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Neuerwerbungen

Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken



Schuldramen der Jesuiten

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Objektbeschreibung:
Periochen (Programme) von sechs Schuldramen

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In der Geschichte des Schultheaters nimmt jenes der Jesuiten, ursprünglich ein höchst attraktives Werbemittel der Gegenreformation, sicher den bedeutendsten Platz ein. Die Idee des Schultheaters war freilich nicht von den Jesuiten ausgegangen: Schon um 1500 versuchten die Humanisten, das römische Drama wiederzubeleben, und organisierten Theatervorführungen mit Studenten der Universität, die ja schließlich in lateinischer Rhetorik geschult waren und geübt werden sollten. Um die Mitte des Jahrhunderts gab es aber, in Anlehnung an die mittelalterliche Tradition des geistlichen Dramas, auch in Gymnasien und Lateinschulen Aufführungen in lateinischer und deutscher Sprache, in Wien etwa in der Schule des Schottenklosters oder in der Bürgerschule zu St. Stephan.

Das Theaterspiel, hier stets in lateinischer Sprache, war fester Bestandteil des Unterrichtsplans an den Jesuitenkollegien in allen katholischen Ländern. Die Zöglinge konnten so in Artikulation, Rhetorik und Gestik geschult werden, und interne ebenso wie öffentliche Aufführungen (beides war vorgesehen) stärkten sicher auch den Zusammenhalt oder verbesserten den Austausch zwischen Schülern und Lehrern. Die öffentlichen Aufführungen dienten natürlich der geistlichen und moralischen Erbauung der Zuschauer, man darf sie sich aber keinesfalls als blutleeren Religionsunterricht denken: Das aufwendige Bühnenbild und Effekte wie Blitz und Donner, feuerspeiende Fabelwesen oder plötzlich wie durch Geisterhand erscheinende oder verschwindende Akteure allein lockten zweifellos ein großes Publikum an. Zahlreiche Tanzeinlagen, spannende Fechtszenen und die Musik oft auch namhafter Komponisten (Heinrich Biber komponierte 13 Schuldramen) beeindruckten auch anspruchsvolle Zuschauer wie den musik-, tanz- und theaterbegeisterten Kaiser Leopold I., der vielen dieser Aufführungen beiwohnte.

Seine Stoffe schöpfte das Jesuitendrama aus der Heilsgeschichte, den Heiligenlegenden, aber auch der antiken und mittelalterlichen Geschichte. So behandeln fünf der sechs gezeigten Neuerwerbungen der Österreichischen Nationalbibliothek, gedruckt zwischen 1665 und 1693, das Wunder der Eucharistie oder spielen darauf an, allerdings auf ganz verschiedene Weise:
Der sterbende König Ferdinand I. von Kastilien und Leon wird durch den Empfang dieses Sakraments getröstet; zwei erbitterte Feinde werden mitten im bewaffneten Kampf durch die wundersame Erscheinung einer Hostie versöhnt; Moses schlägt in der Wüste mit seinem Stab Wasser aus dem Fels, in der Apodosis dazu wird die dürstende Menschenseele von der Göttlichen Liebe durch die "Sacramentalischen Gnaden-Wässer" aus dem "Geistlichen Felß" erquickt; Josua erobert das Land Kanaan, das Volk Israel genießt an diesem Feiertag nur ungesäuertes Brot; das fünfte Drama hat das Emmaus-Mahl zum Thema. Ein weiteres Stück, auf unserem Bild ganz vorne und 1693 in Laibach gedruckt und aufgeführt, spielt im elften Jahrhundert im soeben durch die Christen eroberten Toledo und zeigt die beispielhafte Frömmigkeit der (historischen) Königin Konstanze und den Opfermut ihrer (nicht historischen) Tochter Florinda.
Diese Drucke sind keine Textbücher, sondern Theaterprogramme mit einer Inhaltsangabe des jeweiligen Werks, immer in lateinischer, oft zusätzlich in deutscher Sprache, und den Namen der Darsteller.


© Österreichische Nationalbibliothek, 2006
last update: 16.01.2006

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