christoph Scherer, war Schönbornscher Kanzleirat im fränkischen Pommersfelden. Der Vater, Wilhelm Scherer sen. (1792-1845), übersiedelte 1811 von Franken nach Österreich, wo er zunächst Wirtschaftsschreiber in der Kanzlei des Grafen von Schönborn-Buchheim in Wien wurde und später als Oberamtmann der gräflichen Güter in Göllersdorf wirkte. Um das Jahr 1840 heiratete er hier Anna Rieck (1817-1892), Scherers Mutter, die Tochter des Verwalters auf Schloß Schönborn. Von Wilhelm Scherer sen. sind ein Briefnachlaß und diverse Lebensdokumente überliefert, die über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie in den Jahren vor und nach Wilhelm Scherers Geburt detailliert Auskunft geben. Die persönlichen und dienstlichen Aufzeichnungen des Vaters, die auch ein größeres Konvolut mit Gedichtabschriften und selbstverfaßten Gedichten enthalten, weisen ihn als vielseitig interessierten und literarisch gebildeten Mann aus. Daß der Sohn diese Aufzeichnungen kannte und aus ihnen Anregungen für seine Beschäftigung mit literarischen Themen bezog, belegen eigenhändige Abschriften und Notizen des jugendlichen Scherer, die bei den Papieren des Vaters liegen. Aufschlußreich für die Vermögensverhältnisse in Scherers späteren Jahren sind verschiedene Sachakten zu den Hinterlassenschaften des Vaters und anderer Verwandter. Sie wurden von Scherers Stiefvater und zeitweiligem Vormund, dem Wirtschaftsrat Anton von Stadler (um 1800-1870) angelegt, einem Freund der Familie, den die Mutter einige Jahre nach dem frühen Tod ihres ersten Mannes geheiratet hatte.

Der eigentliche ›Restnachlaß‹ von Wilhelm Scherer (Gruppe 2) gliedert sich in die Untergruppen Werke, Lebenszeugnisse und Briefe. Die dem Umfang nach kleinste Abteilung bilden die Werke. Hier ist vor allem auf drei Arbeitskomplexe hinzuweisen, die im Hauptnachlaß nicht dokumentiert sind. Der erste betrifft die Neubearbeitung von Jacob Grimms »Deutscher Grammatik«,[18] die Scherer auf Anregung seines Freundes Herman Grimm in Angriff nahm und bis zum zweiten Band ausführte. Erhalten ist hierzu Scherers Handexemplar des ersten Bands mit seinen eigenhändigen Marginalien und weiteren Notizen zur Edition auf inliegenden Zetteln. Zwei weitere größere Konvolute betreffen Gelegenheitsarbeiten des späten Scherer: die akademische Abhandlung »Mars Thingsus«,[19] einen seiner letzten Beiträge zur Altertumskunde, sowie die Biographie seines 1884 verstorbenen Berliner Lehrers Karl Müllenhoff,[20] die Scherer 1885 während eines Kuraufenthaltes in Bad Gastein konzipierte und zu schreiben begann, aber in den von Krankheit und Arbeitsüberlastung geprägten letzten Monaten seines Lebens nicht mehr beenden konnte. In beiden Fällen sind neben dem Manuskript auch Vorarbeiten in Form von Entwürfen und Arbeitsmaterialien (Druckschriften, Korrespondenz mit Fachkollegen usw.) erhalten, so daß sich aus dem Zusammenhang weiterführende Einblicke in Scherers Arbeitsweise als wissenschaftlicher Schriftsteller eröffnen.

Unter den diversen Dokumenten der privaten und beruflichen Lebensführung (z. B. Personalpapiere, Schuldokumente, eigenhändige Zeichnungen, Quittungen und Schuldscheine) können zehn Notizhefte mit persönlichen Aufzeichnungen unterschiedlicher Art besonderes Interesse beanspruchen. Es handelt sich hier um die einzigen autobiographischen Zeugnisse im engeren Sinn, die von Scherers Hand überliefert sind, wenn man von einigen akademischen Lebensläufen im Hauptnachlaß und den gelegentlichen Anmerkungen im veröffentlichten Werk absieht. Sieben Hefte lassen sich als Tagebücher klassifizieren, die jedoch kein Diarium in kontinuierlicher Folge darstellen, sondern bestimmte Lebensphasen von einigen Tagen, Wochen oder Monaten dokumentieren. Den äußeren Anlaß zur Aufnahme des Tagebuchs bildeten jeweils einschneidende private oder berufliche Wendepunkte. Neben stichwortartigen Protokollen zu Tagesereignissen, Arbeitspensum, Lektüre, dem gesellschaftlichen Verkehr und der täglichen Korrespondenz finden sich hier knappe aphoristische Reflexionen zu wissenschaftlichen, künstlerischen und politischen Aspekten, aber auch ausführlichere Berichte, etwa zu Reiseerlebnissen. Höchst aufschlußreich für die wirtschaftlichen Verhältnisse Scherers ist ein Kassenbuch der Jahre 1879 bis 1885, in dem er u. a. alle seine Einnahmen aus beruflichen und publizistischen Aktivitäten notierte. Nur wenige flüchtige Eintragungen in Form von Kapitelüberschriften enthält ein aus der Zeit um 1885/86 datierendes Heft. Diese stellen nach einer beiliegenden Notiz von Marie Scherer die »Richtschnur« für eine »Selbstbiographie« dar, die Scherer schreiben wollte, ein Plan, der nicht zur Ausführung gelangte.

