Antisemitische Propaganda 1848

Der wahnsinnige Jude. - [Wien] : Gedruckt bei Josef Ludwig, [s.a. 1848]

Österreichische Nationalbibliothek, Sign.: 308.275-B.Alt-Mag

Detailinformation

Durch das Toleranzpatent Josephs II. hatte sich die Situation der Juden in Österreich entschieden verbessert: Die Ghettos waren aufgelöst, die Leibmaut abgeschafft, und ihnen war die Gewerbefreiheit zugestanden worden (wenn sie auch bei christlichen Meistern in die Lehre gehen und auf das Meisterrecht verzichten mussten). Die Bürgerrechte blieben ihnen aber weiterhin vorenthalten. Die Regierung Metternich, übrigens vom reichen jüdischen Großbürgertum finanziell unterstützt, schränkte die unter Joseph garantierten Rechte für die Masse der jüdischen Bevölkerung wieder ein (wie auch in anderen europäischen Staaten bereits erzielte Verbesserungen wieder zurückgenommen wurden).

Die allgemeine bürgerliche Revolution schien daher der beste Weg auch zur bürgerlichen Gleichberechtigung der Juden zu sein. Besonders in Wien engagierten sich jüdische Intellektuelle wie die beiden Ärzte Adolf Fischhof und Josef Goldmark in der Märzrevolte von 1848. Während die einen diese Mitstreiter in der Akademischen Legion und der Nationalgarde begrüßten, nutzen andere die Gelegenheit für antisemitische Propaganda. So auch der anonyme Autor des Gedichts „Der wahnsinnige Jude“ (er unterzeichnet mit "Stanzl"), der auf wienerische Volkstümlichkeit in Sprache und Stil setzt und auf die Gefahr jüdischer Zuwanderung verweist – bisher war vor allem ärmeren Juden aus anderen Teilen der Monarchie die Ansiedlung in der Hauptstadt von den Behörden meist verwehrt worden. Den weiteren Vorwurf, die Juden in der Nationalgarde würden Wien zwar schützen, aber nur „weil si [sic] sind drin“, mag schon seinerzeit so mancher Leser mit einem typisch wienerischen „no na“ kommentiert haben.


last update 02.01.2016