Forschungslage

 

1. Die bibliotheksgeschichtliche Auseinandersetzung mit der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I., der späteren habsburgisch-lothringischen Familien-Fideikommissbibliothek, setzt in den 1890er Jahren ein und umfasst eine Reihe von Aufsätzen und kürzeren Beiträgen, die meist von Mitarbeitern oder Leitern der Sammlung stammen.[1] Die umfassendste Arbeit dieser Art, auf die bis in die jüngste Zeit gerne zurückgegriffen wurde, wurde 1935 von dem damaligen Vorstand Wilhelm Beetz verfasst.[2] Wenngleich dieses Werk nach damaligem Wissensstand alle relevanten Informationen zur Geschichte der Sammlung von den Anfängen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts enthält, verzichtet es wie die meisten anderen Schriften auf quellenkritische Nachweise.[3] Einige Belege aus dem Archiv der Fideikommissbibliothek, die den altbekannten, aber nie dezidiert nachgewiesenen „Fakten“ zugrunde liegen, bringt erst ein Artikel von Wilfried Slama aus dem Jahr 2010. Eine Beschreibung der Buchbestände in ihrer quantitaven Verteilung nach Sprachen und Disziplinen enthält der Artikel „Porträtsammlung und Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothk“ im „Handbuch der historischen Buchbestände“.[4]

 

2. Daneben existieren Publikationen zu Teilbeständen der Sammlung. Eine Gruppe von 187 Büchern, die in Bd. XII des Systematischen Kataloges unter dem Titel „Disciplina paedagogica“ verzeichnet werden, wurden von Johanna Monschein inhaltlich und bibliographisch ausführlich beschrieben und in ihrer Gesamtheit vor dem kulturgeschichtlichen Hintergrund der Kinder- und Jugendliteratur der Aufklärung gewürdigt.[5] Außerdem widmeten sich Forschungsprojekte zwei besonders herausragenden Grafiksammlungen der Fideikommissbibliothek. Ein vom FWF finanziertes Projekt bearbeitete zwischen 1996 und 1999 die für die Privatbibliothek von Kaiser Franz I. im Jahr 1828 erworbene Kunstsammlung des Schweizer Pastors und Physiognomen Johann Kaspar Lavater. Die Publikation der Projektergebnisse enthält unter anderem Beiträge zur Provenienzgeschichte, zur Zusammensetzung und zur Charakterisitk dieses Bestandes.[6] In den Jahren von 2006 bis 2009 wurde schließlich die von Kaiser Franz‘ I. angelegte und ihrem Umfang nach im deutschsprachigen Raum einzigarige Porträtsammlung digitalisiert und neu erschlossen. Die Abschlusspublikation des Projektes enthält neben Beiträgen zu den wichtigsten Bildniskategorien eine Darstellung zur Geschichte und historischen Ordnung dieser Sammlung.[7]


[1] Vgl. dazu die Rubrik Bibliographie: 2. Sekundärliteratur zur Fideikommissbibliothek

[2] Beetz, Wilhem: Die Porträtsammlung der Nationalbibliothek in ihrer Entwicklung. Graz 1935.

[3] Slama, Wilfried: Die Privatbibliothek des Kaisers Franz I. von Österreich. In: biblos. Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift 59 (2010), Heft 1. S. 19–36.

[4] Wieser, Walter: Porträtsammlung und Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. In: Lang, Helmut W. (Hrsg.): Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich. Band 1,1 (Wien 1), Hildesheim-Zürich-New York 1994. S. 150-155.

[5] Monschein, Johanna: Kinder- und Jugendbücher der Aufklärung: aus der Sammlung Kaiser Franz‘ I. von Österreich in der Fideikommissbibliothek an der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien-Salzburg 1994.

[6] Mraz, Gerda / Schögl, Uwe (Hrsg.): Das Kunstkabinett des Johann Caspar Lavater. Wien 1999.

[7] Petschar, Hans (Hrsg.): Die Porträtsammlung von Kaiser Franz I. Zur Geschichte einer historischen Bildersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien 2011.