Neben den autobiographischen Zeugnissen stellen die im Teilnachlaß vorhandenen ›neuen‹ Korrespondenzen Scherers die wichtigste Ergänzung des bisherigen Quellenbestands dar. Insgesamt wurden im Rahmen der Verzeichnung etwa 1.200 Schreiben von und 1.500 an Scherer aufgenommen. Unter den letzteren befinden sich zahlreiche Einzelstücke und kleinere Konvolute, welche die im Hauptnachlaß der Berlin-Brandenburgischen Akademie vorhandenen Korrespondenzen Scherers komplettieren, darunter Briefe von Ludwig Bamberger, Konrad Burdach, Johannes Franck, August Fresenius, Herman Grimm, Klaus Groth, Richard Heinzel, Adalbert Horawitz, Emil Hübner, Gustav Jacobsthal, Daniel Jacoby, Franz Lichtenstein, Gustav von Loeper, Jakob Minor, Theodor Mommsen, Leopold von Ranke, Julius und Justina Rodenberg, Max Roediger, August Sauer, Edward Schröder, Joseph Seemüller, Bernhard Seuffert, Elias von Steinmeyer, Philipp Strauch, Carl Stumpf, Albrecht Wagner, Richard Maria Werner und Heinrich Zimmer. Näher einzugehen ist an dieser Stelle auf drei bislang unbekannte größere Korrespondenzen: Scherers Briefwechsel mit den Eltern, mit seiner langjährigen Vertrauten Lina Duncker, und mit Marie Scherer, die fast ausschließlich im Nachlaßteil der Berliner Staatsbibliothek überliefert sind.[21]

Seit 1850, als Scherer mit acht Jahren in ein privates Schulinstitut in Wien eintrat, schrieb er regelmäßig Berichte über alle ihm wichtig erscheinenden Tagesereignisse nach Hause, wann immer er länger von der Familie getrennt war. Das umfangreiche Konvolut - zu den etwa 500 Korrespondenzstücken von Scherer kommen noch rund 350 Gegenbriefe der Eltern - vermittelt einen lebendigen Eindruck von Scherers Kindheit und Jugend, den Jahren am Akademischen Gymnasium in Wien, der Studienzeit in Berlin und noch den ersten Stationen der wissenschaftlichen Laufbahn. Die frühe intellektuelle und weltanschauliche Entwicklung geht aus Scherers Briefen an den Stiefvater Anton von Stadler hervor, die vielfach kulturelle und politische Themen berühren. Den Briefwechsel mit seiner Mutter Anna, mit der er bis zu seiner Heirat im Jahre 1879 zusammenlebte, setzte Scherer bis kurz vor seinem Tod fort. Dabei ist nicht ganz unwesentlich, daß die Korrespondenz auch eine wichtige Quelle für die frühe Biographie von Scherers Halbbruder Toni Stadler (1850-1917)[22] darstellt, der sich später in München niederließ, wo er ein bekannter Landschaftsmaler wurde und 1893 zu den Mitbegründern der Sezession gehörte.

Eine wichtige Bezugsperson außerhalb des wissenschaftlichen Betriebs war für Scherer auch Lina Duncker (1825-1885), die vielseitig interessierte Ehefrau des liberalen Politikers und Verlagsbuchhändlers Franz Duncker (1822-1888), deren seit den 1850er Jahren bestehender Salon in der Potsdamer Straße ein bedeutender Anziehungspunkt der politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Berliner Prominenz war.[23] Scherers persönliche Beziehungen zum Ehepaar Duncker datieren aus der Zeit seines ersten Berliner Studiensemesters im Sommer 1860 und wurden in den folgenden Jahren durch regelmäßige Besuche in Berlin und auf gemeinsamen Reisen mit Frau Duncker vertieft. 1876, als Lina Duncker vorübergehend plante, sich von ihrem Mann zu trennen, machte ihr Scherer einen Heiratsantrag, den sie jedoch zurückwies.[24] Neben Persönlichem dreht sich die annähernd zwei Jahrzehnte umspannende Korrespondenz um aktuelle literarische und politische Themen, nicht zuletzt um die jeweiligen Arbeitsprojekte Scherers, an denen seine Briefpartnerin interessiert Anteil nahm. Häufig übernahm die Freundin auch Mittlerdienste zwischen Scherer und dem Verlag ihres Mannes, in dem 1868 Scherers »Geschichte der deutschen Sprache« und 1871 die gemeinsam mit Ottokar Lorenz verfaßte »Geschichte des Elsaß« erschienen. Ein wichtiges Thema der späteren Korrespondenz bilden Werk und Persönlichkeit Goethes, die seit den 1870er Jahren zunehmend ins Zentrum von Scherers wissenschaftlichen Interessen rückten. Im Nachlaß erhalten sind lediglich die rund 300 Briefe Scherers an Lina Duncker aus den Jahren 1864 bis 1885, die vermutlich nach dem Tod der Freundin an ihn zurückgegeben wurden. Viele private Passagen darin sind durch Rasuren, die vermutlich von Duncker selbst herrühren, getilgt. Von den Gegenbriefen fehlt jede Spur.[25]

