85 Jahre allgemeines Frauenwahlrecht in Österreich
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II. Die Frau als Wählerin und Politikerin - 1918 bis 1919
Frauen im Parlament
Marie Tusch
Marie Tusch

Marie Tusch wurde 1868 in Klagenfurt als Kind einer ledigen Magd geboren. Schon mit zwölf Jahren musste sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und wurde Arbeiterin in der k. u. k. Tabakfabrik in Klagenfurt. Die Arbeitsbedingungen für die knapp 600 Frauen, die dort beschäftigt wurden, waren hart: Für 54 Stunden in der Woche erhielten sie einen Hungerlohn, der kaum zum Leben ausreichte. Wer sich dagegen auflehnte, wurde sofort entlassen. Bald entdeckte die junge Marie, dass sich nur gemeinsam mit anderen Frauen etwas ändern ließ: Im Laufe der Zeit wurde sie Vertrauensfrau, später Betriebsrätin und übernahm schließlich die Leitung des Landesfrauenkommittes der SDAPÖ Kärnten. So war sie keine Unbekannte mehr, als sie 1919 als eine von acht Frauen und einzige Nicht-Wienerin Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung wurde und bis 1934, dem Ende der demokratischen Ordnung, Abgeordnete zum Nationalrat blieb.

Ihre politische Arbeit galt u. a. dem Schicksal der Kriegsversehrten des Ersten Weltkrieges, aber auch den Frauenrechten. Sie engagierte sich für die soziale Absicherung von Frauen und Müttern und setzte sich für die Straffreiheit von Abtreibungen ein. Durch ihre Arbeitserfahrungen fungierte sie als Expertin für wirtschaftliche Fragen des österreichischen Tabakmonopols.

Ihr Beispiel sollte den Frauen mehr Selbstbewusstsein geben: Sie, die aus den einfachsten Verhältnissen kam, erreichte durch Bildung, Fleiß und Förderung ihrer ParteigenossInnen eine wichtige und verantwortungsvolle Stellung in der Ersten Republik, in der sie sich Ansehen und Anerkennung auch von Mitgliedern anderer Parteien erwarb. Ihre Reden waren nie abstrakt, sondern veranschaulichten persönliche Schicksale und Erfahrungen hinter den allgemeinen Themen.

Marie Tusch starb 1939 im Alter von 71 Jahren an einer Lungenentzündung. Sie ist am Klagenfurter Friedhof St. Ruprecht beigesetzt.