85 Jahre allgemeines Frauenwahlrecht in Österreich
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III. Der Blick in die Welt - Internationales
Zum Beispiel: Finnland
Finnische Frauen um 1900
Erste Frauenwahl im hohen Norden


Foto: Finnische Frauen um die Jahrhundertwende

Finnland war das erste Land in Europa, das das Frauenwahlrecht einführte. Dabei vollzog das Land einen gewaltigen Sprung von einer der rückständigsten Verfassungen zu der damals fortschrittlichsten: Alle volljährigen Bürger, Männer wie Frauen, erhielten 1906 gleichermaßen das aktive und passive Wahlrecht.
Finnland war seit 1809 Teil des russischen Reiches, obwohl es umfangreiche Selbstverwaltungsrechte besaß. Die Beschlüsse des Landtages mussten allerdings vom Zaren bestätigt werden. Das Land hatte ein eingeschränktes Wahlrecht, das Vierstände-Zensuswahlrecht, das 90 Prozent der Bevölkerung - die große Mehrheit der Landarbeiter - benachteiligte. So entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts einerseits eine nationalistische Bewegung, die die Unabhängigkeit von Russland anstrebte, anderseits die Arbeiterbewegung. Analog dazu entwickelte sich auch die Frauenbewegung: Einerseits gab es bürgerliche Frauen, die sich auf Grundlage des Zensuswahlrechts für die Gleichberechtigung einsetzten, anderseits wurden auch die Frauen der nichtprivilegierten Schichten aktiv. Der grundlegende Konflikt war dabei weniger der zwischen Männern und Frauen als vielmehr der zwischen der Oberschicht und der weitgehend rechtlosen, nichtselbständigen Landbevölkerung. In den 1890er Jahren konstituierte sich die sozialistische Partei Finnlands, doch schon vorher wurde die Forderung nach dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht laut. Eine Besonderheit Finnlands war, dass diese Forderung mit der nach Prohibition - dem Alkoholverbot - gekoppelt war.
In den folgenden Jahren verschärfte sich der Konflikt zwischen der bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung und der Arbeiterwahlrechtsbewegung, der auch viele Frauen gleichberechtigt angehörten. Der Vorwurf an die „Bürgerlichen“ lautete, dass sie unter allen Frauen Unterstützung für ein Wahlrecht sammelten, das erst recht nur einer kleinen Minderheit der Privilegierten zugute kommen würde. Für die Frauen der Oberschicht hingegen war es zum Teil unvorstellbar, dass auch das „niedere Volk“ mitbestimmen dürfe.
Obwohl der Druck auf die Regierung zunahm, kam die endgültige Lösung des Konfliktes doch überraschend und schnell.
Ende 1905 brachen in Russland Unruhen aus, die auf Finnland übergriffen und in beiden Ländern zu einem Generalstreik führten. Aufgrund dieser explosiven Lage fühlte sich die russische Regierung veranlasst, sowohl den nationalistischen als auch den sozialistischen Strömungen in Finnland nachzugeben – 1906 wurde das Einkammerparlament wie auch das allgemeine und gleiche Wahlrecht in Finnland eingeführt.
Die Beteiligung am politischen Leben war für Finnlands Frauen von Anfang an selbstverständlich. Vor der ersten Wahl wurde die Bevölkerung intensiv über das bevorstehende Ereignis informiert, das für die meisten Frauen und Männer gleichermaßen neu war. So erinnerte sich Alexandra Gripenberg 1913 an die ersten Wahlen: "Es gab alte Frauen, die sich zuvor nie mit Politik beschäftigt hatten und die nun Vereine gründeten, um Kenntnis über das Programm ihrer Parteien zu verbreiten und die armen Frauen ihrer Gegend über das Wahlgesetz zu belehren. (...) In einzelnen Gegenden hatten sich die Schreibunkundigen schon lange vordem geübt, den verhängnisvollen Strich auf dem Wahlzettel zu ziehen, indem sie mit einem Messer Striche auf einem Stückchen Holz oder Baumrinde einschnitten." (Alexandra Gripenberg: Das Frauenstimmrecht und die Wählbarkeit der Frau in Finnland, in: "Österreichische Frauenrundschau, Nr. 87, S. 2-5, Wien 1913)
Seither nehmen Frauen im parlamentarischen Leben Finnlands eine wichtige Rolle ein: Selbstbewusst kandidierten sie schon bei der ersten Wahl im Jahr 1907 und konnten 19 Sitze, ungefähr 10 Prozent, für sich erobern. Bei der nächsten Wahl 1908 stieg die Zahl auf 25 Frauen oder 12,5 Prozent an.
Als letztes wegweisendes Beispiel für die Gleichberechtigung der Frauen in Finnlands politischem Leben kann die Wahl von Tarja Halonen im Jahr 2000 zur ersten finnischen Präsidentin gelten.