Annähernd vollständig überliefert ist dagegen der Briefwechsel zwischen Wilhelm und Marie Scherer aus den Jahren 1877 bis 1886. Die rund 800 Briefe, die Scherer mit seiner Frau wechselte, sind nicht nur ein Dokument ihrer Beziehung, die Scherer als sein spätes Lebensglück empfand. Sie enthalten zugleich wesentliche Einblicke in seine private und berufliche Lebensführung jener Jahre, in die neben der Arbeit an der 1883 erschienenen »Geschichte der deutschen Litteratur«, dem letzten Hauptwerk, auch die Berufung auf das Berliner Ordinariat und die Vorbereitungen zur Gründung des dortigen Seminars fielen, dessen Eröffnung 1887 Scherer nicht mehr erlebte.

Die drei beschriebenen Korrespondenzen sind schon aufgrund ihres Umfangs und der Dichte der Überlieferung für eine künftige Rekonstruktion von Scherers Curriculum vitae unverzichtbar. Ihr besonderer Quellenwert liegt darüber hinaus in der Unbefangenheit begründet, mit der Scherer sich im privaten Kontext über viele Themen äußert, die in den ›offiziösen‹ Korrespondenzen weniger stark hervortreten. Hierzu gehören spontane Äußerungen zu wissenschaftlichen Arbeiten und Vorhaben, selbstkritische Reflexionen über den Wert der schriftstellerischen Produktion, taktische Aspekte der Karriereplanung ebenso wie vergleichsweise unverstellte Einschätzungen des wissenschaftlichen Betriebs und seiner Repräsentanten. Die quellenkritische Erschließung dieser Briefe stellt deshalb ein Desiderat der Forschung dar.

Bei rund einem Drittel der Briefe an Scherer handelt es sich schließlich um Glückwünsche (Briefe, Karten, Visitenkarten, Telegramme), die ihn anläßlich seiner Verlobung mit Marie Leeder (1878) und der Geburt der Kinder Herman (1880) und Maria Scherer (1884) erreichten. Diese inhaltlich überwiegend gleichförmigen Schreiben, die Scherer selbst gesammelt abgelegt hat, sind im einzelnen für die Forschung weit weniger ertragreich als die vorstehend beschriebenen kontinuierlichen Korrespondenzen. Im Zusammenhang betrachtet erlaubt aber die Fülle der hier versammelten Namen einen durchaus aufschlußreichen Überblick über die vielfältigen familiären, beruflichen und gesellschaftlichen Beziehungen, die Scherer im fraglichen Zeitraum unterhielt.

Der persönliche Nachlaß von Marie Scherer (Gruppe 3) enthält private Aufzeichnungen, Dokumente zur Familiengeschichte, Briefe von und an die Nachlasserin sowie diverse Sammelstücke, darunter Hunderte von Familienfotografien. Überdies sind auch noch kleinere Nachlaßsplitter der beiden frühverstorbenen Kinder von Wilhelm und Marie Scherer enthalten.[26] Herman Scherer (1880-1900) verunglückte während einer Bergtour in den Alpen tödlich. Die Tochter Maria Scherer (1884-1916) war seit 1905 mit dem österreichischen Forstarzt Horaz Sonnenthal (1884-1918) verheiratet - einem Neffen des berühmten Hofburgschauspielers Adolf von Sonnenthal - und arbeitete während des Ersten Weltkriegs als Rotkreuz-Schwester in Syrien und Palästina, wo sie an den Folgen einer Cholera-Infektion starb. Von besonderem Interesse dürfte Marie Scherers Briefnachlaß sein, der nicht zuletzt das jahrzehntelange Engagement der Nachlasserin für das Andenken und die Hinterlassenschaft ihres Mannes dokumentiert. Zu den besonders namhaften Persönlichkeiten des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens, mit denen sie in Korrespondenz stand, zählen Johannes Bolte, Otto Brahm, Konrad Burdach, Georg Ellinger, Herman Grimm, Michael Hainisch, Adolf und Amalie von Harnack, Anna und Helmut von Helmholtz, Wilhelm von Hartel, Julius Hoffory, Joseph Joachim, Dietrich von Kralik, Maria von Kralik, Richard M. Meyer, Theodor Mommsen, Eduard Norden, Max Planck, Otto Pniower, Gustav Roethe, August Sauer, Erich Schmidt, Richard Schöne, Edward Schröder, Heinrich Spiero und Rudolf Virchow.

