Die "Dauphining" in Lambach

[Lindemayr, Peter Gottlieb:] Freudenlied eines kaiserl. königl. Salzschiffmanns am Stadel nächst Kloster Lambach in Oberösterreich P. G. L. Ueber das großmächtige Glücke, daß er Ihro königl. Hoheit ... Maria Antonia Erzherzoginn von Oesterreich, in der Reise nach Frankreich bey dem zu Kloster Lambach den 23. April 1770, gehaltenen Nachtlager zu sehen bekommen (etc.). - Steyr : Gregor Menhardt, 1770.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 300550-A.Rara

Am Morgen des 21. April 1770 brach die 14jährige Marie Antoinette zu ihrer Brautreise von Wien nach Versailles auf. Nach Melk und Enns war Stift Lambach die dritte Station des gewaltigen Reisezuges von über 200 Personen. Ereignisse wie dieses wurden von der Bevölkerung mit gemischten Gefühlen aufgenommen: Zwar stellten sie eine große finanzielle und organisatorische Belastung für die „Gastgeber“ an den einzelnen Stationen dar, wurden von diesen aber häufig auch als Gelegenheit zur Repräsentation und Aufwertung ihres Prestiges empfunden. All das strahlte wohl auch in die einfachere und ärmere Bevölkerung aus: Mehrbelastung ebenso wie Freude am seltenen Großereignis.

Peter Gottlieb Lindemayr (1741-1799) lässt in seinem Freudenlied einen alten Salzschiffmann enthusiastisch seine Begegnung mit der jungen Erzherzogin beschreiben:

I derf absunderli graßthain, und pranga,
Daß mar ihr Handerl zum küssen hat gebn!
Wies nah da Meß aus da Kira ist ganga,
Ju! han i gsagt, d Dauphining soll lebn.     

Hingerissen von der Schönheit der „Dauphining“ wünscht er sich gar, bei ihrer Ankunft in Paris zu sein, wo die Leute aus Freude über diese aufgehende „Frau Sunn“ gewiss singen und tanzen würden.

Der sehr seltene Druck  zeigt auf dem Titelblatt einen Salzschiffer mit Kloster und Salzstadel. Das Lied ist im Bassschlüssel notiert, darauf folgen die weiteren Textstrophen.

Dass Lindemayr dieses Lied gerade einem „Salzschiffmann am Stadel nächst Kloster Lambach“ in den Mund legt, liegt nahe, war der Autor doch seit 1765 Salzstadelschreiber in Stadl-Paura, also Beamter in der Verwaltung dieser Salzschifferstation, die dem Stift Lambach unterstand. Als (Mundart)Dichter stand er im Schatten seines um vieles älteren Bruders, des Jesuiten und Aufklärers Maurus Lindemayr (1723-1783), seit 1759 Pfarrer in Neukirchen, der als Begründer der oberösterreichischen – oder in eigenen Worten „obderennsischen“ – Dialektdichtung gilt.

Marie Antoinettes kurzer Aufenthalt in Lambach wurde von Peter Gottlieb noch in einem zweiten Gedicht, Urlaublied eines Ländler Bauers, besungen. Und zur Unterhaltung der jungen Braut wurde ein Singspiel von Maurus aufgeführt, dessen Handlung sich um eine Bauernhochzeit rankt: Kurzweiliger Hochzeit-Vertrag nach der natürlichen ob der Ennserisch-Bäurischen Mund- und Denkungsart.

Katalogisat des Hochzeit-Vertrags (Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek)

Information zur Linzer Liederhandschrift (OÖLM MS 284) mit Werken der beiden Brüder (u. a. dem Freudenlied und dem Urlaublied)


last update 03.08.2016