[2/ S. 258:] Die »Kommission für Nachlaßbearbeitung« innerhalb der »Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare« (VÖB)
wurde am 23. Oktober 1997 in Salzburg gegründet. Die Teilnehmer der konstituierenden Sitzung bestimmten den Berichterstatter
zum Vorsitzenden, der stellvertretende Vorsitz wurde Gerhard Renner (Wiener Stadt- und Landesbibliothek) übertragen. Der Kommission
gehören darüber hinaus zum gegenwärtigen Zeitpunkt an: Thomas Binder (Forschungsstelle und Dokumentationszentrum für österreichische
Philosophie, Graz), Thomas Csanády (Universitätsbibliothek der Universität Graz), Johann Lachinger (Adalbert-Stifter-Institut
des Landes Oberösterreich, Linz), Walter Methlagl (Forschungsinstitut Brenner-Archiv, Innsbruck), Arno Rußegger (Robert-Musil-Institut
für Literaturforschung, Klagenfurt) und Harald Weigel (Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz).
Der folgende Tätigkeitsbericht faßt im wesentlichen die Ausführungen über die Kommissionsarbeit zusammen, die seit 1997 in
den »Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen & Bibliothekare« publiziert worden sind. In bezug auf
Details sei generell auf diese Veröffentlichungen verwiesen.
In einem ersten Arbeitsgang wurden in Salzburg das vom DFG-Unterausschuß für Nachlaßerschließung 1996 verabschiedete Regelwerk
»RNA« diskutiert (Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen. RNA. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1997
[= Schriften der Deutschen Forschungsgemeinschaft]). Die Kommission einigte sich, trotz Feststellung marginaler Schwachstellen,
die Anwendung der vorbildhaft praxisorientierten RNA in österreichischen Literaturarchiven und ähnlich gelagerten Institutionen
zu empfehlen. Eine weitere Empfehlung galt der auf allegro-C basierenden Datenbank HANS, die die Kategorien der RNA umsetzt.
Dieses System sollte bei den bisher noch nicht mit EDV operierenden Institutionen zumindest solange als EDV-Übergangsmodell
für die Erschließung von Nachlässen und Autographen eingesetzt werden, bis weitere Datenbanken und die Möglichkeiten eines
(freilich nicht allen erlaubten) Einstiegs in den vor der Veränderung stehenden Verbund der wissenschaftlichen Bibliotheken
Österreichs überprüft worden sind. Für Institutionen, die keine Möglichkeit zum Einsatz einer Datenbank haben, wurden für
die Erfassung von Nachlaßmaterialien als äußerste Notlösung Dateien in gängigen Textverarbeitungsprogrammen vorgeschlagen,
wobei den einzelnen Einträgen die von den RNA festgelegten Kategorien normativ vorangestellt werden sollen (vgl. VÖB-Mitteilungen
50/1997, H. 3/4, S. 18f.). Die Empfehlung der HANS-Datenbank, die mittlerweile über das World Wide Web präsentiert werden
kann, ist bis dato nicht aufgehoben und bezieht sich vor allem auf die Institutionen, die keinen Zugang zum Verbundsystem
Aleph 500 haben, wobei immer noch unklar ist, inwieweit Aleph für die Aufnahme von Nachlaßmaterialien überhaupt geeignet ist.
Dieser Sachverhalt wird voraussichtlich im Sommer 1999 an der ÖNB geprüft werden.
Auf ihrer Sitzung am 22. April 1998 am Brenner-Archiv in Innsbruck debattierte die VÖB-Kommission das Thema ›Nachlaßbibliotheken‹.
Die daraus resultierende Empfehlung besagt, daß Institutionen, die Nachlässe von Schriftstellern, Wissenschaftlern usw. erwerben
und verwalten, prinzipiell darauf achten sollten, auch die Bibliothek des Nachlassers zu erwerben und zumindest deren wissenschaftlich
relevante Bestandteile aufzuarbeiten. Eine Nachlaßbibliothek sollte nach Möglichkeit zusammengehalten und als eigene Einheit
aufgestellt werden. Jeder Eingriff in den ursprünglichen Bestand einer Nachlaßbibliothek setzt dessen genaue ›Verzeichnung‹,
d. h. eine (systematische und der Forschung zugängliche) Auflistung der vorgefundenen Titel, voraus. Der erhaltene Bestand
einer Nachlaßbibliothek sollte unabhängig von seiner gesonderten Aufstellung en détail im »Gesamtkatalog« der betreffenden
Institution angezeigt werden. Bei Büchern mit handschriftlichen Einträgen kann in Betracht gezogen werden, sie doppelt aufzunehmen,
im »Bibliothekskatalog« und im Katalog bzw. in der Datei der Autographen (dort mit Schwergewicht auf den Autographen). Inwieweit
Titel aus Nachlaßbibliotheken »verkürzt« aufgenommen werden können, hängt von der Absprache mit den jeweiligen Datenbankbetreuern
ab (vgl. VÖB-Mitteilungen 51/1998, H. 2, S. 26-28).
Die nächste Sitzung soll im April 1999 am Stifter-Institut in Linz stattfinden. Diesbezüglich sei hier das dem VÖB-Präsidium
Ende 1998 gemeldete Papier »Aufgaben und Ziele, 1999« zitiert, das auch noch einmal den weiteren Rahmen der Komissionsarbeit
absteckt:
[2/ S. 260:] Hauptaufgaben der Kommission ›Nachlaßbearbeitung‹ sind die Standardisierung der Autographen- und Nachlaßerschließung in Österreich
sowie Klärung damit verbundener Praxisprobleme, auch im Bereich der Erwerbung und Benutzung. Die Kommission steht dabei in
engem Kontakt und Austausch mit den Gesprächspartnern, die sich auf den regelmäßigen Treffen der österreichischen Literaturarchive
zusammenfinden, und mit dem am Österreichischen Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek verankerten Projekt
›Vernetzung österreichischer Literaturarchive‹ (vgl. den Bericht von Andreas Brandtner im vorliegenden Band).
Die Kommission ›Nachlaßbearbeitung‹ plant, im Frühjahr 1999 einen Beschluß über die Empfehlung von ›Richtlinien‹ zu Archivverträgen
in bezug auf Leihgaben, Schenkungen und Erwerbungen zu fassen. Darüber hinaus sollen (im informellen Austausch mit dem Unterausschuß
›Nachlaßerschließung‹ der Deutschen Forschungsgemeinschaft) Detailprobleme erörtert werden, die sich aus der empfohlenen Anwendung
der RNA und der damit zusammenhängenden EDV-Katalogisierung von Archivbeständen ergeben. Geprüft werden soll zudem die Frage,
inwieweit mit den vorhandenen RNA-Kategorien auch ›nicht-literarische‹ Nachlässe erfaßt werden können. Nach wie vor angestrebt
sind Stellungnahmen zu ›Copyright‹-Fragen im Rahmen von Nachlaß-Bearbeitung und -Benutzung, was jedoch weiterhin maßgeblich
von der Entwicklung der Rechtslage innerhalb der Europäischen Union abhängig sein wird.
Volker Kaukoreit
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