Als Anreicherungen von Ulrich Pretzel (Gruppe 4) sind diverse Druckschriften von und über Scherer erhalten. Ein Teil von ihnen stammt aus der Bibliothek von Erich Schmidt, Scherers vertrautem Schüler, der 1887 die Nachfolge seines Lehrers auf dem Berliner Ordinariat antrat. Hervorzuheben ist eine von Pretzel angelegte Sammlung mit Nachrufen, Würdigungen und Rezensionen zu Scherer aus deutschsprachigen und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften, die in dieser Vollständigkeit selten sein dürfte. Hinzu kommt ein größeres Konvolut mit hand- und maschinenschriftlichen Transkriptionen von Briefen und Dokumenten aus den verschiedenen Gliederungen des Scherer-Nachlasses, die vermutlich Vorarbeiten zu der von Pretzel geplanten Geschichte der deutschen Philologie darstellen.[27] Hinzuweisen ist abschließend noch auf die beim Nachlaß liegenden Deposita (Gruppe 5): an Ulrich Pretzel aus anderen Nachlässen ausgeliehene Bestände, die er vor seinem Tod nicht mehr zurückgeben konnte. Darunter befindet sich ein größeres Konvolut mit Aufzeichnungen von Scherers Lehrer Karl Müllenhoff, u. a. zum »Beowulf«. Es stammt aus dem Besitz von Pretzels Lehrer Edward Schröder, den Scherer bereits im Jahr 1885 mit der postumen Herausgabe von Müllenhoffs »Beowulf«-Arbeiten beauftragt hatte.[28]

Im Zusammenhang mit der Erschließung des hier beschriebenen Bestandes werden zwei größere Publikationen vorbereitet. Kurz vor dem Abschluß steht das Manuskript eines gemeinsamen Abdruckes der Findbücher zu den beiden großen Scherer-Beständen in der Staatsbibliothek zu Berlin und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Darüber hinaus werden Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt »Zur Rekonstruktion der wissenschaftlichen Biographie Wilhelm Scherers« in einen Dokumentenband einfließen, der derzeit in Vorbereitung ist. Er wird neben einer Studie zum aktuellen Forschungsstand der Quellenauswertung und Informationen zur Geschichte und Struktur des Gesamtnachlasses eine umfangreiche kommentierte Edition von ausgewählten Korrespondenzen, autobiographischen Aufzeichnungen und weiteren Lebensdokumenten Scherers enthalten, die im Zusammenhang mit der Arbeit an den verschiedenen Gliederungen des Nachlasses erschlossen wurden.


Anhang: Weitere Nachlaßteile

Nur kurz sei hier noch auf eine Reihe weiterer Scherer-Bestände hingewiesen, die vollständig in keinem der einschlägigen Nachlaßkompendien verzeichnet sind:[29]
(I) Bibliothek: 1887 an das Adelbert College Cleveland, Ohio / USA verkauft, 1964 Wiederentdeckung durch den Germanisten Peter Salm, heute im Department of Special Collections der Case Western Reserve University Library in Cleveland, Umfang: ca. 7.000 Bände, durch Online-Katalog (nur teilweise) und Findkartei erschlossen.[30]
(II) Teilnachlaß 1: vor 1910 vermutlich als Schenkung der Familie an die Bibliothek des Germanischen Seminars der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, nach dem Zweiten Weltkrieg in der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität, heute im Universitätsarchiv, Umfang: 2 Kästen (Manuskripte und Arbeitsmaterialien, Korrespondenzen), archivarisch geordnet, kein Verzeichnis.[31]
(III) Teilnachlaß 2: 1907 Schenkung durch Marie Scherer an die Preußische Staatsbibliothek zu Berlin, Umfang: 7 Kapseln (Manuskripte), Inventar im Akzessionsjournal der Handschriftenabteilung, während des Zweiten Weltkriegs in das Außenlager Schloß Altmarrin verbracht, dort 1943 verbrannt.[32]
(IV) Teilnachlaß 3: Briefe von Ottokar und Marie Lorenz an Wilhelm Scherer, 1908 durch Marie Scherer an Marie Lorenz übergeben, zu unbekanntem Zeitpunkt aus dem Nachlaß von Ottokar Lorenz separiert, nach dem Zweiten Weltkrieg im Zentralen Staatsarchiv der DDR in Merseburg, heute im Bundesarchiv - Außenstelle Berlin-Lichterfelde, Umfang: 1 Kasten, unverzeichnet.

