Das Kriegsspiel nach F. D. Champblanc
[Champblanc, Franz Dominik:] Das Kriegsspiel oder das Schachspiel im Großen. Nach einer einfachen und leicht faßlichen Methode dargestellt. - Wien : H. F. Müller, [1827]. Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 19.989-B.Alt-Mag Jenen Schachbegeisterten, die sich von Champblancs “Schachspiel im Großen” eine interessante Variante ihres Lieblingsspiels versprechen, droht eine Enttäuschung, denn die Ähnlichkeiten der beiden Spiele sind gering. Wenn der Autor im Vorwort betont, dass jeder Spieler „doch einige Übung im Schachspiele“ besitzen solle, scheint dies eher eine Werbemaßnahme zu sein, um Schachliebhaber als Interessenten zu gewinnen. Während das Schach, von einfachen Zugregeln ausgehend, mit je 16 Figuren auf einem einfach gestalteten Brett gespielt wird (und trotzdem zu überaus komplexen Stellungen führt), verfügt jeder Spieler beim Kriegsspiel über 54 (!) „wirkende“ Figuren, dazu noch über 25 „Marquen“. Der „Kriegsschauplatz“ wird von den Spielern selbst mithilfe von 460 Farbwürfeln gestaltet, deren Farben die Geländearten symbolisieren: „Weiß ist flaches Feld. Roth ist Mauer. Grün ist Wald. Blau ist Wasser. Braun ist Berg. Schwarz ist Graben.” Eigene Werkzeuge dienen zum Anheben bzw. Ordnen dieser Würfel. Auch die Figuren (mit Ausnahme des Königs) werden zu Beginn nach Gutdünken plaziert; so ergeben sich für jede Partie andere Ausgangsbedingungen. Das Spiel wurde übrigens nicht als fertiges Set im Handel angeboten, vielmehr gibt der Autor im letzten Abschnitt eine detaillierte Anweisung zur Herstellung, verdeutlicht durch 5 kolorierte Kupferstichtafeln. So kompliziert sich die Spielanleitung auch liest: Champlancs Kriegsspiel war bereits die erheblich „schlankere“ Variante gegenüber seinen Vorgängern. Im Vorwort erwähnt er einige frühere Versionen, die er nach anfänglicher Begeisterung entweder unvollkommen fand oder aber „so weitläufig, anstrengend und ermüdend; daß, wenn die Spieler auch den ganzen Inhalt vollkommen einstudiert … hätten, sie dennoch mit einer Parthie wenigstens ein halbes Jahr hindurch wären beschäftiget gewesen“. Die „Urform“ dieses Spiels hatte wohl der Mathematiker Johann Christian Ludwig Hellwig entworfen; seinem Versuch eines aufs Schachspiel gebaueten taktischen Spiels (Leipzig 1780) folgte zwei Jahre später ein „Praktischer Teil“ mit Musterpartien, deren erste 1841 Züge dauert. „Der Endzweck eines taktischen Spiels ist, die vornehmsten und wichtigsten Auftritte des Kriegs sinnlich zu machen“, betont Hellwig in der Vorrede zum ersten Band. Es sollte also die (vor allem jugendlichen) Spieler mit den Prinzipien militärischer Strategie vertraut machen. Tatsächlich tauchen noch bis ins 20. Jahrhundert verschiedene Variationen dieses Grundkonzepts auf, die weniger als Unterhaltung oder gar Denksport betrachtet wurden, sondern vielmehr als brauchbare Vorbereitung des militärischen Nachwuchses auf strategische Operationen oder gar als Ersatz für Manöver im Freien. Champblanc hingegen wollte in erster Linie zum „Vergnügen des hochansehnlichen Publikums“ beitragen: „So kann ich doch von dem Hauptzwecke: daß ein Spiel nur zur Unterhaltung dienen müsse gar nicht abgehen.“
J. Ch. L. Hellwig, Versuch eines aufs Schachspiel gebaueten taktischen Spiels, 1780 (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek) Praktischer Teil, 1782 (Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek)
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