Grundeintrag 1997
[1/ S. 219:] Das im Herbst 1988 gegründete und im Frühjahr 1989 offiziell eröffnete Institut Mémoires de l’Édition Contemporaine (IMEC)
in Paris dient in erster Linie der Erforschung der Buch- und Zeitschriftengeschichte des 20. Jahrhunderts. Zu diesem Zweck
widmet es sich der Zusammenstellung, Konservierung und Auswertung von Autoren-, Verlags- und Zeitschriftenarchiven.
Inzwischen befinden sich im IMEC fast hundert Nachlässe von Schriftstellern, Philosophen und Historikern, darunter Louis Althusser,
Roland Barthes, Samuel Beckett, Albert Camus, Marguerite Duras, Lucien Febvre, Michel Foucault und Jean Genet. Hinzu kommen
ungefähr 50 Verlagsarchive, unter anderem von Dunod, Fayard, Flammarion, Hachette und Larousse. Außerdem gibt es auch Archivbestände
von Druckereien, Graphikern, Literaturagenturen und Zeitschriften sowie von Buchhändlern, darunter des österreichischen Buchhändlers
Martin Flinker, der 1938 aus Wien emigriert ist und nach dem Krieg in Paris eine deutschsprachige Buchhandlung eröffnet hat.
Die Bestände werden dem Institut mittels Leihverträgen überlassen und bleiben somit in Privatbesitz. Das IMEC selbst ist ein
mit öffentlichen Mitteln finanziertes privatrechtliches Institut.
Das Institut verfügt über eine Bibliothek, in der die Bestände von Forschern und Studenten konsultiert werden können. Hier
befindet sich ebenfalls eine auf das Buch und deren Erforschung spezialisierte Handbibliothek, zu der auch die gesamte seit
1884 erstellte Sammlung der französischen Buchhändlervereinigung, des »Cercle de la Librairie«, gehört.
Regelmäßig organisiert das Institut Ausstellungen, Kolloquien und Konferenzen und verfügt über ein eigenes Publikationsprogramm.
So wurden 1997 Ausstellungen über Jean Hélion, Maurice Henry und eine Themenausstellung zum Literatencafé gezeigt. Eine gemeinsam
mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach und dem Pariser Centre Georges Pompidou veranstaltete Tagung verfolgte die Frage
nach dem Zusammenhang zwischen Archiv und literarischer Produktion (Artikel hierzu erschienen in der »Frankfurter Allgemeinen
Zeitung« vom 8. Dezember 1997 und der »Zeit« vom 8. Januar 1998). Für 1998 sind unter anderem Kolloquien zu Ferdinand Céline
und zur Literatur über den Ersten Weltkrieg geplant.
Die zunehmenden Archivbestände und die damit verbundene Ausweitung der Aktivitäten führten im Pariser Sitz des Instituts zu
verstärkten Platzproblemen. Daher sollen die Archive in zwei Jahren in ein zu diesem Zweck renoviertes Prämonstratenserkloster
aus dem 13. Jahr- [1/ S. 220:] hundert bei Caen in der Normandie verlagert werden. Dort wird dann ebenfalls ein größerer Lesesaal vorhanden sein. Das Institut
selbst behält allerdings auch weiterhin ein Büro mit Konsultationsmöglichkeit in Paris. Im Juni dieses Jahres steht deshalb
ein Umzug innerhalb der Stadt in die rue Bleue Nr. 9, F-75009 Paris bevor.
Außer mit mehreren anderen französischen Institutionen - wie dem Centre Georges Pompidou und den Archives Nationales - arbeitet
das IMEC auch mit verschiedenen ausländischen Literaturarchiven regelmäßig zusammen, unter anderem dem Publishers’ Archives
an der Universität Reading in Großbritannien und dem Deutschen Literaturarchiv Marbach in Deutschland. Diese internationale
Zusammenarbeit spiegelt sich auch in dem vom Institut zweimal jährlich veröffentlichten Newsletter über Buch- und Verlagsgeschichte,
»In Octavo«, der zweisprachig, englisch / französisch, Informationen aus aller Welt über den aktuellen Forschungsstand präsentiert.
Im März 1998 wurde vom IMEC in Brüssel ein EU-Projekt beantragt, um ein europäisches Netzwerk von Instituten, die Literatur-
und Verlagsbestände verwalten, aufzubauen. Folgende Institutionen wurden dafür gewonnen: ÖLA (A-Wien), Archives et Musée de
la littérature, Bibliothèque royale Albert 1er (B-Brüssel), Schweizerisches Literaturarchiv (CH-Bern), Mémoire Éditoriale,
Institut Benjamin Constant, Université de Lausanne (CH-Lausanne), Stiftung Archiv der Akademie der Künste (D-Berlin), Deutsches
Literaturarchiv (D-Marbach / Neckar), Publishers’ Archives in Reading University Library (GB-Reading), National Book Centre
of Greece (GR-Politeia), Fondazione Arnoldo e Alberto Mondadori-Stiftung (I-Mailand) und Nederlands Letterkundig Museum en
Documentatiecentrum (NL.-s’-Gravenhage).
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