Anmerkungen

1] Den aktuellen Forschungsstand zur Biographie Scherers und zu seiner wissenschaftsgeschichtlichen Stellung repräsentieren die folgenden Arbeiten: Jürgen Sternsdorff: Wissenschaftskonstitution und Reichsgründung. Die Entwicklung der Germanistik bei Wilhelm Scherer. Eine Biographie nach unveröffentlichten Quellen. Frankfurt am Main, Bern, Cirencester: Lang 1979 (= Europäische Hochschulschriften I/321); Wolfgang Höppner: Das »Ererbte, Erlebte und Erlernte« im Werk Wilhelm Scherers. Ein Beitrag zur Geschichte der Germanistik. Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1993 (= Europäische Kulturstudien 5); Herta Blaukopf: Positivismus und Ideologie in der Germanistik. Aus den Anfängen der österreichischen Sprach- und Literaturforschung. In: Philosophie, Literatur und Musik im Orchester der Wissenschaften. Hg. von Kurt Blaukopf. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky 1995 (= Wissenschaftliche Weltauffassung und Kunst 2), S. 53-80; Werner Michler: »Das Materiale für einen österreichischen Gervinus«. Zur Konstitutionsphase einer »österreichischen Literaturgeschichte« nach 1848. In: Literaturgeschichte: Österreich. Prolegomena und Fallstudien. Hg. von Wendelin Schmidt-Dengler, Johann Sonnleitner und Klaus Zeyringer. Berlin: Schmidt 1995 (= Philologische Studien und Quellen 132), S. 181-212; Werner Michler: An den Siegeswagen gefesselt. Wissenschaft und Nation bei Wilhelm Scherer. In: Literatur und Nation. Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 in der deutschsprachigen Literatur. Hg. von Klaus Amann und Karl Wagner. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1996 (= Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur 36), S. 233-266; Hans-Harald Müller / Mirko Nottscheid: Der Briefwechsel zwischen Theodor Gomperz und Wilhelm Scherer. Eine Gelehrtenkorrespondenz vom Ausgang des 19. Jahrhunderts. In: Anzeiger der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 134 (1997-1999), 2. Teilbd., S. 127-156; Hans-Harald Müller: Wilhelm Scherer (1841-1886). In: Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Porträts. Hg. von Christoph König, Hans-Harald Müller und Werner Röcke. Berlin, New York: de Gruyter 2000, S. 80-94; Tom Kindt / Hans-Harald Müller: Dilthey gegen Scherer. Geistesgeschichte contra Positivismus. Zur Revision eines wissenschaftshistorischen Stereotyps. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literatur und Geistesgeschichte 57 (2001), S. 685-709.

2] Antragsteller: Prof. Dr. Hans-Harald Müller, Bearbeiter: Mirko Nottscheid, M.A. (beide Universität Hamburg). Der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihrer Handschriftenabteilung und der Zentralkartei der Autographen dankt der Verfasser an dieser Stelle erneut für die großzügige Unterstützung des Projekts.

3] Zu ihrer Biographie und Stellung im geistigen Berlin vgl. Marie Scherer. Zum Gedenken ihres hundertsten Geburtstages am 28. Oktober 1955. Als Manuskript gedruckt. Berlin: Selbstverlag 1955 (darin Nachrufe von Hans Lietzmann, Julius Petersen und Wieland Schmidt) und Wieland Schmidt: Scherers Goetheausgabe. Aus der geheimen Geschichte der Berliner Germanistik. In: Festgabe für Ulrich Pretzel. Zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schülern. Hg. von Wolfgang Bachofer, Wolfgang Dittmann und Werner Simon. Berlin: Schmidt 1963, S. 411-435.

4] Vgl. hierzu die Angaben im Anhang.

5] Die Berliner Literaturarchiv-Gesellschaft wurde 1891 auf Anregung des Philosophen Wilhelm Dilthey als Sammelstelle für Nachlässe und Autographen deutscher Schriftsteller und Wissenschaftler gegründet. Bei Auflösung des Vereins gingen seine Bestände 1944 satzungsgemäß in den Besitz der Preußischen Akademie der Wissenschaften über. Nach Kriegsende lagerten sie zunächst in dem aus der Deutschen Kommission hervorgegangenen Institut für deutsche Sprache und Literatur der Deutschen Akademie der Wissenschaften (der DDR), ab 1968 im Zentralen Archiv der Akademie. Die Verzeichnung des Scherer-Nachlasses wurde seit den 1950er Jahren schrittweise vorangetrieben und 1992 abgeschlossen. In seiner jetzigen Form umfaßt der Bestand 1.083 Einheiten, darin u. a. Manuskripte, Arbeitsmaterialien, Druckschriften, Lebenszeugnisse, wissenschaftsorganisatorische Unterlagen sowie der umfangreiche Korrespondenznachlaß mit Briefen von und an Scherer. - Für Auskünfte danke ich Dr. Wolfgang Knobloch (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Literaturarchiv); vgl. auch den Eintrag zu Scherer bei Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 1992 (= Literatur in der Geschichte - Geschichte in der Literatur 23), S. 229; bei den ebd. erwähnten »Durchschläge[n] der Briefe Scherers an Herman Grimm, Franz Lichtenstein, Karl Müllenhoff und Josef Maria Wagner« handelt es sich tatsächlich um die Originale.

