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Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken



Lob der Hölle

Eloge De L'Enfer. Ouvrage Critique, Historique, Et Moral. Seconde Edition, Soigneusement revue & corrigée. - A Londres : Chez La Société Typographique, 1777.

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Objektbeschreibung:
Kupferstich von G. Sibelius
Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Sign.: 307.451-A.Alt-Mag

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Schon den Satirikern der Antike diente der Hades als Kulisse, vor der sich trefflich Zeitkritik üben ließ. So wie in Lukians Totengesprächen Heroen und Philosophen, Erbschleicher und kleine Betrüger ihre Streitigkeiten aus dem Diesseits weiterführen, zeigen uns auch spätere Autoren ein bunt bevölkertes Jenseits: Da treffen - je nach Intention des Verfassers im Himmel oder in der Hölle, oft diplomatisch einfach im "Totenreich" - in ernsthaften oder satirischen Dialogen deutsche Kurfürsten auf türkische Sultane, Personen der griechischen oder römischen Antike auf biblische Gestalten.

Auch in der Eloge de l' Enfer ist die Hölle ein Ort, an dem man vor allem eines findet, nämlich zahlreiche, angenehme und zu einem guten Teil illustre Gesellschaft. Das ist aber nur ein Teil der Annehmlichkeiten dieses Ortes: Zu diesen gehören auch die günstige Lage im Mittelpunkt der Erde, von der besonders die Astronomen unter den Höllenbewohnern profitieren (s. Abbildung - die ständige Dunkelheit begünstigt ihre Observationen), das angenehme trocken-warme Klima, die Gelegenheit für Personen aus alten adeligen Familien, endlich ihre eigenen Vorfahren kennenzulernen, und schließlich herrscht auch relative soziale Gerechtigkeit. Trotz dieser letzteren gibt es aber unter den einzelnen Personengruppen eine gewisse Rangordnung, denn einige haben sich ihre Position in der Hölle zweifellos mehr verdient als andere; so rangiert in der Sparte "Religionsgelehrte" an der Höllenuniversität Judas Ischariot vor Simon Magus und Papst Alexander VI. Auch sind die angesehensten Berufsgruppen zahlenmäßig stark vertreten, Philosophen und Ärzte, Künstler, Militärs und Wissenschaftler, und die schönsten und bestgekleideten Frauen und Männer tragen durch ihren Anblick zur angenehmen Atmosphäre bei.

Obwohl der Autor sich nicht auf zeitgenössische Persönlichkeiten bezieht, schien in Zeiten nicht allzu großer religiöser Toleranz eine anonyme Veröffentlichung wohl ratsam. Allgemein wird die Eloge dem Amsterdamer Buchhändler Jean Frédéric Bernard (gest. 1752) zugeschrieben, dem gebildeten Verfasser historischer und zeitkritischer Werke. Bernard gab auch den zehnbändigen Récueil des voyages au Nord, contenant divers mémoires très utiles au commerce et à la navigation heraus, eine wichtige Sammlung von Reiseberichten und Beiträgen, die entscheidend dazu beitrug, das Interesse der Öffentlichkeit für Forschungsreisen, Seehandel und die Suche nach der Nordwestpassage zu wecken.


© Österreichische Nationalbibliothek, 2004
last update: 21.12.2006

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