Die Fahrt im Einbaum (1999)

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Die Fahrt im Einbaum oder das Stück zum Film vom Krieg, das Peter Handke zu Beginn des Jahres 1999 abgeschlossen hat, übersetzt die aktuellen Konflikte in Jugoslawien ins Ästhetische und verla­gert sie in eine nahe Zukunft. Der Weg auf die Bühne führt über das Kino. Zwei ausländische Regisseure, der Amerikaner John O'Hara und der Spanier Luis Machado (in der ersten Fassung wur­den sie noch – ganz direkt – John Ford und Luis Buñuel genannt) lassen sich zehn Jahre nach dem Krieg in der Halle eines Provinz­hotels namens Acapulco Szenen eines projektierten Films vorspie­len. Reale Menschen agieren in realen Rollen, das Spiel jedoch erscheint in der poetisierten Sprache der Leute von Beginn an stark stilisiert.

Im sogenannten »Griechen« steckt ein alter Ego des Autors: Als Journalist wollte er einst nicht mehr im Medienkrieg mitspielen. Daraufhin wurde er ausgegrenzt, verlor seine Stellung und versteht sich jetzt als letzter einsamer Verteidiger des Landes. Dem sonoren Ge­schwätz seiner ehemaligen Berufskollegen und anderer »Fern­fuchtler« setzt er das stete Prinzip des »Formbewahrens« entgegen. Hoffnung erwächst dem Land nicht von Staatsmännern und Journalisten, sondern aus dem mythischen Bereich. Gegen Ende des Stückes taucht aus dem Wald eine »Fellfrau« auf und packt die ganze Gesellschaft in einen Einbaum. Das utopische Gefährt, in dem alle Platz finden sollen, erweist sich jedoch als viel zu klein. Durch Schieben, Zerren und Umschichten der Fahrgäste kommt der Einbaum dennoch in Gang, schließlich jedoch kippt das Gefährt geradezu slapstickartig um.

Die Fahrt im Einbaum oder das Stück vom Film zum Krieg wurde am 9. Juni 1999 am Wiener Burgtheater in der Regie seines da­maligen Direktors Claus Peymann uraufgeführt. Die Beurteilung des Stückes durch die Kritik zeichne­te sich nicht durch eine sehr große Differenzierungsleistung aus. Der Autor war als Serben-Freund punziert und die Argumente gegen seine literarische Behandlung des Themas hatten sich ver­festigt. Erst im Nachhinein zeigt sich die Brüchigkeit des Stückes. Der Glaube an die realpolitische Kraft einer mythischen Wiedervereinigung Jugoslawiens scheint in ihm endgültig er­schüttert. Dem literarischen Schreiben indes wird weiterhin zu­getraut, etwas zu einer neuen Friedensordnung beitragen zu können, und sei es auch nur noch in einem imaginären Raum.

Während am Wiener Burgtheater die Probenarbeiten zur Fahrt im Einbaum liefen, unternahm Peter Handke im März und im April 1999 zwei Reisen in das zu diesem Zeitpunkt von Nato-Flugzeugen bombardierte Serbien. Die genaue Reiseroute, die ihn (nicht zum ersten Mal) auch ins bosnische Srebrenica führte, hielt er auf einer Landkarte in allen Details fest. Begleitet wurde der Autor wie schon oft zuvor von dem deutschen Journalisten Thomas Deichmann und dem serbischen Freund Zlatko Bocokić. Auf Fotos ist Handke auf einem angeschwemmten Baumstamm zu sehen, der den Eindruck eines Einbaums macht. Ihren litera­rischen Niederschlag fand die Reise in dem Text Unter Tränen fragend, der im Jahr 2000 bei Suhrkamp als Buch erschien. (kk)

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