[1/ S. 173:] Ernst Fischers Nachlaß ist zweigeteilt: 36 Mappen mit Gedichten, Zeitungsartikeln, Reden, Aufsätzen und Lebensdokumenten aus
dem Zeitraum von 1943 bis 1955 befinden sich am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien und sind über ein maschinschriftliches
Verzeichnis erschlossen. 1996 erwarb das ÖLA von Lou Fischer-Eisler, Ernst Fischers zweiter Frau, weitere 46 Ordner mit Korrespondenzen
und ca. 140 Mappen mit Manuskripten, Typoskripten, Zeitungsausschnitten und Lebensdokumenten. Der Nachlaß wird nun aufgearbeitet,
mit dem Ziel, möglichst umfangreiche Teile bereits zum Sommer 1998 zugänglich und benutzbar zu machen.
Teilweise decken sich die Materialien mit der von Karl-Markus Gauß und Ludwig Hartinger herausgegebenen Werkausgabe (Frankfurt
/ Main: Sendler; Vervuert 1984ff.). 13 Mappen enthalten zum Beispiel Typoskripte zum Themenkomplex Romantik, die teilweise
mit Fischers Abhandlung »Ursprung und Wesen der Romantik« identisch sind, außerdem eine frühe Fassung des Gesamttextes, die
handschriftliche Korrekturen enthält. Auch zu »Lob der Phantasie«, dem vierten Band der Werkausgabe, sind Typoskripte vorhanden.
Die im Nachlaß enthaltenen Aufsätze spiegeln die Vielfalt von Ernst Fischers Interessen. Es finden sich zahlreiche Essays
zu Literatur, Politik, marxistischer Ideologie und Ästhetik, Problemen der Jugend usw. Interessant sind auch seine Reden.
Fischer war Nationalratsabgeordneter, bis die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) 1959 ihre letzten Mandate verlor, und
galt als der beste Redner des Parlaments.
Der Nachlaß war bereits beim Ankauf vorgeordnet und enthält zahlreiche Konvolute zu politischen und kulturellen Themen, zum
Beispiel zum Ungarn-Aufstand 1956, zum Prager Frühling und dessen Niederschlagung, zur Kafka-Konferenz oder zu Fischers Auseinandersetzung
mit der kommunistischen Partei - im In- und Ausland: Er wurde in der DDR wegen diverser »nicht parteikonformer« Auffassungen
wiederholt hart angegriffen, und nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in die Tschechoslowakei und der Niederschlagung
des Prager Frühlings kam es auch zum Bruch mit der KPÖ.
Weiters finden sich Sammlungen von Rezensionen der Werke Ernst Fischers. Die Konvolute hat möglicherweise Fischer selbst zusammen
gestellt. Allerdings spricht vieles dafür, daß die Vorordnung von seiner Frau stammt, die ihn bei der Arbeit unterstützte
und vor allem organisatorische Aufgaben übernahm. Außerdem enthält der Nachlaß auch einige Materialien zu Lou Fischer, die
selbst journalistisch tätig war, vor allem Zeitungsartikel und Briefe.
[1/ S. 174:] Auch die Korrespondenzen Ernst und Lou Fischers waren vorgeordnet, aber Alphabetisierung und chronologische Reihung sind weder
zuverlässig noch detailliert. Eine besondere Schwierigkeit stellt die Identifizierung zahlreicher Briefe dar. Selten sind
Absender und Empfänger mit vollem Namen ausgewiesen (problematisch vor allen bei Briefen Dritter an Dritte), oft sind die
Briefe auch undatiert. Aber eine genauere Beschäftigung mit dem Material lohnt sich zumeist: Aus dem Inhalt der Korrespondenz
lassen sich in vielen Fällen betroffene Personen, und wenn auch keine genaue Datierung, so doch eine chronologische Abfolge
der Briefe ermitteln.
Ernst Fischers Briefwechsel mit Medien umfaßt etwa ein Drittel des Gesamtvolumens seiner Korrespondenz. Fast 200 verschiedene
Verlage, Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsender und Radiostationen aus aller Welt standen in Kontakt mit dem bedeutenden
Intellektuellen. Außerdem wurde Fischer von einer Reihe kultureller Institutionen und Universitäten wiederholt eingeladen,
Vorträge zu halten oder schriftlich zu den verschiedensten Themen aus Kultur und Politik Stellung zu nehmen.
Aber auch Fischers private Korrespondenz ist interessant und aufschlußreich. Zu seinen Briefpartnern zählen zahlreiche Intellektuelle
seiner Zeit, u. a. John Berger, Ernst Bloch, Franz Theodor Csokor, Tibor Déry, Erich Fried, Georg Lukács, Viktor Matejka,
Hilde Spiel und Arnold Zweig. Außerdem standen Ernst und Lou Fischer in engem Kontakt mit Hanns Eisler, Lous geschiedenem
Ehemann, und mit dessen Familie. Inhaltlich reicht das Spektrum von kurzen Geburtstagswünschen über Informationsaustausch
ausschließlich privater Natur bis hin zu komplexen Auseinandersetzungen mit Politik, Literatur und Philosophie.
Sabine E. Selzer
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