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Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken



Anarchie und Hierarchie des Wissens

Malfatti von Monteregio, Johann: Studien über Anarchie und Hierarchie des Wissens. Mit besonderer Beziehung auf die Medicin. Von D. Johann Malfatti von Monteregio, Ritter mehrerer Orden. - Leipzig : F. A. Brockhaus, 1845.

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Objektbeschreibung:
Lithographie
Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Sign.: 307.109-B.Alt-Mag

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Giovanni Malfatti (1775 Lucca-1859 Wien), Leibarzt des Herzog von Reichstadt, war einer der prominentesten Mediziner des biedermeierlichen Wien. Zu seinen Patienten zählte auch Beethoven, der ihm seine Cantata campestre Un lieto brindisi widmete. Nach einigen Jahren zerbrach die Freundschaft zwischen Malfatti und dem Komponisten - vielleicht, weil die unglückliche Liebe Beethovens zu Malfattis Nichte Therese die Beziehung der beiden Männer belastete, vielleicht aber auch, weil Beethoven sich von diesem "pfiffigen Italiener", dem seines Erachtens nach "sowohl Redlichkeit als auch Einsicht fehlte", bei seinen chronischen Leiden schlecht behandelt fühlte.

Als 1837 die "K.k. Gesellschaft der Ärzte in Wien" gegründet wurde, wählte diese Malfatti, der kurz zuvor von Kaiser Franz I. in Anerkennung seiner Verdienste in den Adelsstand erhoben worden war und sich nun "Edler von Monteregio" nennen durfte, zu ihrem ersten Präsidenten. Er legte dieses Amt aber schon nach wenigen Jahren zurück, da seine Beziehungen zur den Vertretern der neuen medizinischen Schule sich zunehmend verschlechterten. Malfatti lehnte die wissenschaftlichen Methoden dieser "Zweiten Wiener Medizinischen Schule" ab, insbesondere die Pathologie. Berufskollegen wie Carl (von) Rokitansky wiederum, die die pathologische Anatomie als moderne Forschungsmethode betrieben, konnten die Neigungen Malfattis zu einer Naturphilosophie mit stark esoterischer Tendenz wohl ebensowenig nachvollziehen wie dieser ihren betont wissenschaftlichen und praxisorientierten Zugang zur Medizin.

In den Studien über Anarchie und Hierarchie des Wissens drückt sich dieser Gegensatz deutlich aus. In fünf Artikeln - "Studien" nennt sie der Autor - finden wir eine esoterische Mischung aus indischer Philosophie und Weisheitslehre und deutschem Idealismus, gewürzt mit einer Prise altgriechischer Philosophie und in einen medizinisch-naturwissenschaftlichen Zusammenhang gestellt. Der Autor beklagt darin den Verlust der Einheit von Wissen und Erkenntnis, der seiner Meinung nach in Europa in den letzten Jahrhunderten stattgefunden hat und sich in der Spaltung zwischen Philosophie und Wissenschaft zeigt. Im Zentrum seiner Betrachtungen steht die brahmanische Idee der Wiedergeburt. In den Phänomenen der Natur, wie etwa in der Gärung oder im Gewitter, sieht er dieses Prinzip ebenso manifestiert wie in der Zeugung, im Entstehen und Vergehen des menschlichen Organismus.
Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Personifizierungen und den weiblichen und männlichen Aspekten der indischen Gottheiten Brahma, Vishnu und Shiva einerseits und dem menschlichen Körper andererseits stellt er mithilfe einer komplizierten Zahlenmystik her. In Abbildung 5a (s. Kasten), einer von drei in den "Studien" enthaltenen Darstellungen der Weltseele Om, hebt Malfatti z. B. die in zwei Äste geteilte Palme hervor, die "mit ihrem Stamm die Nase, mit den gekrümmten Ästen die Augenbrauen bildet". Darin erkennt er die Zahlen 2 und 3 wieder, und auch wenn "der Mensch beim tiefen Denken beide Augenbrauen mitten in der sich faltenden Stirn einander zu nähern ... trachtet, so werden wir ... nicht blos die allgemeine Symbolik des aufgehenden geistigen Lebens, sondern auch die Construction der (als heilige dreifache Zahl) bezeichneten Ziffern erkennen."


© Nationalbibliothek, 2006
last update: 28.11.2006

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