Entstehungskontext

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Arbeit am Text

Noch im selben Jahr wie sein erstes Hörspiel Hörspiel schrieb Handke im Oktober und November 1968 das in der Titelgebung und im situationsbezogenen Spiel mit Sprechformen anknüpfende Hörspiel Nr. 2. Im Entstehungszeitraum lebte Handke mit seiner Frau Libgart Schwarz noch in Düsseldorf, ab Anfang 1969, als es im Studio realisiert wurde, dann zusätzlich in Berlin, wo ihre gemeinsame Tochter Amina am 20. April, drei Tage vor der Ursendung, geboren wurde. Dass die Idee zu Hörspiel Nr. 2 unmittelbar auf Hörspiel folgte, geht aus einem Brief Klaus Schönings, damals Redaktonsleiter der Hörspieldramaturgie im WDR, an Handke vom 18. September 1968 hervor, in dem dieser, anknüpfend an ein Treffen im Mai 1968, nachfragte: »Bis wann glauben Sie, den neuen Text, über den wir damals sprachen, fertigstellen zu können?« (HA WDR, 11680) Der erste Arbeitstitel lautete Taxi-Spiel oder Taxifunk. Tags darauf, am 19. September 1968, erwähnte Handke diesen Titel in einem Brief an Urs Widmer, dem er sein zweites Hörspiel für den Suhrkamp Verlag noch »vor dem 31.10.« versprach (DLA SUA, A: Suhrkamp Verlag Verlagskorrespondenz). Vom 20. bis zum 29. September folgte ein Aufenthalt im Südburgenland, der der Arbeit an Die Angst des Tormanns beim Elfmeter gewidmet war. Der Schreibbeginn an Hörspiel Nr. 2 ist daher erst nach seiner Rückkehr Anfang Oktober anzunehmen. Ob die geplante Fertigstellung vor dem 31. Oktober erfolgte, ist unklar. Klaus Schöning jedenfalls hakte in Erwartung der Arbeit am 8. November nach: »Was macht das "Taxi-Spiel"? Gibt es Schwierigkeiten? Können wir Ihnen irgendwie helfen?« (HA WDR, 11680)

Zwei »erste« Textfassungen

Dass Schöning am 4. Dezember bereits eine Kopie des Typoskripts an Heinz Hostnig und Johann M. Kamps (Saarländischer Rundfunk) und am 9. Dezember an Hermann Naber (Südwestfunk) schickte (HA WDR, 11680), legt nahe, dass Handke das fertige Werk etwa Ende November abgeliefert hatte. Beide Rundfunkanstalten fungierten in der Folge als Koproduzenten. Bei dem Typoskript handelte es sich um einen Durchschlag der ersten Textfassung (Textfassung 1b), das Original erhielt der Suhrkamp Verlag zur Publikation, sodass Handke keine eigene Abschrift mehr besaß. In einem Brief an seinen Freund Alfred Kolleritsch am 20. Dezember 1968 erwähnte Handke selbst den Arbeitstitel, der jedoch in keiner der erhaltenen Typoskriptfassungen aufscheint: »[I]ch [habe] nichts Rechtes geschrieben inzwischen, ein paar Gedichte, ein andres Hörspiel. Dieses könnte ich Dir schicken, Taxifunk. Der WDR müßte es schon gedruckt haben.« (Handke / Kolleritsch 2008, S. 23) Handkes Hinweis auf den Abdruck scheint jedoch Folge einer Verwechslung mit Hörspiel gewesen zu sein, da Hörspiel Nr. 2 erst in dem 1969 bei Suhrkamp erschienenen Sammelband Prosa, Gedichte, Theaterstücke, Hörspiel, Aufsätze (PGT) sowie im WDR-Hörspielbuch 1969 veröffentlicht wurde. Ebenfalls am 20. Dezember sandte Klaus Schöning das druckfrische wdr Hörspielbuch 1968 an Handke, bedankte sich für die Zusammenarbeit und kündigte den Produktionstermin für Hörspiel Nr. 2 mit »wahrscheinlich März« an. Im selben Brief spricht er auch das nachfolgende »Projekt Nr. 3« an (HA WDR, 11680) und konkretisierte anschließend den Studiotermin am 22. Jänner 1969 mit »10.-23.3.69« (HA WDR, 11680).

