Frauenliteratur der österreichischen Moderne
Mela Hartwig (1893 – 1967)
Schauspielerin, Schriftstellerin
Biographie
M. H. wurde am 10. Oktober 1893 in Wien als Tochter des Soziologen Prof. Dr. Theodor Hartwig geboren. Ihre Schwester Grete Hartwig-Manschinger (1899-1971) erreichte als Sängerin und Schauspielerin Berühmtheit, später auch als Schriftstellerin und Übersetzerin. Nach Erreichen der Matura begann M. H. in Wien Pädagogik zu studieren, wechselte aber bald ans Wiener Konservatorium um dort Gesang und Schauspiel zu studieren. In den Jahren 1917 bis 1921 war Hartwig an verschiedenen Bühnen Österreichs tätig und gehörte in dieser Zeit auch dem Ensemble des Berliner Schillertheaters an. Mit 28 Jahren heiratete sie 1921 den jüdischen Rechtsanwalt Robert Spira. Noch im selben Jahr verließ sie die Bühne und lebte mit ihrem Ehemann in Gösting bei Graz. Dort begann sie mit ersten schriftstellerischen Arbeiten.
Mit der Erzählung "Das Versprechen" konnte sie 1927 als Schriftstellerin debütieren. Bei einem literarischen Wettbewerb der Zeitschrift Die literarische Welt wurde diese Erzählung prämiert und durch Vermittlung von Alfred Döblin und Stefan Zweig wurde ihre Novellensammlung Ekstasen veröffentlicht. 1929 erschien ihr Roman Das Weib ist ein Nichts, der einen wahren Skandal verursachte. Bereits ab 1933 werden ihre Werke (vorauseilend dem deutschen Markt zuliebe) vom Zsolnay-Verlag nicht mehr ausgeliefert, bis sie schließlich von der Reichsschrifttumskammer als "Wunsch- und Wahn-Erotika eines durch die Psychoanalyse verjauchten Gehirnes" endgültig verboten werden und dem Vergessen anheim fallen.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Dritte Reich 1938 emigrierte das Ehepaar Hartwig nach London, wo M. H. ihren Lebensunterhalt als Übersetzerin fand. Durch diese Arbeit lernte sie Virginia Woolf kennen, die ihr eine Anstellung als Sprachlehrerin vermittelte. In London wurde Hartwig auch Mitglied des deutschen P.E.N.-Clubs.
Sie stirbt am 24. April 1967 in London. Erst postum erlebte das literarische Werk Mela Hartwigs eine kleine Renaissance.
Werke online
Die Novellen von Mela Hartwig, einer Freud-Bewunderin aber auch Kritikerin, lesen sich wie Fallstudien der Psychoanalyse. Ihre unverblümte Prosa, die Themen der weiblichen Sexualität, Vergewaltigung, Vater-Tochter-Inzest, Abtreibung in einem exzessiven Sprachduktus darstellt, wird vom bürgerlichen Lesepublikum nicht verstanden und stößt auf Ablehnung, von der Literaturkritik (wie z.B. Alfred Döblin) wird sie gefeiert. In den "Aufzeichnungen einer Hässlichen" wird die Auseinandersetzung der Frau mit ihrem Körper und ihrem sexuellen Begehren, das auf männliche Ablehnung trifft, geschildert. Aufgrund der männlichen Verweigerung werden sexuelle Handlungen nicht vollzogen. Die Sublimation in erotischen Wünschen, Phantasien und Träumen, wird durch die subjektive Erzählhaltung jedoch sehr detailliert dargestellt. Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen.
Mit dem Roman "Das Weib ist ein Nichts" erregt M. H. neuerlich Aufsehen - auch durch die Bühnenbearbeitung und den Verkauf der Verfilmungsrechte, die aber niemals verwirklicht werden können. Der provokante Titel ist den Tagebüchern Friedrich Hebbels entnommen und scheint sich vordergründig gegen die "Neue Frau" der Zwanziger Jahre auszusprechen und die antifeministischen Theorien eines Otto Weiningers oder eines Paul Julius Möbius zu verinnerlichen. Die Romanheldin Bibiana geht durch die Hände verschiedener Männer, die ihr jedesmal eine vollständig andere Identität verleihen. Sie ist Muse eines armen Komponisten, Werkzeug eines Hochstaplers, Geliebte eines Kapitalisten und Gefährten eines Revolutionärs. Vorbild für M.H. könnte Lulu von Frank Wedekind gewesen sein, die sie als Schaupielerin verkörperte.
Weitere Werke
- Bin ich ein überflüssiger Mensch?. - Graz Droschl, 2001
- Inferno, 1948
- Spiegelungen. Gedichte. - Wien : Gurlitt, 1953 (Kleine Gurlitt-Reihe; 6)
Signatur: 807878-B.ALB.6
- Das Verbrechen. Novellen und Erzählungen. - Droschl, Graz 2004
- Der verlorene Traum, 1944
- Das Weib ist ein Nichts. Roman. -Graz : Droschl, 2002 (Nachdruck)
Signatur: 1656978-B
- Das Wunder von Ulm. Novelle. - Paris : Phénix, 1936
Weiterführende Literatur
- Fraisl, Bettina: Körper und Text : (De-)Konstruktionen von Weiblichkeit und Leiblichkeit bei Mela Hartwig. – Wien : Passagen-Verl., 2002
Signatur: 1477776-B.17 Neu Per
- Mela Hartwig - im Exil vergessen. In: Schönwiese Ernst, Literatur in Wien. – Wien : Amalthea-Verl., 1980
Signatur: 1175710-B
- Schreiner, Margit: "Ich will an die Liebe glauben" in: Lukacs (2003), 377, S. 45 – 56
Signatur: 1496749-B.Neu-Per.2003
- Fraisl, Bettina: Wer hat Angst vor Mela Hartwig? Stürmische Texte. Stürmische Reaktionen in: Schreibkraft 7 (2002), 37 – 40
- Wende, Petra Maria : Eine vergessene Grenzgängerin zwischen den Künsten. Mela Hartwig 1893 Wien – 1967 London. - Ariadne 31, 1997