Cod. 791 (Rec. 3318)

Theologische Sammelhandschrift

Niederrhein, 1. Viertel 12. Jhdt.

Pergament. 117 Blätter. 23,5 x 18 cm. Kustoden: römische Zahlen unter einem Winkel am Lagenanfang.

Einband: Mondseer Einband des 15. Jahrhunderts: Braun gefärbtes (?) weißes Leder über Holzdeckeln mit Streicheisenlinien, ehemals eine Schließe, die in ein Loch im VD einhakte; Spuren von jeweils fünf Beschlägen an VD und HD; am HD oben fehlt ein Beschlag für einen Haken oder eine Kette. Am VD Titelschild des 16. Jhdts., unten Signaturschild mit der Nr. '1771'. Der Rücken ist - für Mondsee typisch - mit weißem Papier überklebt, darauf oben die Aufschrift 'S. Ambrosii de officiis B.' (17. Jhdt.), darunter Papierschild mit der Nr. '8.', ganz unten die Recentessignatur '3318' der Hofbibliothek. Am VD innen Fragmente eines Psalters (vgl. Pfaff, Nr. 20).

Provenienz: Die Handschrift ist durch einen nachgetragenen Epitaph (fol. 117v) auf den 1145 verstorbenen Mondseer Abt Konrad im 3. Viertel des 12. Jahrhunderts in Mondsee nachweisbar; dieser Nachtrag erfolgte nach Pfaff aber nicht unmittelbar nach dem Tod Konrads, sondern etwas später. Fol. 1r oben Mondseer Besitzvermerk (15. Jhdt.); später im Mondseer Katalog aus dem Jahr 1749 von B. Lidl, Mantissa chronici Lunaelacensis II, Monachii-Pedeponti, auf S. 357 bzw. 399 verzeichnet. Nach der Aufhebung des Klosters 1791 wurde sie in der Hofbibliothek unter 'Lunael. q. 8' und 'Rec. 3318' einsigniert.

Inhalt: Ambrosius, De officiis (f.1v-108v) - Neumierte Sequenz 'Fulgens praeclara rutilans ...' (fol. 19r) - Martinus Braccarensis, De virtutibus quattuor (f. 109v-115v) - Leoninische Verse 'Flos campi patitur leo vincit ...' - Versus cuiusdam sapientis de evangelica lectione Luc. 14/16 (fol. 115v-116v) - Sententiae abbatum SS. Moysis et Antonii (f. 116v-117r) - Gebet an Maria fol. 117r) - Hildebertus Cenomannensis, De hermaphrodito (PL 171,1446), bei Pfaff Matthaeus Vindocinensis zugeschrieben (fol. 117r) - 12 Verse 'Cesserat antiochi ...' - Epitaph für Abt Konrad (gest. 1145) (f. 117v).

Buchschmuck: Rote Überschriften; vereinzelt rote, ein- bis vierzeilige Majuskeln. Zwei ganzseitige Federzeichnungen in Rot, Lila und Sepiabraun: Maiestas Domini mit dem in der Mandorla thronenden Christus, umgeben von den vier Evangelistensymbolen (fol. 1r) und Bischof Martin übergibt König Miro sein Werk 'De virtutibus quattuor' (fol. 109v).

Stil und Einordnung: Die Handschrift wurde seit G. Swarzenski in der kunsthistorischen Literatur entweder mit der Salzburger oder mit der Mondseer Buchmalerei in Verbindung gebracht (zusammenfassend zuletzt Telesko). Pfaff hat aus paläographischen Gründen die Entstehung in Mondsee ausgeschlossen und dafür Salzburg oder Regensburg vermutet. Der Stil der von einer Hand stammenden Federzeichnungen weist aber eindeutig auf das Rheinland: Die weitgehend auf die Umrißzeichnung reduzierte Wiedergabe der Figuren und die mit feinen Doppellinien dargestellten schmalen Faltenwülste finden sich gut vergleichbar auf dem Vorderdeckel des Liber aureus der Stadtbibliothek Trier (Cod. 1709) wieder, der um 1101/06 am Niederrhein entstanden ist (vgl. H. Schnitzler, Rheinische Schatzkammer, Die Romanik, Düsseldorf 1959, Nr. 5, Abb. 15). Dementsprechend ist auch für Cod. 791 eine Entstehung im Rheinland - dem Stil nach im 1. Viertel des 12. Jahrhunderts - anzunehmen (Pfaff ordnet die Handschrift aufgrund der Schrift dem 2. Viertel zu).


Cod. 791, fol. 9v

Vgl. Trier, Stadtbibliothek, Cod. 1709, VD (Ausschnitt)


Literatur: G. Swarzenski, Die Salzburger Malerei von den ersten Anfängen bis zur Blütezeit des romanischen Stils, Text-und Tafelbd., Stuttgart 1913 (2. Aufl. 1969), 47 - Hermann, Handschriften, 1926, Nr. 88, Taf. XVII u. XVIII - Pfaff, Mondsee, 1967, 37f., 82, 92f. (Nr. 19) - Holter, Mondsee, 1981, 195, 455 (Nr. 11.19) - Telesko, Buchmalerei, 1998, Nr. 253.

(FS)



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