Anwendung der Wendungskrücke

Melicher, Ludwig Josef: Die Wendungs-Krücke und deren Anwendung bei den tiefen Schulterlagen mit vorgefallenem Arme des Kindes. Ausübenden Geburtrshelfern empfohlen von Ludwig Joseph Melicher, Doctor der Medicin und Chirurgie, Operateur, Magister der Augenheilkunde, Geburtshilfe und Zahnheilkunde [etc]. - Wien : Gedruckt bei Carl Ueberreuter, 1846.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 310.513-B.Alt-Mag

Detailinformation

Im November 1842 wird Dr. Melicher, zu diesem Zeitpunkt noch Famulant im k.k. Allgemeinen Krankenhaus in Wien, abends „um 10 Uhr … in eine schlechte Wohnung am Alserbach“ geholt, um Geburtshilfe zu leisten. Man sagt ihm, „dass die Mutter [der Gebärenden], eine Zwiebelhändlerin, mehrere andere Slowakinnen und ihre Tochter schon früher entbunden hätte, allein diesmal kann sie die Tochter ... nicht entbinden … Die Kreissende schrie beständig nach Hilfe.“ Aufgrund der Lage des Kindes ist die Situation äußerst kritisch, aber mithilfe einer Wendungskrücke gelingt dem Arzt die Entbindung und damit die Rettung der Frau: „Das ausgetragene Kind war todt. Die Slowakin erholte sich so schnell, dass sie nach sechs Wochen wieder hausiren konnte.“ Ein anderes Fallbeispiel zeigt, dass Melicher mit diesem Verfahren auch den Säugling retten konnte.

Melicher hatte die Wendungskrücke 1841 entwickelt, um bei Schulterlage des Kindes die Achselhöhle möglichst schonend anheben zu können. Die Anwendung seiner Erfindung hatte der Arzt zunächst an den Leichen von Frauen und Kindern geübt; „jedoch hielt ich mich mit deren Publikation zurück, weil ich erst von der praktischen Brauchbarkeit dieses Instruments überzeugt sein wollte“. Zur Veröffentlichung entschloss sich Melicher erst 1845, nachdem er in einer Fachzeitschrift den Bericht über eine kürzlich durchgeführte Embryotomie gelesen hatte*). Dieses Verfahren, bei dem das Kind mit chirurgischen Instrumenten zerstückelt werden musste, um das Leben der Mutter zu retten, wollte er nie mehr angewendet wissen.  

Der sehr tätige Arzt wirkte weiterhin am Allgemeinen Krankenhaus, gründete eine orthopädische Heilanstalt (die erste in Wien mit schwedischer Heilgymnastik) und weitere Einrichtungen. Er starb 1871 im Alter von nur 54 Jahren.

*) Entbindung durch Exenteration in:  Österreichische medicinische Wochenschrift . Nr. 39, 1845.


last update 04.03.2016