Franz Michael Vierthaler: Der kleine Schreibschüler

Titelblatt

S. 57: Übungen

Ein Geschenk für Kinder, welche nicht bloß schön, sondern auch richtig zu schreiben wünschen. Zweyter Theil. Neueste Auflage. - Salzburg : bey Franz Xaver Duyle, 1799.

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 307.670-A.Alt-Mag

Der aus einfachen Verhältnissen stammende Oberösterreicher Franz Michael Vierthaler war ursprünglich als "Singknabe" nach Salzburg gekommen, hatte Philosophie und Recht studiert und sich als Lehrer am Virgilianischen Kollegium und der Pagerie der fürstlichen Edelknaben bewährt. Als die von Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo eingesetzte "Commission zur Berathung der Schulangelegenheiten" die Errichtung eines Lehrerseminars in Salzburg beschloß, fiel die Wahl für den Posten des Leiters auf Vierthaler.

Im November 1790 begann der Zweiunddreißigjährige seine Tätigkeit als Direktor des "Seminars zur Bildung von Lehrern für die Stadt- und Landschulen", der ersten Lehrerbildungsanstalt im deutschen Sprachraum. Ein Jahr dauerten die Kurse an diesem Seminar, in denen die Pädagogen durch Vorlesungen und praktische Lehrversuche geschult wurden. Schon 1791 wurde Vierthaler der erste Professor für Pädagogik an der Universität Salzburg, dann "Schulendirector" für das Land Salzburg, fürsterzbischöflicher Hofbibliothekar und Leiter der Salzburger Waisenhäuser. "Er sorgte ebenso für die körperliche Entwickelung der Waisenkinder, die bis dahin völlig vernachlässigt wurde, als für deren geistige Ausbildung, und die Folgen seiner Reformen traten alsbald so sichtlich zu Tage, daß die Bürger der Stadt und des Landes Salzburg das Mißtrauen, mit welchem sie bis dahin gegen die Waisenhäuser in Folge des beklagenswerten Zustandes derselben erfüllt waren, vollständig bezwangen. Kinder, welche von den Bürgern bisher aus dem Waisenhause mißtrauisch aufgenommen wurden, fanden nun leicht eine Zufluchtstätte in deren Werkstätten, ja ohne Widerstreben auch Aufnahme in Haus und Familie", beschreibt das Biographische Lexicon des Kaiserthums Oesterreich diesen Aspekt seiner Arbeit. 1806 kam Vierthaler nach Wien, um Bücher aus der gerade aufgeteilten erzbischöflichen Hofbibliothek - 1805 war das Kurfürstentum und frühere Fürsterzbistum erstmals zu Österreich gekommen - abzuliefern, und blieb: Als Direktor des Waisenhauses und k.k. Regierungsrat. Auch literarisch war der Vielseitige sehr produktiv: Ab 1800 als Redakteur und Herausgeber von gleich drei Salzburger Zeitungen, sein ganzes Leben lang als Autor von philosophischen und pädagogischen Schriften, von historischen Werken vor allem zur Geschichte Salzburgs und vielen Kinder- und Lehrbüchern. 1827 starb er in Wien.

Der vorliegende zweite Teil von Vierthalers Schreibschüler ist größtenteils in Schreibschrift gedruckt, um die Kinder mit diesem Schriftbild vertraut zu machen. Damit folgt der Autor jenen Prinzipien des Schreibunterrichts, die er in seinem Entwurf der Schulerziehungskunde (Salzburg 1794) formuliert: "Die Schreibschüler sollen schon Geschriebenes fertig lesen können; sonst artet der Unterricht in gedankenloses Geschäft aus, und eckelt [sic] die Kinder an. Anekeln soll aber der Schreibunterricht die Kinder nun schon gar nicht; denn er ist an sich eine angenehme Beschäftigung für dieselben." Mehr als die Schönheit der Schrift steht dabei die Leserlichkeit im Vordergrund, denn, so heißt es in der Einleitung zum Schreibschüler, "es gibt sogar Menschen, welche das, was sie geschrieben haben, oft selbst nicht mehr lesen können". Ausführlich werden Form und Gebrauch der Buchstaben, der Satzzeichen und Grundsätzliches zur Rechtschreibung und Lautlehre behandelt, den Abschluß des Büchleins bildet ein Kapitel über das Briefeschreiben.

Bild links unten:
Übungen zur Doppelkonsonanz aus Vierthalers Kleinem Schreibschüler.
In den Erläuterungen erwähnt der Autor, oft auch kritisch, vielfach zeitgenössische Orthographen, hier z. B. Johann Christoph Adelung.


last update 03.02.2016