Stumme Stücke (1969-1991)

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1975 begann Peter Handke Notizen zu einer Fortsetzung des Mündel zu sammeln, einem weiteren stummen Stück, das er zu­erst Der Staat und der Tod und später Schulfrei nannte. Die Auf­zeichnungen bestehen aus Beobachtungen von Gesten, die un­terschiedliche Beziehungen und Machtverhältnisse zeigen; diese sollten allerdings »nicht vor- sondern nachsprachlich!!« sein. Handke notierte darin auch erste Skizzen zu den Figuren, zur Konstruktion oder zum Schauplatz. Er dachte daran, das stum­me Stück mit Formen des Volksstücks zu verbinden: als »Lust­spiel« oder »Posse mit Gesang«, in der dann »stumme Schlager« vorkommen. SCHULFREI oder: Der Staat und der Tod wurde von Handke nicht realisiert. Die Szenennotizen wurden aber 1975 in der Literaturzeitschrift manuskripte abgedruckt. Einige dieser Notizen nahm Handke auch in sein erstes Jour­nal Das Gewicht der Welt auf; es erschien 1977 im Residenz Ver­lag. Die Aufzeichnungen nehmen Szenen und Gesten vorweg, die man in späteren Stücken und Erzählungen Handkes immer wieder findet.

Die Idee eines stummen Stücks gab Handke nicht auf, die geeignete Form fand er sechzehn Jahre später mit Die Stunde da wir nichts voneinander wußten. Es ist sein erster mit Hand ge­schriebener Theatertext, entstanden in nur vierzehn Tagen, zwi­schen dem 24. Juli und 6. August 1991. Uraufgeführt wurde das Stück im Mai 1992 im Burgtheater Wien unter der Regie von Claus Peymann. Es stellt das »Kommen und Gehen« von Men­schen auf einem Platz mit den beim Betrachten geweckten Bil­dern dar – Mythen des Alltags und neu wirkenden Mythen der Menschheit. Die Aktionen sind in der Genauigkeit der darge­stellten Beobachtung weiterhin offen-gesellschaftskritisch, aber darüber hinaus empathisch-assoziativ. Das von Karl-Ernst Herr­mann gestaltete Plakat zur Uraufführung zeigt dementsprechend Handkes Wanderstock als Symbol für sein nun anders freies Un­terwegssein und Beobachten. (kp)

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