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Manfred Windfuhr: Der Sengle-Nachlaß im Düsseldorfer Heine-Institut (29. 12. 2001). In: Sichtungen online, PURL: http://purl.org/sichtungen/windfuhr-m-1a.html ([aktuelles Datum]). - Auch in: Sichtungen 2 (1999), S. 286-288.

Manfred Windfuhr
c/o Heinrich-Heine-Institut
Bilkerstraße 12-14, D-40213 Düsseldorf
Adressinformation zuletzt aktualisiert: 1999

Der Sengle-Nachlaß im Düsseldorfer Heine-Institut

Manfred Windfuhr


[2/ S. 286:] Friedrich Sengle wurde am 14. November 1909 in Tellicherry (Südindien) als Sohn eines Missionars der Basler Mission geboren. Nach der Studienzeit in Berlin und Frankfurt / Main folgten Promotion und Habilitation in Tübingen und vier Stationen als Universitätsprofessor: ab 1951 in Köln, ab 1952 in Marburg / Lahn, ab 1959 in Heidelberg und von 1965 bis 1978 in München. Am 14. März 1994 starb Sengle in Seefeld-Hechendorf (Bayern).

Friedrich Sengle gilt als der bedeutendste Historiker unter den Germanisten der Bundesrepublik Deutschland. Seine Hauptwerke haben der neueren Literaturwissenschaft wichtige, noch immer weiterwirkende Impulse verliehen. Mit dem »Wieland« (1949) erneuerte er die Schriftstellerbiographie und setzte sich für die in Deutschland damals unterbewertete ironische und skeptische Schreibart ein. Die dreibändige »Biedermeierzeit« (1971-1980) setzte schwer zu überbietende Maßstäbe für die Erfassung der Literatur der Metternich-Ära, und die Goethebücher erweiterten das Goethebild um den theoretischen (Dissertation von 1937) und den sozialhistorischen Aspekt (Das Genie und sein Fürst, 1993). Mit den »Vorschlägen zur Reform der literarischen Formenlehre« (2. Aufl. 1969) leistete Sengle einen wichtigen Beitrag zur Theoriedebatte, indem er die spekulative, deutsch-idealistische Gattungspoetik kritisierte und »auf die Füße stellte«. In drei Bänden sammelte er - keineswegs vollständig - Aufsätze und Vorträge zu den [2/ S. 287:] Schwerpunkten seiner wissenschaftlichen Arbeit (1965, 1980 und 1989).

Ende 1994 übernahm das Heinrich-Heine-Institut in Düsseldorf Sengles umfangreichen Nachlaß. Er besteht im wesentlichen aus folgenden Abteilungen.

Werkmanuskripte und -typoskripte: Arbeitshandschriften zum »Wieland« und zur Habilitationsschrift über das deutsche Geschichtsdrama, vielschichtige Stufen zur »Biedermeierzeit«, darunter die später völlig umgearbeitete essayistische Erstfassung des dritten Bandes über die »Dichter«, außerdem handschriftliche und gedruckte Vorlagen zu den späteren Goethebüchern. Die Manuskripte zu Aufsätzen und Vorträgen - viele unveröffentlicht - sind in zehn Leitzordnern zusammengefaßt. Weiterhin existieren neun Hefte mit Sengles Schulaufsätzen.

Korrespondenzen: allgemeiner Briefwechsel (29 Ordner), Herausgebertätigkeit (drei Ordner »Deutsche Vierteljahrsschrift«, zwei Ordner »Deutsche Neudrucke«, vier Ordner »Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur«), Verlagskorrespondenz (zwei Ordner), Deutsche Forschungsgemeinschaft (ein Ordner), Vortragsreisen (ein Ordner). Von literarischem Interesse sind Sengles Briefwechsel mit Schriftstellern: Jorge Luis Borges, Georg Britting, Hilde Domin, Hans-Egon Holthusen, Peter Huchel, Wilhelm Lehmann, Thomas Mann, Josef Weinheber und andere. Die Abteilung konnte inzwischen durch Zustiftungen von Korrespondenzpartnern angereichert werden. Genannt seien Walter Müller-Seidel (München), Roger Paulin (Cambridge), Hans S. Reiss (Bristol), und Marlies Schindler (Neuried).

Akten und Gutachten: Tätigkeiten an den verschiedenen Seminarstandorten (sieben Ordner), Sozialgeschichtliche Forschergruppe in München (vier Ordner), Prüfungen (ein Ordner), Haupt- und Oberseminare (ein Ordner), Habilitationen (zwei Ordner), Gutachten (sieben Ordner).

Diarium: in Form von Kalendern, geführt von 1946 bis 1994. Die Dichte der Eintragungen zu den beruflichen und privaten Tagesgeschäften nimmt mit den Jahren erheblich zu.

Vorlesungen: vierzehn Vorlesungen über den gesamten Zeitraum von Luther bis zur Moderne (nur der neuere deutsche Roman ist nicht abgedeckt), drei davon im Typoskript. Die Goethevorlesung liegt inzwischen im Druck vor, herausgegeben von Marianne Tilch, mit einem Nachwort des Berichterstatters: Kontinuität und Wandlung. Einführung in Goethes Leben und Werk. Heidelberg: Winter 1999. Die Edition der Vorlesung über die moderne Lyrik von Nietzsche bis Enzensberger befindet sich in Vorbereitung. Aus Sengles Studienzeit ent- [2/ S. 288:] hält der Nachlaß Vorlesungsmitschriften in vier Mappen und vierzehn Einzelheften.

Vorarbeiten und Materialsammlungen: zu allen Forschungs- und Lehrfeldern existieren umfangreiche Sammlungen von Exzerpten, Notizen, Sonderdrucken, Zeitungsartikeln und anderen Materialien in Jurismappen. Besonders stark vertreten sind die Gebiete Goethe (199 Mappen) und Biedermeierzeit (196 Mappen). Viele Sonderdrucke enthalten Sengles handschriftliche Zusammenfassungen und kritische Stellungnahmen.Rezeption der Sengle-Werke:

Rezeption der Sengle-Werke: 19 Jurismappen mit Sammlungen der Rezensionen und wichtigen brieflichen Reaktionen. Sie werden inzwischen ebenfalls angereichert.

Sammlung von Schüler-Arbeiten: von Sengle betreute Untersuchungen auf allen akademischen Stufen, von der Staatsarbeit bis zur Habilitationsschrift.

Als bekennender Süddeutscher mit einer Schweizer Mutter hat Friedrich Sengle die Beziehungen zur österreichischen Literatur und Literaturwissenschaft immer besonders gepflegt. Von den 15 Schriftstellern, denen im dritten Band der »Biedermeierzeit« beinahe monographische Abschnitte gewidmet sind, stammen sechs aus dem habsburgisch-österreichischen Raum: Grillparzer, Lenau, Nestroy, Raimund, Sealsfield (Postl) und Stifter. Unter Sengles österreichischen Korrespondenzpartnern seien genannt: Franz H. Mautner (Emigrant), Robert Mühler, Herbert Seidler, Viktor Suchy, Eugen Thurnher, Walter Weiss, Werner Welzig und Herbert Zeman. Neben seiner Mitgliedschaft bei den Akademien in München und Heidelberg war Sengle auch korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien.

Der Sengle-Nachlaß gehört innerhalb des Heine-Instituts zum Bereich Wissenschaft. Als Nachlaßverwalter fungiert der Berichterstatter, eine ehrenamtliche Funktion. Subventionen wurden für die Bearbeitung bisher nicht eingesetzt. Der Nachlaß ist öffentlich zugänglich.

Manfred Windfuhr




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