Die Bibliographie ersetzt das entsprechende zweibändige, 1982 und 1987 bei Francke (Bern, München) erschienene Nachschlagewerk
derselben beiden Bearbeiter: Franz Kafkas Werke. Eine Bibliographie der Primärliteratur (1908–1980) sowie: Franz Kafka. Eine
kommentierte Bibliographie der Sekundärliteratur (1955–1980, mit einem Nachtrag 1985).
In der vorliegenden Neuausgabe wurde der erste Band übernommen und in einer eigenen Abteilung um die von 1981 bis 1997 erschienene
Primärliteratur (quantitativ ausgedrückt: um mehr als 150%) erweitert. Der zweite, der Sekundärliteratur gewidmete Teil ist
nun auf zwei, allerdings durchpaginierte Bände mit mehr als 1.100 Seiten verteilt. Dabei ist der erste, die Forschungsliteratur
bis 1980 verzeichnende Teilband bis auf die Addenda wiederum identisch mit dem entsprechenden Teil des ursprünglichen Werkes,
der Folgeband mit Forschungsliteratur von 1981 bis 1997 ist naturgemäß neubearbeitet.
Der Rezensent findet gleich beim ersten Check – man möge ihm diese kleine Eitelkeit nachsehen – seinen Namen falsch verzeichnet.
Eine Ausnahme allerdings und quantité negligeable angesichts der Bedeutungslosigkeit des angezeigten Titels, einer Diplomarbeit,
vor allem aber angesichts des vorliegenden Gesamtwerks, das gewiß auch zu einem guten Teil Lebenswerk der beiden Herausgeber
ist.
Schon beim Erscheinen der älteren Bibliographie lobte die Kritik am Sekundärband die »unentbehrliche Kärrnerarbeit« und ganz
besonders die Kommentare, die »nicht vorwiegend als kritische Würdigungen gedacht [seien], sondern als möglichst genaue Inhaltsangaben,
die den Leser vor allem darüber informieren sollen, welche Einzelaspekte oder Werke die jeweilige Untersuchung zum Gegenstand
hat« (Hartmut Binder: Überall Kafka. Die erste kommentierte Bibliographie zur Forschungsliteratur. In: Neue Züricher Zeitung,
15. Januar 1988, Fernausgabe Nr. 10, S. 43).
Die kommentierte Bibliographie zur Sekundärliteratur ist nun – etwas anders als im Vorwort angekündigt – folgendermaßen aufgebaut:
Der Kommentar zu einer breiten Auswahl von selbständigen Publikationen und Sammelbänden, von Beiträgen in Zeitschriften sowie
zu Hochschulschriften aus der Zeit vor 1980 – nach diesem Berichtzeitraum ausschließlich nur mehr zu Buchpublikationen – ist
auf deutsch abgefaßt. Weiters findet er sich in einer eingeschränkten Auswahl und oft zudem noch in einer abgekürzten Version
auch auf Englisch, woran mehrere Übersetzer mitgewirkt haben. Diese Zweisprachigkeit, die sich auch in den einleitenden Teilen
sowie im Inhaltsverzeichnis findet, macht das Nachschlagewerk in der neuen Auflage zu einer »internationalen« Bibliographie,
wie es ausdrücklich im Untertitel der Neuausgabe heißt.
Allerdings benötigt der sich auf Englisch orientierende Leser eine gewisse »Sprungtechnik«: Findet er einen kommentierten
Nachweis, so muß er, um die englische Übersetzung des Kommentars zu bekommen, in die Abteilung »Englische Übersetzungen der
Buchkommentare« am Ende des zweiten Teilbandes springen. Der umgekehrte Sprung gestaltet sich weitaus schwieriger: Vom englischen
Kommentar ausgehend den genauen Nachweis im deutschsprachigen Teil zu finden, ist praktisch nur über das Register möglich,
was mit der Gesamtanlage der Bibliographie zusammenhängt. Ohne Benutzung des Registers nämlich müßte mit Hilfe des Inhaltsverzeichnisses
ermittelt werden, in welcher der fünf Unterabteilungen der vollständige Nachweis jeweils zu suchen ist. Das buchgraphische
Mittel der Kopf- bzw. Fußzeile hätte dem Benutzer überhaupt leicht Orientierung bieten können, in welcher Abteilung er sich
jeweils gerade befindet. Aber auch die Indexsuche führt lediglich zu Seitenangaben, zielführender wäre eine Durchnumerierung
sämtlicher bibliographischer Einträge mit der Möglichkeit genauer Verweisungen gewesen, wie in anderen Bibliographien häufig
praktiziert.
Der Anspruch der Bearbeiter, mit der vorliegenden zweiten Auflage erstmals eine explizit »internationale« Kafka-Bibliographie
vorzulegen, dokumentiert weniger eine veränderte Stellung des Prager Schriftstellers im öffentlichen Kanon, wo er schon seit
langem als »Ikone der Weltliteratur« (so die Einleitung zur Neuausgabe) betrachtet werden kann, als vielmehr eine gewisse
Neupositionierung im Kreis der »Schriftgelehrten«. Konnte nämlich die erste Ausgabe noch davon ausgehen, daß der Benutzer
einer solchen Bibliographie eo ipso der deutschen Sprache mächtig sein muß, so stellt die neue Auflage Kafka (auch) in eine
weitgehend angelsächsisch »globalisierte« Forschungsgemeinschaft. Tempora mutantur ...
Und noch einmal tempora mutantur: Die Form dieser kostspieligen Neuerscheinung mutet in veränderter Forschungslandschaft wie
die eines Dinosauriers an. Es fehlt, beigefügt oder zumindest separat erhältlich, eine CD-ROM-Version, die – muß es noch gesagt
werden? – gerade bei einem solchen bibliographischen Unternehmen heute niemand mehr missen möchte.
Wilhelm W. Hemecker
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