6] Marie Scherer an Albert Leitzmann, Brief vom 4. 12. 1935, Universitätsbibliothek Jena, Nachlaß Albert Leitzmann: S. 863. - Leitzmann war der Herausgeber der Korrespondenz zwischen Scherer und Karl Müllenhoff; vgl. Briefwechsel zwischen Karl Müllenhoff und Wilhelm Scherer. Im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften hg. von Albert Leitzmann. Berlin, Leipzig: de Gruyter 1937 (= Das Literatur-Archiv 5).

7] Zum folgenden vgl. die Hinweise zur Geschichte des ›Restnachlasses‹ bei Schmidt: Scherers Goetheausgabe ([Anm. 3]), S. 411, und Ulrich Pretzel: Briefe Klaus Groths an Wilhelm Scherer. In: Festgruß für Hans Pyritz zum 15. 9. 1955. Aus dem Kreise der Hamburger Kollegen und Mitarbeiter. Heidelberg: Winter 1955 (= Sonderheft des »Euphorion«), S. 55-61, hier S. 56, die zu Inhalt und Umfang des Bestands jedoch nur kursorische Angaben machen.

8] Zu Ulrich Pretzel vgl. Karl Stackmann: »Ein Gelehrter echtester Art«. - Ulrich Pretzel, 14. 7. 1898-20. 11. 1981. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 102 (1983), S. 321-334, und Rainer Bölhoffs Artikel zu Pretzel in: Neue Deutsche Biographie. Bd. 20. Berlin: Duncker & Humblot 2001, S. 706-707. - Pretzels eigener, umfangreicher Nachlaß wird in mehreren Institutionen verwahrt: Der Hauptnachlaß (mehr als 300 Kästen mit Manuskripten, Lebenszeugnissen, Korrespondenzen und wissenschaftsgeschichtlichen Sammlungen) befindet sich in der Handschriftenabteilung der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky in Hamburg, erste Erschließungsarbeiten wurden in den Jahren 2000 bis 2002 im Rahmen eines von der Hamburger Staatsbibliothek und der Universität Hamburg getragenen Projektes von Christiane Dätsch, M.A. und Dr. Tom Kindt durchgeführt. Weitere Teilnachlässe befinden sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach am Neckar (Korrespondenzen, Materialien), der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (Autographensammlung) und der Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt (Bibliothek). - Zu Pretzels wissenschaftsgeschichtlichen Autographensammlungen vgl. auch [Anm. 14].

9] Zu Wieland Schmidt vgl. Wolfgang Milde: Wieland Schmidt. 29. 3. 1904-27. 12. 1989. In: Euphorion 85 (1991), S. 103-106, und Werner Schochow: Wieland Schmidt und die Berliner Staatsbibliothek. In: Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Mitteilungen 12 (1990), H. 2, S. 156-164. - Sein in der Staatsbibliothek zu Berlin befindlicher Teilnachlaß (Nachlaß 229, 10 Kästen, 2 Ordner) enthält neben eigenen Manuskripten und Korrespondenzen eine Wilhelm-Scherer-Sammlung mit Autographen, Dokumenten zur Familiengeschichte, Fotografien, Druckschriften sowie einer Sammlung mit rund 350 Germanistenportraits, von denen viele aus dem Besitz von Wilhelm und Marie Scherer stammen; vgl. hierzu Mirko Nottscheid: Bildnisse zur Geschichte der Germanistik: Die Sammlung Wieland Schmidt. In: Marbacher Arbeitskreis für Geschichte der Germanistik. Mitteilungen, H. 19/20 (2001), S. 56-66, zu diesem Beitrag Michael Thimann: Mandarine in Uniform. Germanisten im Porträt: Eine wiederentdeckte Berliner Sammlung. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. 10. 2002, Beilage Geisteswissenschaften, S. N 3.

10] Herman Sonnenthal-Scherer war der einzige Sohn von Scherers Tochter Maria aus ihrer Ehe mit dem österreichischen Mediziner Horaz Sonnenthal (zu beiden vgl. unten im Text). Vermutlich auch aufgrund seiner jüdischen Herkunft väterlicherseits blieb der in Graz promovierte Germanist nach der ›Machtergreifung‹ 1933 zunächst in Österreich. Später wurde er Berufssoldat und diente während des Krieges in der Wehrmacht, aus der er 1941 entlassen wurde. Nach Kriegsende studierte er in Graz Katholische Theologie und wurde 1951 zum Priester geweiht. Aufgrund chronischer Erkrankungen bereits 1961 in den Ruhestand versetzt, verbrachte er seine letzten Lebensjahre in einem Priesterheim in Graz. Ein Splitternachlaß, der vor allem Briefe der Großmutter Marie Scherer enthält, befindet sich in Privatbesitz. Für Auskünfte danke ich Dr. Norbert Müller (Bischöfliches Ordinariat Graz-Seckau, Diözesan-Archiv). Vgl. auch den anläßlich von Herman Sonnenthal-Scherers Priesterweihe erschienenen kurzen Lebenslauf in: Sonntagsblatt für Steiermark, 1. 7. 1951, S. 4.

