Angemessene Beschäftigungen für Kinder

Lustiges Exerzieren (Detail)

Wie Herr Salzmann seine Kinder in den Nebenstunden beschäftigt. Ein Hülfsbuch für Aeltern und Lehrer, die über der Pflege des kindlichen Geistes die Bildung des Körpers nicht versäumen wollen; enthaltend eine Anleitung zu angemessenen und belustigenden Beschäftigungen und Uibungen [etc.] - Prag: bei C. W. Enders, 1816.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 306.376-A.5.Alt-Rara

Detailinformation

Christian Gotthilf Salzmann (1744-1811), Pastor, Gründer und Leiter des erfolgreichsten aller philanthropischen Erziehungsinstitute, der Schule in Schnepfenthal (heute Salzmannschule), war auch ein ebenso produktiver wie erfolgreicher Verfasser von Erziehungsschriften und Kinder- und Jugendbüchern. Während manches aus der Feder der philanthropischen Pädagogen heute zwar als aufklärerisch-fortschrittlich gilt, beim Lesen aber schnell an Reiz verliert, wirkt Salzmann frisch und unmittelbar. Er war der wahre Praktiker unter den Philanthropen, der "seinen" Kindern (nicht nur die eigenen - mit seiner Frau, der Pfarrerstochter Sophie Magdalene Schnell, hatte er 15 -, auch seine Schüler redeten ihn mit "Vater" an) über den Schulunterricht hinaus noch vieles mehr fürs Leben mitgeben wollte: Eine stabile Gesundheit, Erfahrung mit der Welt außerhalb des Internats, manuelle Geschicklichkeit und Berufseignung. Diese Ziele erreichte er durch Wanderungen und Reisen mit seinen Zöglingen, durch viel Bewegung und durch Werkunterricht. Unterstützt wurde er dabei von seinem langjährigen Freund und Mitarbeiter Johann Christoph Friedrich Gutsmuths, dem Verfasser der berühmten Gymnastik für die Jugend. Die beiden dachten sich immer neue Bewegungsspiele für die Kinder aus, aber auch Gartenarbeit auf dem eigenen kleinen Stückchen Land, das jeder Schüler bepflanzen durfte, oder das selbständige Verfertigen von Spielzeug in der hauseigenen Werkstatt gehörten zum Alltag in Schnepfenthal.

Das hier vorgestellte, einige Jahre nach Salzmanns Tod in Prag erschienene 5. Bändchen der Allgemeinen Jugendbibliothek orientiert sich in den vorgeschlagenen Freizeitbeschäftigungen für Kinder an den Methoden Salzmanns, die in der Einleitung erläutert werden. Es folgen Anleitungen zu Gesellschaftsspielen wie dem "Stuhlsuchen" (eine Variation der bekannten "Reise nach Jerusalem") und Denkspielen, zu Bastelarbeiten wie z. B. zum Formen von Ton oder Papier, zu leichten "Zauber"kunststücken, zu Aktivitäten im Freien wie Gartenarbeit oder Vogelfang. Großen Raum nehmen gymnastische und sportliche Übungen ein, auch auf Körperhaltung und Manieren wird eingegangen. Gefällige kolorierte Kupfertafeln machen dem Leser sieben der beschriebenen Beschäftigungen anschaulich, darunter eine nette Persiflage auf das Exerzieren, das in vielen auch nichtmilitärischen Schulen durchaus zum Schüleralltag gehörte:

"Man stelle in einer Gesellschaft die Mannspersonen in eine Reihe; jeder nimmt statt der Flinte einen Stock, und einer führt das Commando. Beim letzten Tempo: Schlagt an! fällt die ganze Reihe auf das rechte Knie nieder, und wenn der Kommandant sagt Feuer! so giebt er zugleich dem ersten einen Stoß. Das ganze Glied, das die Hände hoch hält, als ob es Feuer geben wollte, verliert jetzt das Gleichgewicht, und Einer purzelt über den Andern weg. Jemehr [sic] ihrer dabei sind, die das Spiel nicht kennen, desto vollendeter ist der ganze Scherz."

 

 


last update 03.05.2016