Genreübergreifendes Schreiben: Die linkshändige Frau (1976)

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Peter Handke charakterisiert sein form- und genreübergreifendes Erzählen humorvoll als »lyrische Epik mit dramatischen Wendungen«; Voraussetzung dafür ist ein zweckfreies und noch formungebundenes Wahrnehmen. Das Notizbuch mit dem Projekttitel »Die linkshändige Frau« belegt eine dafür wichtige Veränderung im Schreiben des Autors: den Übergang vom ausschließlich »projektdienlichen« Notieren (das die Wahrnehmungen direkt in das System der Erzählung übersetzt und hier bereits Figuren wie Bruno oder Marianne zuordnet) hin zum gelegentlichen Festhalten »nicht-projektdienlicher Bewußtseins-Ereignisse«. In den folgenden Notizbüchern wird daraus ein tägliches, spontanes Mitschreiben »zweckfreier Wahrnehmungen« (DGW 5). Die im Notizbuch für die Filmerzählung bestimmten Einträge versieht Handke nach ihrer Verwendung mit Häkchen (oder Strichen) – die »freien« Notate nimmt er dann in sein erstes Journal Das Gewicht der Welt (1977) auf.

Die erste vorhandene Textfassung der Linkshändigen Frau ist die im Winter 1976 in nur 17 Tagen getippte Filmerzählung, die Handke gleich im Anschluss in eine (reine) Erzählung umgearbeitet hat. Dabei strich er alle Regieanweisungen, setzte die gegenwärtige Handlung »in die Mitvergangenheit« und verlegte den Schauplatz (befreit von konkreten Ortshinweisen) von Frankfurt und später Wien in die »Nähe einer großen Stadt«. In seinem Essay Durch eine mythische Tür eintreten, wo jegliche Gesetze verschwunden sind (1977) rekapituliert Handke, wie das beim Verfassen des Filmbuchs erforderliche objektiv-beschreibende (und nicht gefühlsbetonte) Erzählen seine Poetik nachhaltig beeinflusst hat.

Das gedruckte Buch der Erzählung funktionierte Handke kurz nach seinem Erscheinen im Herbst 1976 wieder zum Drehbuch um: Er strich Textteile oder versah Szenen mit Kameraeinstellungen und Minutenzählungen. Der Film wurde im Frühjahr 1977 in Handkes damaligem »Vororthaus« in Clamart bei Paris unter seiner Regie gedreht. (kp)

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