Entstehungskontext

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Prometheus, gefesselt von Aischylos ist der erste Text, den Peter Handke aus dem Altgriechischen ins Deutsche verbracht hat und das erste Theaterstück, mit dem er sich im Zuge seiner Übersetzungstätigkeit beschäftigte. Insgesamt ist Aischylos' Tragödie die dreizehnte Übersetzung Peter Handkes.

Vorgeschichte

Die Übersetzung entstand 1985. Peter Handke lebte zu dieser Zeit mit seiner Tochter Amina in Salzburg in einem Haus am Mönchsberg, dem Kupelwieserschlössl. Sein unmittelbarer Nachbar und Vermieter war Hans Widrich, der zu dieser Zeit Pressechef der Salzburger Festspiele war. Die beiden kannten sich seit Jugendjahren, da sie gemeinsam das Gymnasium Tanzenberg besucht hatten, wo Handke auch seine Altgriechischkentnisse erworben hatte. In einem gemeinsamen Gespräch erzählte Handke laut Widrich, dass er Aischylos' Prometheia gerne ins Deutsche verbringen würde, woraufhin sich Widrich bei den Salzburger Festspielen für die dortige Uraufführung der Übersetzung einsetzte. Für das »Einleiten« dieser Angelegenheit bedanke sich Handke schon am 1. April 1985 in einem Brief bei Widrich (vgl. ÖLA SPH/LW/W156/3). Am 8. Juli fand ein Gespräch mit Albert Moser, dem damaligen Präsidenten der Festspiele, statt, im Rahmen dessen der Zeitpunkt der Übergabe des übersetzten Textes und das dafür fällige Honorar vereinbart wurden. In einem Brief vom Folgetag wurden die getroffenen Abmachungen festgehalten (vgl. ÖLA SPH/LW/W156/4).

Vorarbeiten

Wie lange Handke sich mit Vorarbeiten wie dem Eintragen deutscher Begriffe in sein altgriechisches Übersetzungsexemplar (eine Ausgabe der Prometheia aus dem Jahr 1953, erschienen bei F. H. Kerle) beschäftigt hatte, ist nicht rekonstruierbar; da Handke aber von Schreibbeginn bis Fertigstellung (beinahe) täglich am ersten Manuskript von Prometheus, gefesselt schrieb, ist davon auszugehen, dass er das Buch bereits zuvor durchgearbeitet hatte. Das suggerieren auch Notate zu Prometheus, die Handke in einem seiner Notizbücher ab 26. Juni 1985 eingetragen hat (vgl. ÖLA SPH/LW/W110). In jedem Fall begann Handke am 12. Juli, vier Tage nach dem Treffen mit Moser, die Niederschrift der ersten Textfassung. Er benutzte für diese Arbeit ein Wörterbuch, dass er sich von Gusti Kupelwieser, der Schwiegermutter Hans Widrichs, ausgeborgt hatte. Dafür dankte er ihr in einer kleinen Notiz, die darauf hinweisen könnte, dass Handke aufgrund der vielen Übersetzungen, die er in dieser Zeit verfasste, sehr routiniert war und für seinen Prometheus nicht allzu viel Zeit veranschlagte: »Sie bekommen es bald zurück.« (ÖLA SPH/LW/W156/5)

Erste Textfassung

Nachdem Handke die Niederschrift der Übersetzung am 12. Juli begonnen hatte, unterbrach er sie für keinen einzigen Tag, bis er am 1. August eine Reise nach Griechenland antrat und wohl aus diesem Grund nicht an seinem Manuskript weiterschrieb. Bis zu seiner Abreise konnte er bereits 30 Seiten des Manuskripts fertigstellen und schrieb am 26. Juli an seinen Verleger Siegfried Unseld: »die Arbeit am "Prometheus" (ΠΡΟΜΗΘΕΥΣ ΔΕΣΜωΤΗ = gefesselt) geht gut voran; sie ist schön mühevoll, wie eine rechte Arbeit. [...] Anfang September hoffe ich, fertig zu sein [...]. Laß uns den Text irgendwann im späten Frühjahr vielleicht publizieren?« (Handke / Unseld 2012, S. 492) Am 2. August setzte er die Arbeit auf »Rhodos« (ÖLA SPH/LW/W153, Bl. 30) fort und schrieb in der Folge während seiner Reise durch Griechenland und die Türkei täglich weiter. Auch seine Reisestationen bzw. Schreiborte hat er im Manuskript festgehalten: Sein Weg führte ihn über »Marmaris« (Bl. 31) an die »türkische Küste,« in »die Bucht mit der Lagune« (Bl. 32). Er hielt sich dann »In der Zikadenbucht nach Kaunos« (Bl. 32) auf und daraufhin »in der Bucht der byzantinischen Ruinen« (Bl. 34). Danach erreichte er die »Bucht v. Fethiye« (Bl. 35) und verbrachte Zeit »in der Bucht von Ölü Deniz [sic]« (Bl. 37), bevor er »nach Letoon u. Xanthos« (Bl. 38) reiste. Nach einem »Abend im Dorf {Ügürük} m. d. morgenländischen Kai« kam er nach »Kale, Bucht v. Kerkova« (Bl. 38), sah die »Bucht bei Ko{le}le« (Bl. 39), das »Taurus-Gebirge« und »Kemer« (Bl. 40) und erreichte schließlich am 12. August seinen letzten Aufenthaltsort »Antalya« (Bl. 41). Auch in diesem Zeitraum hatte Handke täglich geschrieben, in Antalya unterbrach er die Arbeit erneut und setzte sie am 16. August, zurück »in Salzburg« (Bl. 41), fort. Bis zum Abschluss des Manuskripts am 24. August schrieb er weiterhin jeden Tag daran. Im zuvor erwähnten Notizbuch finden sich in der gesamten Zeit der Niederschrift immer wieder Einträge zu Prometheus, wobei Handke es wohl nicht mit auf seine Reise nahm, da er es in den zwei Wochen, die sie gedauert hat, nicht benutzte. Die handschriftliche erste Fassung der »Anmerkung«, die Handke seiner Übersetzung beistellte, entstand im Laufe des Septembers 1985.

