"Täglich wird angenommen, Einer sei wahnsinnig, die ganze Welt rings, sei wahr;
Hier der Gegensatz: Eine ist wahr,
die ganze Welt rings wahnsinnig in leeren Beschäftigungen sich quälend,
bildet sich hundert und zwanzig Jahre ein;
ihr ist es ein schöner Nachmittag, und wer mag leugnen,
daß ein seliger Nachmittag nicht mehr sei als hundert und zwanzig elende Jahre?"

(Kommentar Achim von Arnims zu dem Text)
Eine wunderseltsame Geschichte : welche sich der Sage nach zugetragen haben soll in der weitberühmten Stadt und Festung Großwardein in Ungarn, mit einer Kommandanten-Tochter, welche ihr Herr Vater hat verheirathen wollen; was sich aber weiters mit ihr begeben, wird in dem Gesang zu vernehmen seyn. - [S.l], [ca. 1800]. - [4] Bl.
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Die 32 Strophen sind die spätere Variante eines um 1780 entstandenen Textes, welcher von Achim von Arnim und Clemens Brentano unter dem Titel "Die Eile der Zeit in Gott" im ersten Band (erstmals 1805 erschienen) "Des Knaben Wunderhorn", einer Sammlung von etwa 700 Volksliedern, abgedruckt wurde. Dieses Lied stellt die romantische Version eines Cäsarius von Heisterbach-Themas dar. Heisterbach (geb. um 1180 in Köln, gest. 1240), Mönch und späterer Prior der Zisterzienserabtei Heisterbach, trat vor allem als Exempla-Erzähler hervor. Er sammelte geistliche Anekdoten und Novellen speziell aus dem rheinischen Volksmund ("Dialogus magnus visionum atque miraculorum" und "Libri VIII miraculorum" (nur II abgeschlossen), die in erster Linie für die moralische und dogmatische Belehrung der Novizen bestimmt waren.
 

Inhalt des seltenen Volksdruckes: Das gottesfürchtige Töchterchen des Kommandanten ist nicht bereit in den Ehestand zu treten. Ihr Vater verliert langsam die Geduld, weil "sehr alt sind wir schon alle beyd" und wählt einen Bräutigam für sie aus. Am Tage der Hochzeit begibt sich das Mädchen in den Garten und ruft Jesus – "ihren liebsten Bräutigam". Er erscheint in Gestalt eines schönen Jünglings, der sie mit sich nimmt und zu seiner Braut macht. Erst 120 Jahre später kehrt sie zurück und stirbt nach der Erfüllung ihres letzten Wunsches: "Nichts Leibliches ich mehr begehr; sie bat, bringt mir einen Priester her, daß ich empfang vor meinem End, das höchste Gut im Sakrament."

¾¾¾ Objektbeschreibung ¾¾¾
Wien, Österreichische Nationalbibiliothek, Sign. 304.578-A.Alt-

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