Zweite Textfassung

In einem Brief vom 29. Jänner 1969 kündigte Handke seinen Besuch bei den Studioaufnahmen an und übermittelte darin Klaus Schöning zugleich einen neuen Schlussteil für Hörspiel Nr. 2, den er mit rotem Farbband direkt in den Brief tippte, zusammen mit der handschriftlichen Bitte: »Verlieren Sie den Brief nicht, ich habe keine Abschrift von dem Hörspielschluß.« (HA WDR, 11680) Dieser neue Schluss wurde in die Typoskriptabschrift (Textfassung 2) übernommen, für den Erstabdruck im Suhrkamp-Sammelband (PGT) schickte Schöning am 11. Februar 1969 eine Kopie im Auftrag von Handke an Claus Carlé in die Herstellungsabteilung des Suhrkamp Verlags (HA WDR, 11680), wo er in das dort befindliche Typoskript (Textfassung 1a) eingeklebt wurde. Für die Hörspielrealisierung wurde der ergänzte Schluss allerdings wieder gestrichen.

Studioaufnahme, Ursendung und Erstdruck

Hörspiel Nr. 2 wurde den Produktionsdaten zufolge von 8. bis 11. sowie vom 19. bis 23. März 1969 geprobt und am 25. März 1969 unter der Regie von Heinz von Cramer für den Westdeutschen Rundfunk aufgezeichnet. Am 23. April erfolgte die Ursendung im Programm von WDR III. Einen Tag nach der Ursendung, am 24. April 1969, erschien der erste Abdruck im Sammelband Prosa, Gedichte, Theaterstücke, Hörspiel, Aufsätze. Am 23. Mai berichtete Klaus Schöning schließlich über die zweimal erfolgte Ausstrahlung von Hörspiel Nr. 2 und leitete die erschienenen Kritiken an Peter Handke nach Berlin weiter (HA WDR, 11680). Hörspiel Nr. 2 wurde auch im WDR-Hörspielbuch 1969 veröffentlicht, zusammen mit Peter Handkes anderen Hörspielen erschien es 1970 erneut im Sammelband Wind und Meer im Suhrkamp Verlag.

Inhaltliche Elemente

Im Gegensatz zum Modell des »Verhörs« wie in Hörspiel greift Hörspiel Nr. 2 das Modell des »Anrufs« auf. Auch ein Bezug zu Der Hausierer ist durch Kriminalmotive weiterhin vorhanden (Nägele / Voris 1978, S. 98). Die Titel der ersten beiden Hörspiele machen deutlich, dass es weniger »Spiele über etwas als vielmehr Spiele, die sich selber darstellen« (Nägele / Voris 1978, S. 97), sind. Eine kurze Textstelle aus Hörspiel Nr. 2, »Müde, matt, krank, schwerkrank, lebendig begraben, tot.« (WMS 48) taucht später in Wunschloses Unglück erneut auf, wie Günther Heintz feststellte (WU 17; Heintz 1974, S. 58).

Handkes eigene Beschreibung zur Grundidee von Hörspiel Nr. 2 war dem Erstabdruck im Suhrkamp-»Reader« vorangestellt: »Dieses Hörspiel, obwohl es die Dramaturgie eines Taxi- oder Mietwagenfunks teilweise ausnützt, versucht, einem Hörbild von der Alltagsarbeit eines Taxi- oder Mietwagenunternehmens möglichst auszuweichen. Es ist nicht die Absicht des Hörspiels, zu zeigen, wie es in einer Funkzentrale wirklich zugeht. [...] Es ist auch nicht versucht worden, so etwas wie die Topografie einer Stadt, in diesem Fall die Topografie Düsseldorfs, zu geben. [...] Im ganzen könnte man also behaupten, es sei die Absicht des Hörspiels, all das zu vermeiden, von dem es eigentlich nach seinem eigenen Modell, dem des Taxifunks, handeln sollte.« (PGT 215) (ck)

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