85 Jahre allgemeines Frauenwahlrecht in Österreich
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II. Die Frau als Wählerin und Politikerin - 1918 bis 1919
Frauen im Parlament
Adelheid Popp
Adelheid Popp

Adelheid Popp gilt heute als eine der bedeutendsten österreichischen Frauenrechtlerinnen in den letzten Jahrzehnten der Monarchie und in der Ersten Republik. Diese Laufbahn wurde ihr jedoch nicht in die Wiege gelegt:

1869 wurde sie als jüngstes von 15 Kindern der Familie Dworak geboren. Das Leben war damals hart: Viele Geschwister Adelheids erlebten ihren zehnten Geburtstag nicht mehr. Als sie sechs Jahre alt war, starb ihr Vater, ein Weber, der zeitlebens seine Familie tyrannisiert hatte. Adelheid musste bereits mit zehn Jahren den Schulbesuch aufgeben und, zunächst durch Heimarbeit, später in einer Fabrik, zum Familienunterhalt beitragen. Autodidaktisch bildete sie sich weiter und flüchtete zunächst in die Traumwelt der Trivialromane. Erst ihre Arbeitskollegen konnten sie für die Politik interessieren. Die schweren Jahre ihrer Kindheit schildert sie eindrucksvoll in ihrer Autobiographie „Die Jugendgeschichte einer Arbeiterin“.

Zu Hause hatte sie mit ihren neuen Ideen einen schweren Stand, da ihre Mutter kein Verständnis dafür aufbrachte. Trotzdem hielt sie mit viel Engagement und großem Erfolg öffentliche Reden und begann ihre ersten Artikel zu verfassen. Mit den Erfolgen, die sie bei ihrer politischen Arbeit erzielte, wuchs auch ihr Selbstbewusstsein, auch wenn sie es oft als einzige weibliche Rednerin unter lauter Männern nicht leicht hatte. Das entschiedene Interesse an der Frauenfrage teilte sie damals mit den wenigsten ihrer sozialistischen – und männlichen - Mitstreiter. Führende Vertreter der österreichischen Sozialdemokraten wurden auf sie aufmerksam. Emma Adler, die Frau Viktor Adlers, wurde ihre beste Freundin.

Adelheid Dworak gehörte zu den BegründerInnen und RedakteurInnen der 1892 erstmals erschienenen Arbeiterinnen-Zeitung und engagierte sich für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und das Frauenwahlrecht.

1893 heiratete sie den sozialdemokratischen Redakteur Julius Popp, der im Gegensatz zu vielen seiner Geschlechtsgenossen ihre Einstellung zur Frauenemanzipation teilte. Im gleichen Jahr gab sie auch die Fabriksarbeit auf und widmete sich ganz der Herausgabe der Arbeiterinnen-Zeitung. Sie setzte ihre politische Arbeit fort: 1895 wurde sie wegen ihrer kritischen Haltung zur traditionellen Ehe zu einer Arreststrafe verurteilt, 1902 gründete sie den "Verein sozialdemokratischer Frauen und Mädchen" und übernahm den Vorsitz des "Internationalen Frauenkommittees", 1911 trat sie am Vorabend des Ersten Weltkriegs für die Ziele der Friedensbewegung ein. Als 1918 das allgemeine Wahlrecht eingeführt wurde, zog Adelheid Popp in den Wiener Gemeinderat ein und wirkte als Abgeordnete im Nationalrat bis zur Auflösung des Parlaments 1934. Auch in dieser Funktion setzte sie sich besonders für frauen- und familienpolitische Belange wie etwa die Eherechtsreform, die Einkommensgleichheit für Männer und Frauen und das Hausgehilfinnengesetz, das die Dienstbotenordnung ablösen sollte, ein.

1934 zog sie sich – auch aus gesundheitlichen Gründen – aus ihren politischen Funktionen zurück. Wenige Monate, nachdem die Nationalsozialisten in Österreich die Herrschaft übernommen hatten, starb Adelheid Popp an einem Schlaganfall.