85 Jahre allgemeines Frauenwahlrecht in Österreich
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III. Der Blick in die Welt - Internationales
Zum Beispiel: England
Verhaftete Suffragette
Leben und sterben für das Recht zu wählen – die Suffragetten


Foto: Verhaftung einer Suffragette in England. Interessantes Blatt, Nr.13, 28.3.1907

Eine Vorgängerin der englischen Suffragetten war die Schriftstellerin Mary Wollstonecraft (1759 – 1797), die in ihrem Buch „The Vindication of the Rights of Women“ die Gleichberechtigung der Frauen einforderte. Im 18. Jahrhundert verhallte diese Forderung ergebnislos.
1869 erschien dann das Buch des bekannten Politikers und Nationalökonomen John Stuart Mill mit dem Titel „Die Hörigkeit der Frau“, in dem er entschieden die Meinung vertrat, dass den Frauen die gleichen Rechte wie den Männern zustehen sollten.
Die Situation der Frauen im England des 19. Jahrhunderts war prekär: Kaum imstande, selbst ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, waren die Frauen der Willkür und der Gnade ihrer Väter und Gatten ausgeliefert, die natürlich wenig Bereitschaft zeigten, etwas an dieser Situation zu ändern. So erkannten die Frauen, dass sie ihre Lage nur verbessern könnten, indem sie die gleichen politischen Rechte erhielten wie die Männer und so auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen könnten.
1889 wurde daher die "Women’s Franchise League" gegründet, die sich für das Frauenstimmrecht und die Rechte verheirateter Frauen einsetzte. Zu ihren Mitgliedern gehörte auch Emmeline Pankhurst, die später die Leiterin der Suffragettenbewegung werden sollte.
Sie war 1858 geboren worden und entstammte einer respektablen Familie. Zusammen mit ihrem Mann, dem Anwalt Richard Pankhurst, gehörte sie der Independent Labour Party (ILP) an. Als ihr Mann 1898 starb, musste sie sich mit ihren fünf Kindern mühsam durchbringen.
So gründete sie mit anderen Frauen aus ihrer Partei 1903 die "Women’s Social and Political Union" (WSPU), die sich für das Frauenwahlrecht einsetzte - allerdings beschränkt auf weibliche Haushaltsvorstände.
Die Methoden waren zunächst friedlich: In öffentlichen Versammlungen fragten die Frauen Politiker immer wieder, wann denn nun endlich das Frauenwahlrecht eingeführt werde. Schon das erregte häufig Aufruhr, die lästigen Fragerinnen wurden aus der Versammlung entfernt oder gleich verhaftet. Weder die Fragen noch die Petitionen der Suffragetten zeitigten Erfolg, ja es wurde den Frauen sogar verwehrt, den Politikern ihre schriftlichen Gesuche zu übergeben.
Nach fünf Jahren erfolgloser Arbeit gab es den ersten Tumult, als Emmeline Pankhurst versuchte, dem Premierminister eine Resolution zu überreichen. Das Regierungsgebäude wurde mit Steinen beworfen. 1910 verließ die WSPU endgültig den Weg friedlichen Verhandelns und erregte Aufsehen, Zustimmung und Ablehnung mit ihren militanten Aktionen: Gezielt wurde Eigentum sabotiert, Fensterscheiben eingeworfen, Briefkästen in Brand gesteckt, sie ätzten mit Säure auf Golfplätzen ihr Motto „Votes for Women“ ein. Die Organisation, die mittlerweile in den Untergrund gegangen war, wurde effizient und streng hierarchisch geführt. Eine der Strategien der WSPU war, keine Geldbußen zu bezahlen, sondern die Haftstrafen auszusitzen. Im Gefängnis waren die Verhältnisse schrecklich. Wenn die Frauen aus Protest und um als politische Gefangene eingestuft zu werden, in Hungerstreik gingen, wurden sie zwangsernährt, was nicht selten schwerste Verletzungen oder gar den Tod der so Behandelten nach sich zog.
Emmeline Pankhursts Tochter Christabel flüchtete nach Frankreich und agierte auch in Paris für das Frauenwahlrecht. Emmeline Pankhurst selbst wurde nach ihrer Beteiligung an einem Bombenanschlag verhaftet.
Doch mittlerweile wurden die Ereignisse vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überschattet. Die WSPU begann die Pro-Kriegspolitik der Regierung zu unterstützen. Als Folge dessen wurden die gefangenen Suffragetten, mittlerweile um die 1000 Frauen, aus den Gefängnissen entlassen. Auch die soziale Situation der Frauen änderte sich: Im Krieg durften sie nicht nur, sie mussten in vielen „Männerberufen“ arbeiten und ihre Fähigkeiten beweisen. Die WSPU nannte sich ab 1917 „Women’s Party“. Sie forderte gleiche Entlohung und Gleichbehandlung im Eherecht. Sie war respektabel geworden, und da auch die Regierung sich plötzlich vom Einsatzwillen der bisher rechtlosen Frauen abhängig sah, wurde 1918 ein eingeschränktes Frauenwahlrecht eingeführt. Erst 10 Jahre später wurde das allgemeine und gleiche Wahlrecht für alle beschlossen. Im gleichen Jahr starb Emmeline Pankhurst. An sie erinnert heute ein Denkmal in London.
Christabel Pankhurst Christabel Pankhurst
Porträt

Christabel Pankhurst (1880 Manchester – 1958 Los Angeles) war in der WSPU die rechte Hand ihrer Mutter. Die Juristin, Rednerin und Theoretikerin der Suffragetten-Bewegung nahm für das Frauenwahlrecht Gefängnisstrafen, Verfolgung und Vertreibung auf sich.
Emily Davison Emily Davison
Zeitungsillustration: Neue Illustrierte Wochenschau Nr. 24, 14.6.1913

Emily Wilding Davison (1872 Blackheath - 1913 Epsom) stürzte sich für das Frauenwahlrecht bei einem englischen Derby vor ein reitendes Pferd und starb. Ihr Schicksal erweckte international Aufsehen, Mitleid, aber auch Ablehnung.
Todessturz von Emily Davison Emily Davisons Todessturz
Zeitungsillustration: Neue Illustrierte Wochenschau Nr. 24, 14.6.1913 S. 15

Die Suffragetten erregten mit ihren Aktionen Aufsehen im In- und Ausland. Sie zögerten auch nicht, dabei ihr eigenes Leben einzusetzen.