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Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken



Prag 1621: Eine barocke Trostschrift

Ein schön, trostreiches, offenes Sendschreiben; An deren zu Prag, den 11. (21) Junij, diß 1621 Jahrs, jüngsthin, vermittels fürgangener Execution, justificirter Gräflicher- Herren- Adels- vnnd Burgerstands-Personen Hinderlassene Gemahlin vnd Frawen, nunmehr aber hertzlich- vnnd höchstbetrübte Wittiben vnd Matronen sampt vnd sonders. Auß Christlichem vnd getrewen Mitleiden (ohne einige Passion: vnd gantz vnberürt deß Böhmischen Wesens) auffs Papyr gebracht: Männiglich, sonderlich aber allen Betrübten, nützlich zu lesen. - [s.l.] 1621.

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Objektbeschreibung:
Titelblatt
Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Sign.: 307.250-B.Alt-Mag

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Der Aufstand der protestantischen böhmischen Stände gegen die Herrschaft der Habsburger, der 1618 mit dem Prager Fenstersturz begonnen hatte, endete mit der Niederlage der Protestanten unter ihrem König Friedrich V. in der Schlacht am Weißen Berg. Kaiser Ferdinand II. nahm furchtbare Rache an den Aufständischen: Am 21. Juni 1621 wurden 27 von ihnen, darunter die drei Grafen Joachim Andreas Schlick, Wenzel Budovec und Christoph Harant, am Altstädter Ring enthauptet. Auch ein prominenter Wissenschafter, der ehemalige Leibarzt Kaiser Rudolphs II., war unter den Hingerichteten: Jan Jessenius, seit 1617 Rektor der Prager Universität, hatte sich in Reden und Schriften besonders scharf gegen Ferdinands Herrschaft ausgesprochen. Die Antwort des Kaisers auf Jessenius' Angriffe war grausam: Als einzigem der Verurteilten wurde ihm vor der Hinrichtung die Zunge herausgerissen.

An die Ehefrauen der hingerichteten Adeligen und Bürger, die durch diese jüngste : den 11 (21) [sic] Junij diß 1621 Jahrs / zu Prag vorgangene erbärmliche Execution, in höchster Betrübnuß Wittibin worden sind, richtet sich diese anonyme Trostschrift. Der schreckliche Verlust, den die Adressatinnen erlitten haben, wird eindringlich betont, ähnliche Schicksale von Personen der Antike werden angeführt. Die Frauen werden des Mitgefühls nicht nur aller Protestanten, sondern auch des hertzliche[n] grosse[n] Mitleyden[s) / welches viel hunderttausend frommer Christen / nicht nur im Königreich Böhmen und Vngarn / auch Oesterreich / Schlesien / Laußnitz unnd Mähren / sondern auch in dem grösten theil deß Teutschen Lands / nichts wenigers in Franckreich / Engeland / Deñemarck / Schwäden / Niderlanden / Schweitz / Venedig und andern Orten / von vielerley Religionen / mit euch / und ewrem betrübten jammerseligen Zustand / haben und tragen versichert. Schließlich weiß ja ganz Europa vom großen Kummer dieser Witwen, denn inn den Particular Zeitungen und Avisen, wird von euch geschriben / wie ihr euch über die massen / und viel mehrers / als man jemals von betrübten Weibs Personen gehört / sehr bekümmert / daß fast alle tröstliche Zusprechungen / bey euch verloren [...] Einige der Frauen sollen gar wegen des grossen Hertzenleyds gestorben sein. Daher warnt der Autor sie vor unmäßiger Trauer und ruft sie dazu auf, dem göttlichen Ratschluss zu vertrauen.

Die Witwen hatten allerdings Grund genug, sich neben ihrer Trauer um die Ehegatten noch weiter Sorgen zu machen: Die Rekatholisierung Böhmens beinhaltete die Enteignung protestantischer Adeliger, deren Güter an katholische Anhänger des Kaisers vergeben wurden, die Vertreibung evangelischer Geistlicher und überhaupt aller Untertanen, die nicht zum alten Glauben zurückkehren wollten.


© Österreichische Nationalbibliothek, 2007
last update: 27.08.2007

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