Weitere Textfassungen

Die zweite Textfassung von Prometheus, gefesselt ist ein Typoskript, das Peter Handke selbst anfertigte. Er überarbeitete die Übersetzung beim Abtippen nochmals gründlich; die Eingriffe, die er vornahm, betreffen seltener Satzbau und Wortstellung, wesentlicher und enorm zahlreich sind Korrekturen, im Zuge derer die Wortwahl verändert wurde. Da das Typoskript nicht datiert ist, lässt sich die Zeit seiner Entstehung nur ermitteln; es ist anzunehmen, dass Handke es im September und Oktober 1985 tippte, da er mit den Salzburger Festspielen die Übermittlung des übersetzten Texts bis Ende Oktober vereinbart hatte (vgl. ÖLA SPH/LW/W156/4). Der Zeitraum kann noch etwas weiter eingegrenzt werden: Da Handke die Niederschrift der ersten Textfassung von Die Wiederholung am 21. Oktober 1985 begann, ist sehr wahrscheinlich, dass die Arbeit an der Reinschrift von Prometheus vor diesem Datum abgeschlossen war.

Handke legte Wert darauf, dass seine erste Übersetzung eines klassischen Texts vor der Publikation von einer Fachperson überprüft wurde. Am 20. November 1985 schrieb er an Alfred Kolleritsch: »Lieber Alfred, ob es denkbar ist, Deinem Freund, dem Altphilologen auf der Kawasaki (?), eine Übersetzung des Prometheus (meine) zu schicken?« (Handke/Kolleritsch 2008, S. 151) Kolleritsch vermittelte daraufhin den Kontakt zu Franz Schwarz, einem Altphilologen an der Universität Graz, der »meinte, daß er bis mitte jänner alles sorgfältig durchschauen könnte.« (ebd.) Ob Handke von Schwarz die gewünschte Rückmeldung erhielt, ist unklar, denn im März 1986 beschwerte er sich bei Kolleritsch: »Warum meldet der Herr Philologe sich nicht? (Saukerl)« (ebd., S. 155)

Parallel dazu wurde im Suhrkamp Verlag bereits die Arbeit an der Herstellung des Buches begonnen. Eine Typoskriptkopie (vermutlich eine Kopie dieser zweiten Textfassung) befindet sich im Archiv des Suhrkamp Verlags und enthält Anmerkungen von Handkes Lektor Raimund Fellinger und der Herstellungsabteilung des Suhrkamp Verlags; es ist daher davon auszugehen, dass diese Kopie als Satzvorlage diente. Auch sie ist nicht datiert, muss aber spätestens Anfang Februar 1986 entstanden sein. Am 7. März schieb Siegfried Unseld an Handke: »dein Manuskript [von Die Wiederholung] ist auch jetzt [...] nicht da, dafür aber ein erstes Exemplar des Aischylos. Ich hoffe, dir gefällt die Gewandung«, worauf der Autor am 12. März antwortete: »Der "Prometheus" ist ein wunderschönes Buch, über das ich kindlich stolz zu sein mir erlaube.« (Handke / Unseld 2012, S. 497f.) Am 17. März 1986 erschien der Text im Suhrkamp Verlag.

Werkkontext

Während Peter Handke an Prometheus, gefesselt arbeitete, war er schon seit längerer Zeit mit intensiven Vorarbeiten zur Wiederholung beschäftigt. Das früher erwähnte Notizbuch mit Notaten zur Übersetzung (ÖLA SPH/LW/W110) besteht hauptsächlich aus Notizen zu »slowenische[n] Wortgeschichten«, wie Handke ein anderes Notizbuch mit Vorarbeiten zur Wiederholung betitelte (vgl. ÖLA SPH/LW/W109). Die Niederschrift dieses lange geplanten Projekts begann vermutlich unmittelbar im Anschluss an die Arbeit an der Reinschrift von Prometheus. In den vorangegangenen Jahren hatte Handke zahlreiche Texte aus dem Französischen, Englischen und Slowenischen übersetzt, zuletzt Patrick Modianos Roman Eine Jugend, dessen deutsche Fassung im September 1985 erschien. Obwohl Aischylos' Drama Handkes erste Übersetzung aus dem Altgriechischen war, zeigen auch frühere Werke seine intensive Beschäftigung mit antiken Texten und Formen, etwa sein 1981 erschienenes »dramatisches Gedicht« Über die Dörfer (vgl. Panagl 2006, S. 38). Nach Prometheus, gefesselt setzte, was das Altgriechische betrifft, eine lange Pause ein, bevor sich Handke fast 30 Jahre später daran machte, Sophokles' Ödipus in Kolonos (2003) zu übersetzen. 2010 erschien mit Helena schließlich ein von Handke übersetztes Werk von Euripides.

Uraufführung

Die Uraufführung von Prometheus, gefesselt fand am 10. August 1986 im Rahmen der Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule statt, wo vier Jahre zuvor schon Handkes Stück Über die Dörfer erstmals Premiere gefeiert hatte. Die Regie der Aischylos-Übersetzung hatte Klaus Michael Grüber inne, die Titelrolle spielte Bruno Ganz, in weiteren Rollen waren u.a. Peter Simonischek und Udo Samel zu sehen. (Vanessa Hannesschläger)

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