|
|
Neuerwerbungen
Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken
|
Zum Nutzen der armen Kinder
Parhamer, Ignaz: Vollkommener Bericht von der Beschaffenheit des Waisenhauses Unser lieben Frau auf dem Rennwege Zu Wien
in Oesterreich. Mit Erlaubniß der löbl. k. k. Büchercensur zum Viertenmal herausgegeben, und Den Stiftern und Gutthätern
zur schuldigen Dankbarkeit ausgetheilet. [4. Aufl.] - [Wien] : Gedruckt bey Joseph Gerold, 1776. - 175 S., [2] Bl.
|
|
Objektbeschreibung:
Titelblatt
Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Sign.: 304.215-A.Alt |
Detailinformation
Seit 1742 bestand auf dem Rennweg ein Waisenhaus, das der Fabrikant Johann Michael Kienmayer neben seiner Spinnfabrik
eingerichtet hatte - auf Bitten seines Freundes, des späteren Weihbischofs Franz Anton Marxer, der 20 arme Waisenmädchen
aus dem Arbeitshaus in der Leopoldstadt geholt hatte. Das Waisenhaus beherbergte immer mehr Kinder, so daß Kaiserin Maria
Theresia 1762 Kienmayer den gesamten Besitz abkaufte und ihn dem Waisenhaus schenkte. 1768 wurde die Kirche "Mariae Geburt"
eingesegnet, und bei der Einweihungsfeier dirigierte passenderweise ein Kind die Messe - aus gutem Grund, immerhin war der
12jährige Mozart ja auch der Komponist der "Waisenhausmesse".
Besonderes Gewicht wurde natürlich der religiösen Erziehung beigemessen; Leiter
der Anstalt war seit 1759 der Priester und bekannte Volksmissionar Ignaz Parhamer,
der das Haus offenbar zur größten Zufriedenheit der Obrigkeit, aber mit mehr
Strenge
als Milde führte. Zwar gewinnt man beim Lesen von Parhamers Bericht den Eindruck,
daß die Kinder in vieler Hinsicht eine gute
Ausbildung erfuhren, wobei die musikalische Erziehung mit Chorgesang und Instrumentalmusik
dem Leiter besonders am Herzen lag.
Doch die "Rekreation", die für die Zeit nach dem Essen vorgesehen war, erlaubte
wohl wenig unbeschwertes Herumtollen: Ein Teil
dieser Zeit wurde für Exerzieren (!) aufgewendet, denn Parhamer liebte es, bei
offiziellen Anlässen eine disziplinierte
"Kinderarmee" anzuführen, was ihm den Spitznamen "Kindergeneral" einbrachte.
Mußten die Knaben einmal nicht exerzieren oder
marschieren, denn "zu Zeiten können sie auseinander gelassen werden" (!), waren
ihre Vergnügungen sehr eingeschränkt.
Auf die
Freistunden der Mädchen wird gar nicht eingegangen.
Die erste Auflage von Parhamers Bericht erschien 1760. In der 4. Auflage - inzwischen war die Zahl der Zöglinge von 350 auf
767 angewachsen - betont der Autor, daß die Schrift zur Information der Förderer des Hauses, aber auch zur Rechtfertigung
gegenüber Kritikern der Einrichtung dienen sollte.
Parhamer, dessen "Katechismus für drei Schulen und mit gewöhnlichen Gesängen" als
Schulkatechismus in Österreich und Ungarn
noch lange in Gebrauch blieb, behielt die Leitung des Waisenhauses bis zu dessen
Auflösung im Zuge der josephinischen Reformen
im Jahr 1785. Er starb 1786 in Wien.
|