Das Zeitalter des Verschweigens (Textfassung 3)

Typoskript 2-zeilig, Kopie, mit hs. Korrekturen, Überklebungen und originalen Typoskriptblättern, 162 Blatt, ohne Datum [19.02.1979 bis 21.03.1979]

Druckversion

Im Bestand des Siegfried Unseld Archivs am Deutschen Literaturarchiv Marbach befindet sich neben der Textfassung 2b noch eine weitere Kopie der zweiten Textfassung von Langsame Heimkehr (Textfassung 3). Es dürfte sich dabei um jene Typoskriptkopie handeln, die Peter Handke direkt nach seiner Besprechung mit Siegfried Unseld in Frankfurt zwischen 17. und 19. Februar 1979 noch einmal überarbeitet hat. Diese Fassung, in welcher auch einige Passagen ganz neu geschrieben sind, schickte Handke am 22. Februar an den Verlag. Im Begleitschreiben an Unseld erklärte er: »jetzt habe ich noch drei Tage an der Geschichte weitergearbeitet und sicher hundert kleine Änderungen angebracht (und ich glaube, daß es wirklich Verbesserungen sind.) Auch Deine Korrekturen sind, glaube ich, alle berücksichtigt.« (Handke / Unseld 2012, S. 356)  

Beschreibung

Bei Textfassung 3 handelt es sich vermutlich um eine Kopie der Kopie, da einige der im Originaltyposkript (2a) verzeichneten Korrekturen Handkes oder Markierungskreuze Unselds beim abermaligen Kopieren nicht vollständig abgelichtet wurden. Sie umfasst 162 Blatt, wobei die Paginierung von 1-153 größtenteils aus der Vorlage mitkopiert ist, einzelne Seitenzahlen wurden aber vom Verlag oder von Handke handschriftlich nachgetragen. Die ersten fünf Blätter sind unpaginiert: eine Seite mit Verlagssignet (Bl. I), ein Titelblatt (Bl. II), ein Copyright (Bl. III), ein Mottoblatt (Bl. IV) und das erste Kapitelblatt mit der Überschrift »1. Die Vorzeitformen« (Bl. V). Zudem gibt es noch zwei weitere unpaginierte Kapitelblätter mit den Überschriften »2. Das Raumverbot« (Bl. VI) und »3. Das Gesetz« (Bl. VII). Der Titel des dritten Kapitels ist neu, er lautete in Textfassung 2a noch »Die Zeiten und die Räume« und nach einer Korrektur in 2a »Die Räume«, bis Handke den Titel im Zuge der Überarbeitung auf Anregung Unselds in dieser dritten Textfassung in »Das Gesetz« umbenannte (Handke / Unseld 2012, S. 357). Diese Fassung diente dem Verlag als Satzvorlage für den Druck und ist dementsprechend mit Herstellungszeichen versehen. Kursivierungen wurden unterstrichen. Die mit orangem Filzstift am Anfang des Typoskripts nachgetragenen Seitenzahlen dürften der Herstellung als Orientierung gedient haben; auf Blatt 1 wurde mit Bleistift der Seitenschlüssel für die Buchausgabe vermerkt: Blatt 1 entspricht Seite 9.

Korrekturen

Textfassung 3 enthält zahlreiche mit schwarzem und rotem Fineliner geschriebene Korrekturen und mit dickem Filzstift angefertigte Streichungen des Autors. Zudem findet man vermutlich später hinzugekommene Eintragungen mit blauem Kugelschreiber von Elisabeth Borchers. Stark korrigierte Stellen wurden von Handke neu getippt und in der Kopie mit den neuen Typoskriptseiten überklebt. Manche Blätter wurden gänzlich neu geschrieben, weshalb sich diese Textfassung an einigen Stellen deutlich von den Fassungen 2a und 2b unterscheidet. Die neuen Typoskriptteile muss Handke dabei mit einer anderen (evt. seiner amerikanischen) Schreibmaschine getippt haben, da das »ß« durch »ss« wiedergegeben ist.

Vergleich der Textfassungen 2b und 3

In Textfassung 3 wurden die Korrekturen von Fassung 2a (und teilweise von 2b) umgesetzt. Darüber hinaus überarbeitete und erweiterte Handke etliche Abschnitte, wie ein Vergleich der Passage über Sorgers »Raumverbot«-Krise (vgl. LH 138) in den Textfassungen 2b und 3 zeigt. In der Textfassung 2b lautet sie: »Er blieb stehen {xxx} \und/ spürte, wie er daran war, \(auch was die geplante Abhandlung betraf)/ für immer zu scheitern; "kein Chaos!" war das einzige, was er {noch} \sich vor/sagen konnte. Das Meer war unheimlich, auch die Siedlung im Kiefernwald; die ganze Stadt., \aber auch jeder Anschein von Natur./ "Ihr Busse, bringt mich weg von hier." Er ging wieder auf und ab; blieb stehen: Gerade {war} \hatte er/ nicht nur die Paßhöhe verschwunden\loren/, sondern überhaupt all seine Vorstellungsräume – der\n/ Tisch unter den Eukalyptusbäumen ebenso wie die \den/ nördlich\en/ Stromlandschaft, in der \den/ er gerade noch, mit einem heftigen Trennungsschmerz, \wie/ für alle Zeit hinter einer Böschung verschwinden sah. "Raumverbot!" Angstnester unter den Achseln – \und/ kein "Vogel, der ihm die Landschaft rettete"; dafür der Verlassenheitsschrei eines Säuglings \auf einer nächtlichen Eisfläche/ {xx xxxxx xxxxxxxxx xxxxx}. – Es gab keinen "Bereich" mehr, nirgends; nicht einmal die Orientierung an den\r/ Bodenschichtung unter seinen Fußsohlen. [/] {Xxx xxxxxxx} \Der/ Sorger\-Ohne-Ort/ ging wieder auf und ab, dankbar, daß er seine Arbeit und die Nachbarn hatte. "Arbeit"? "Nachbarn"?« (DLA, SUA, A: Suhrkamp Verlag, Handke Peter, Textfassung 2b, Bl. 94-95)