11] Zur Scherer-Bibliothek vgl. die Angaben im Anhang (I).

12] Eine Ausnahme stellt sein bereits in [Anm. 7] genannter Aufsatz über Scherer und Klaus Groth dar, in dem Pretzel drei im ›Restnachlaß‹ befindliche Briefe von Groth an Scherer abgedruckt hat und aus zwei Briefen Scherers an seine Braut Marie Leeder zitiert. Hinzuweisen ist hier ferner auf Pretzels Beiträge zu den Kommentaren der von anderen Wissenschaftlern bearbeiteten Ausgaben von Scherers Korrespondenzen; vgl. Wilhelm Scherer - Erich Schmidt. Briefwechsel. Mit einer Bibliographie der Schriften von Erich Schmidt hg. von Eberhard Lämmert und Werner Richter. Berlin: Schmidt 1963, S. 6f.; Wilhelm Scherer - Elias von Steinmeyer. Briefwechsel 1872-1886. In Verbindung mit Ulrich Pretzel hg. von Horst Brunner und Joachim Helbig. Göppingen: Kümmerle 1982 (= Göppinger Arbeiten zur Germanistik 365), S. II.

13] Vgl. den Hinweis auf Quellen aus der »Privatbibl. Prof. Pretzel, Hamburg« bei Sternsdorff: Wissenschaftskonstitution ([Anm. 1]), S. 309.

14] Im Jahr 1986 wurden zehn weitere Splitternachlässe von Germanisten (Friedrich Behrend, Conrad Borchling, Wilhelm Braune, Konrad Burdach, Alfred Hübner, Arthur Hübner, Otto Pniower, Gustav Roethe, Erich Schmidt, Karl Weinhold), die Pretzel gesammelt hatte, aus seinem Hamburger Hauptnachlaß (vgl. [Anm. 8]) in die Berliner Staatsbibliothek überführt. Über keinen dieser Bestände wurde bislang im Zusammenhang berichtet, separat veröffentlicht wurde lediglich ein einzelner Brief an Erich Schmidt: Volker Ufertinger: »Ich habe indeß meine Bedenken« - Der Brief Carl Robert Lessings an Erich Schmidt vom 7. 7. 1885 als seltenes Beispiel für Weimarskepsis in der Geschichte der Germanistik. In: Zeitschrift für Germanistik N. F. 10 (2000), S. 612-614.

15] Vgl. [Anm. 9].

16] Der Orientierung des Benutzers diente zuvor nur ein wenige Seiten umfassendes Überblicksinventar.

17] Zur älteren Familiengeschichte vgl. den, allerdings lückenhaften, Bericht von Wilhelm Fieber: Wilhelm Scherers Ahnen. In: Unsere Heimat 18 (1947), S. 41f., einige Ergänzungen dazu bei Herbert Cysarz: Wilhelm Scherer (1841-1886). In: Große Österreicher. Neue Österreichische Biographie bis zum Jahr 1815. Bd. 13. Zürich, Leipzig, Wien: Almathea 1959, S. 75-85, hier S. 78.

18] Jacob Grimm: Deutsche Grammatik. Neuausgabe. Bearb. und hg. von Wilhelm Scherer. Tle. 1, 2. Berlin: Dümmler 1870, 1878. - Beim Handexemplar findet sich ein Provenienzvermerk von der Hand Ulrich Pretzels: »Manuskript vom Neuen Abdruck von Grimms Grammatik [...]. Mir von Frau Scherer geschenkt. Anf. Juli 1939«.

19] Wilhelm Scherer: Mars Thingsus. In: Sitzungsberichte der Königlichen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1884. Philosophisch-historische Klasse. 1. Halbbd. (Januar-Mai 1884), S. 571-582.

20] Wilhelm Scherer: Karl Müllenhoff. Ein Lebensbild. Berlin: Weidmann 1896. - Mit der Bearbeitung des Manuskripts war nach dem Tod Scherers zunächst sein Schüler Edward Schröder betraut worden, die endgültige Drucklegung der Biographie wurde anonym von Theodor Mommsen und Erich Schmidt besorgt.

21] Im Hauptnachlaß sind ergänzend lediglich fünf Briefe von Scherer an Lina Duncker sowie Fragmente zweier Briefe an Marie Scherer erhalten; vgl. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Nachlaß Scherer: 1050 und 1063.

