Noth- und Hülfsbüchlein

Rettung eines Erhängten

Vom Obst und dessen Nutzen

[Becker, Rudolf Zacharias:]
Noth- und Hülfsbüchlein für Bauersleute, welches lehret, wie man vergnügt leben, mit Ehren reich werden, und sich und andern in allerhand Nothfällen helfen könne [...].  - Graz : Miller, 1792.

Österreichische Nationalbibliothek, Signatur: 310569-B.Alt

Auf den ersten Blick scheint das Noth- und Hülfs-Büchlein für Bauersleute einfach ein weiterer typischer Vertreter der sogenannten Hausväterliteratur zu sein, mit praktischen Ratschlägen für die Haus- und Landwirtschaft („Vom Zugemüs und dessen Aufbewahrung“), für das Ehe- und Familienleben („Vom Heyrathen“) und den Umgang mit Dienstboten und Untergebenen („Herrn Flinks Haus- und Gesindeordnung“), ergänzt mit beispielhaften moralischen Erzählungen und ausgestattet mit einfachen, plakativen Holzschnitten.

Der Autor Rudolf Zacharias Becker (1752-1822), Pädagoge an J. B. Basedows Dessauer Philanthropin (und in späteren Jahren Verleger und Verlagsbuchhändler), bediente sich aber dieser bewährten „Verpackung“ auch oder vor allem, um der Landbevölkerung die Ideen der Aufklärung näherzubringen und Aberglauben, bis hin zur Alltagsmagie, zu verurteilen.  

So zeigt er etwa am Fallbeispiel eines Beinahe-Selbstmörders, wie schnelles Eingreifen ein Leben retten kann, und spricht sich gleichzeitig gegen die moralische Verurteilung des Mannes aus:

Es ist ein Mensch und ist dein Bruder, der da hängt;
Hilf ihm geschwind, der Gott, der alles weislich lenkt,
Will Menschenlieb und Treu von dir bewiesen sehen:
Drum ließ er diese That vom kranken Mann geschehen.

Die Rahmenhandlung des Buches führt uns in das Dorf Mildheim, dessen Bewohner von ihrem jungen, aufgeklärten Gutsherrn das Noth- und Hülfs-Büchlein zugeeignet bekommen.  Die „Rezeptionsgeschichte“ des Büchleins bei den Mildheimern wird folgendermaßen geschildert: „Das Noth- und Hilfsbüchlein kam nun von Haus zu Haus im Dorf herum, und wer lesen konnte, las mit Vergnügen darin.“ Doch nicht alle Leser beherzigen die Lehren, die einen setzen weiterhin nur auf ihre Lebenserfahrung, andere wieder „probierten dieß und jenes und machten es nicht recht; Wenn nun das nicht heraus kam, was das Büchlein verspricht, so wurden sie ungeduldig, und wollten nichts mehr damit zu tun haben“. So beschließt der Pfarrer des Dorfes, in einer Predigt darauf einzugehen: „… es sey gar nicht so gemeint, daß jeder alles nachthun solle, was in dem Büchlein steht. Sondern aus den in demselben enthaltenen Geschichten sollen sie 1) die schöne Lehre recht lernen, daß man mit Verstand, Geschicklichkeit und Fleiß alles in der Welt verbessern und selbst dadurch glücklicher werden kann, wenn man will“; dann könne man durch eigene Überlegungen zu besseren Lösungen finden.  (Nicht von ungefähr trägt einer der Protagonisten des Hülfsbüchleins, ein lernbegieriger und dadurch erfolgreicher Bauer, den Namen Wilhelm Denker.) Und schließlich geschehe all dies, um „nach dem Willen Gottes ihre Seelen besser [zu] machen, am Verstand und am Willen“.  

Mit dem Noth- und Hülfs-Büchlein, erschienen 1788 in Dessau, gelang Becker ein absoluter Bestseller; dieses vor kurzem von der Österreichischen Nationalbibliothek erworbene Exemplar etwa stammt aus der bereits 5. (!) Grazer Auflage von 1792.

Zum Volltext der ersten Grazer Auflage (1789)

(Bilder links: Mit Mausklick zum Vollbild.)  

 

 


last update 03.09.2016