In Textfassung 3 wurde die Katastrophe weiter präzisiert und ausgebaut, das »Raumverbot« wurde hervorgehoben und genauer beschrieben: »Er blieb stehen und spürte, wie er daran war – auch was die geplante Abhandlung betraf –, für immer zu scheitern; "kein Chaos!" war das einzige, was er sich noch vorsagen konnte: dann sauste er wie in einer Sprachlosigkeitskanzel weg aus dem Raum \hinaus/, der sich verzerrte und dann ganz weg war. [/] "Raumverbot!" [/] Das Meer war \wurde/ unheimlich, \aber/ auch die Siedlung im Kiefernwald; die ganze Stadt, aber auch jeder Anschein von Natur (die ihn {nur noch} atembeklemmend umstellte.) "Ihr Busse, bringt mich weg von hier!" [/] Er ging wieder auf und ab; blieb stehen: Gerade hatte er nicht nur die Passhöhe verwirkt, sondern überhaupt all seine Vorstellungsräume – den Tisch unter den Eukalyptusbäumen ebenso wie den nördlichen Strom, den er gerade noch, mit {xxxxx} \dem/ heftigsten Trennungsschmerz, wie für alle Zeit hinter einer Böschung verschwinden sah. [/] Angstnester unter den Achseln – und kein "Vogel, der ihm die Landschaft rettete"; dafür der Verlassenheitsschrei eines Säuglings auf einer nächtlichen Eisfläche. – Es gab keinen "Bereich" mehr, nirgends; nicht einmal die Orientierung an der Bodenschichtung unter seinen Fuss-Sohlen. – Von allen Orten ausgeschlossen; \{xxxxx}/ {xxxxxxxxxx xxxxxxx xxx xxxxxxxx} \und/ der Raumverlust war nicht einmal eine Erfahrung! [/] Sorger ging von neuem auf und ab, dankbar, dass er immerhin seine Arbeit und die Nachbarn hatte.« (Bl. 94-95)

Titel

Unseld hatte bei der Besprechung des Typoskripts in Frankfurt gegen den von Handke bevorzugten Buchtitel »Das Raumverbot« Einwände vorgebracht. Handke meinte in seinem Brief vom 22. Febraur nun dazu: »Von dem Titel "Das Raumverbot" kann ich mich halt nicht trennen.« (Handke / Unseld 2012, S. 357) Ein Brief an Unseld vom 5. März 1979 zeigt aber, dass Handke weiter über den Titel nachgedacht hatte: »mir geht seit einigen Tagen ein Titel für die Geschichte im Kopf herum: "Das Zeitalter des Verschweigens". Er würde die Zeit nach den Begebnissen bezeichnen, die ich erzähle. [...] Wenn das Buch so hiesse, wäre freilich das Wort "Erzählung" darunterzusetzen.« (DLA, SUA, A: Suhrkamp Archiv, Handke Peter) Elisabeth Borchers änderte vermutlich auf seine Anweisung hin am Titelblatt von Textfassung 3 den ursprünglichen Titel »Das Raumverbot« zu »Das Zeitalter des Verschweigens« (Bl. II). Laut Protokoll der Herstellung ging die Satzvorlage am 9. März 1979 an die Setzerei Allgäuer Zeitungs-Verlag (AZV). Es wurde wenige Tage später noch einmal rückgerufen und schließlich am 21. März 1979 erneut der Setzerei der AZV übermittelt. Die Änderung des Titels wurde, da Unseld den Brief Handkes laut Eingangsstempel erst am 12. März 1979 per Post erhalten hatte, demnach erst nach der Rückholung verändert. (kp)

Siglenverzeichnis  Editorische Zeichen

 

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

Das Raumverbot [/] Das Zeitalter des Verschweigens [hs. von Elisabeth Borchers, Bl. II]

 

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  geschrieben 1978 und 1979 [Bl. 153]
Datum normiert:  ohne Datum [19.02.1979 bis 21.03.1979]

Materialart und Besitz

Besitz:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

Typoskript 2-zeilig, Kopie mit einzelnen Originaltyposkriptseiten und Überklebungen mit Originaltyposkripten, 162 Blatt, I-V, pag. 1-64, VI, 65-97, 97a, 98-110, 110a, VII, 111-153; mit zahlreichen eh. Korrekturen und zusätzlichen Korrekturen von Elisabeth Borchers und Satzzeichen der Herstellung

Format:  A4
Schreibstoff:  Fineliner (schwarz, rot), Filzstift (schwarz, orange), Kugelschreiber (blau)

Ergänzende Bemerkungen

Bemerkungen: 

Signatur vor Übergabe an das DLA: (SV, PH, W1/10.2)