22] Eine monographische Darstellung zu Leben und Werk fehlt, vgl. jedoch den Lexikonartikel von Paul F. Schmidt in: Deutsches Biographisches Jahrbuch. Überleitungsbd. II: 1917-1920. Berlin, Leipzig, Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1928, S. 156-160. - Toni Stadler wird gelegentlich mit seinem gleichnamigen Sohn (1888-1982) verwechselt, einem namhaften Bildhauer und Zeichner, der ebenfalls im Münchner Raum tätig war.

23] Vgl. Petra Wilhelmy: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780-1914). Berlin, New York: de Gruyter 1989 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 73), S. 222-231 und S. 642-645 (dort weitere Literatur).

24] Vgl. Wilhelm Scherer an seine Mutter Anna Stadler-Scherer, Brief vom 8. 10. 1876, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Nachlaß 166 (Wilhelm Scherer): 116.

25] Der im Bundesarchiv, Außenstelle Berlin-Lichterfelde, liegende Teilnachlaß von Franz Duncker (Signatur: N 2057) enthält keinerlei Hinweise auf den Verbleib der persönlichen Hinterlassenschaft von Lina Duncker.

26] Zu ihrer Biographie vgl. Schmidt: Scherers Goetheausgabe ([Anm. 3]), S. 422-424; zu Maria Sonnenthal-Scherer ferner das ihr gewidmete Erinnerungsbuch: Ein Frauenschicksal im Kriege. Briefe und Tagebuch-Aufzeichnungen von Schwester Maria Sonnenthal-Scherer. Hg. von Hermine von Sonnenthal. Berlin, Wien: Ullstein 1918.

27] Weitere von Pretzel angefertigte bzw. veranlaßte Transkriptionen von Scherer-Briefen sind auch in seinem Göttinger Teilnachlaß (vgl. [Anm. 8]) sowie im Hauptnachlaß Scherer der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften enthalten.

28] Vgl. Wilhelm Scherer an Edward Schröder, Briefe vom 17. und 22. 4. 1884, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Nachlaß Schröder: 907. Die Edition wurde später von einem anderen Schüler Müllenhoffs übernommen: Karl Müllenhoff: Beovulf. Untersuchungen über das angelsächsische Epos und die älteste Geschichte der germanischen Seevölker. Hg. von Heinrich Lübke. Berlin: Weidmann 1889. Wie jedoch aus einem Brief Schröders an Marie Scherer vom 2. 3. 1927 hervorgeht, befanden sich Aufzeichnungen von Müllenhoff zu jener Zeit noch immer in seinem Besitz: »Ich habe noch einiges andere von Ihrem Gatten in Händen: [...] Und auch von Müllenhoff hab ich noch Papiere [...]«, Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Nachlaß 166 (Wilhelm Scherer): 398. Die ursprüngliche Provenienz dürfte Müllenhoffs wissenschaftlicher Nachlaß sein, den Scherer 1885 durch das preußische Finanzministerium für die Bibliothek des Germanischen Seminars ankaufen ließ.

29] Vgl. allgemein den Eintrag zu Scherer in der von Richard Hacken (Brigham Young University, Provo, Utah / USA) bearbeiteten elektronischen Datenbank »Dichterhandschriften des poetischen Realismus« <http://library.byu.edu/~rdh/prmss/s/scherer.html> (23. 1. 2003), der u. a. die bekannten Kompendien von Ludwig Denecke / Thilo Brandis, Murray G. Hall / Gerhard Renner, Hans Lülfing und Wolfgang A. Mommsen auswertet. - Vgl. auch die Angaben zum Hauptnachlaß in [Anm. 4].

30] Vgl. Hall, Renner: Handbuch ([Anm. 5]), S. 229f. (mit älterer Literatur) und Mirko Nottscheid: Wiederentdeckung per Mausklick: Scherers Bibliothek im Internet. In: Marbacher Arbeitskreis für Geschichte der Germanistik. Mitteilungen, H. 17/18 (2000), S. 60f. (zum Stand der Online-Katalogisierung). - Für Auskünfte danke ich Sue Hanson (Case Western Reserve University Library, Cleveland, Department of Special Collections).

31] Der genaue Zeitpunkt der Übergabe an das Germanische Seminar konnte nicht ermittelt werden, die erste Erwähnung dieses Nachlaßteils findet sich bei Gustav Roethe: Das germanische Seminar. In: Max Lenz: Geschichte der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Bd. 3: Wissenschaftliche Anstalten. Spruchkollegium. Statistik. Halle: Waisenhaus 1910, S. 222-230, hier S. 230. - Für Auskünfte danke ich Imbritt Wiese (Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsarchiv).

32] Vgl. Jahresbericht der Königlichen Bibliothek zu Berlin für das Jahr 1907/08. Burg bei Magdeburg: Hopfer 1908, S. 33f. - Für Auskünfte danke ich Dr. Peter Jörg Becker (Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung).

Mirko Nottscheid




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