Höchst=sündlich eure Tracht / entblöste Mode=Weiber!

Nachdenckliche Behertzigung / Welche denen / Nach der Neuen Mode allzuoffen=hertzig sich tragenden / Weibs=Bildern / Damit selbe einen neueren Brauch (die unschuldige Jugend dardurch nicht sündlich anzureitzen) künfftig=hinauffbringen möchten / druck=eröffnet vor Augen geleget worden von einem so genannt= Wohl=Meinenden Im Jahr 1706. - [S.l.], 1706.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 310.206-B.Alt-Mag

Detailinformation

„Ein Mädchen kommt daher
Voll Brüßler Spitzen schwer
Ich frag gleich wer sie wär?
Die Köchin vom Traiteur.
Packst mit der Schönheit ein
Gehst glei in d’ Kuchl ’nein
Ist denn die Welt verkehrt?
Die Köchin g’hört zum Herd.
Ein Aschen! Ein Aschen!“

Die moralische Bewertung von Kleidung und Mode zieht sich durch die Jahrtausende. Das Überschreiten von vorgegebenen Standesgrenzen, das noch in Ferdinand Raimunds berühmtem Aschenlied einer Wiener Köchin vorgeworfen wird (ausgerechnet vom Bauer als Millionär Fortunatus Wurzel, der selbst gerade erst sein Vermögen und die damit verbundene gesellschaftliche Position verloren hat), war zweifellos eines der Hauptthemen der Modekritik. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein sollte diesen Überschreitungen mithilfe von Polizei- und Kleiderordnungen Einhalt geboten werden. Dabei ging es neben dem Bestreben, die Standesordnung aufrecht zu erhalten, auch darum, Personen vor der Verschuldung durch allzu hohe Ausgaben für Kleidung oder Luxusgütern zu schützen.

Der Vorwurf der Eitelkeit, der natürlich den der Oberflächlichkeit beinhaltete, traf Frauen und Männer gleichermaßen, bisweilen sogar die Geistlichen. Auch unter ihnen, so schrieb Abraham a Sancta Clara, fänden sich „einige Mode=Narren, deren Absehen mehr auf die Kleider=Tracht, dann auf das Brevier zielet“. Die schärfsten Worte fanden die Kritiker aber immer dann, wenn zu große Freizügigkeit in der Kleidung laxe Sexualmoral ahnen ließ. Der anonyme Autor der Nachdencklichen Behertzigung nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er den „allzuoffen=hertzig sich tragenden Weibs=bildern“ gar vorwirft, in der Kirche nach neuen Liebhabern Ausschau zu halten (und dabei vor lauter Eifer ganz aufs Versmaß vergisst):

„Habt acht! die ihr entzündt von Geylheit / und Wollust /
Die ihr euch küssen last auff Wangen / Mund / und Brust /
Habt acht! die ihr entblöst in GOttes=Häuser gehet /
Und gantz begürig euch umb neue Kost umbsehet.“

Diesen Frauen, die der Mode der Zeit folgen (mit Schnürbrüsten, die die Brust hoben und gleichzeitig abflachten, und großen Halsausschnitten), verheißt er die schlimmsten Höllenstrafen und lobt die „Heyd’n“, die sich züchtig bedeckt halten. Seine mehr als harsche Kritik endet wenig überraschend mit einem Aufruf zu Umkehr und Keuschheit (vgl. Bild links). 

(Der Mausklick auf den Bildausschnitt führt zum Vollbild.) 

 


last update 03.09.2016