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Neuerwerbungen
Sammlung von Inkunabeln, alten und wertvollen Drucken
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Die Begräbnisse in Österreich
Die Begräbniße in Oesterreich. - Bregenz : im Verlag der typographischen
Gesellschaft, 1785
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Objektbeschreibung:
Titelblatt mit handschriftlichem Besitzvermerk (unleserlich)
Wien, Österreichische Nationalbibliothek,
Sign.: 307.537-B.Alt-Mag
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Detailinformation
Die vielleicht umstrittenste der Josephinischen Reformen war die
Begräbnisordnung, die Joseph II. 1784 erließ. Schon im Jahr zuvor
war für Wien die Errichtung neuer Friedhöfe außerhalb des Linienwalls
angeordnet worden. Nun wurden Bestattungen innerhalb von Ortschaften
verboten, eine Maßnahme, die sowohl vom hygienischen Standpunkt
als auch aus Platzgründen überfällig schien. Das neue Gesetz schränkte
aber außerdem sowohl die Prachtentfaltung als auch jeden noch so
bescheidenen Luxus bei Begräbnissen ein. Während eingefleischte
Josephinisten selbst die gemeinsame Bestattung nicht verwandter
Personen in Schachtgräbern oder den berüchtigten wiederverwendbaren
Sparsarg guthießen, konnte sich die Mehrheit der Bevölkerung mit
diesen Neuerungen nur schwer abfinden. Kein Wunder also, dass sich
eine große Zahl von Schriften mit diesem Thema auseinandersetzten.
Gegner und Befürworter dieser Reformen gingen dabei natürlich von
den bisherigen Gepflogenheiten aus. Die Leichenbegängnisse waren
oft von religiösen Bruderschaften organisiert worden und galten
als die wichtigste Leistung dieser Gemeinschaften, die sich im spätbarocken
Österreich großen Zulaufs erfreut hatten. Mit dem Beitritt zur Bruderschaft
wurde man der Sorge um das eigene Begräbnis enthoben. „Dieser Vorzug
wirket so mächtig auf die schwachen Gemüter der Menschen, dass sie
sich gerne entschließen, ihr ganzes Leben durch der Geistlichkeit
Maut zu zahlen, bloß um bei ihren Begräbnissen von der christlichen
Gemeinde nicht als Kontreband angesehen zu werden“, schrieb der
aus Erfurt gebürtige österreichische Beamte Friedrich Schilling
schon 1781 in seiner Schrift Uiber die Begräbnisse in Wien.
Mehrere Auflagen dieses Werks und 21 Broschüren von erbost dagegen
polemisierenden Schilling-Gegnern zeigen die Aktualität dieses Themas
zwei Jahre vor der Auflösung der (meisten) Bruderschaften durch
Joseph II. und drei Jahre vor seiner Begräbnisordnung.
Der Autor der anonym erschienenen Begräbniße in Oesterreich
kommt nach einer längeren Einleitung über die Geschichte der Beisetzung
allgemein ebenfalls auf Missbräuche dieser Art zu sprechen, die
sich bei verschiedenen Orden schon früh eingeschlichen hätten. Als
Quelle zitiert er einen Abschnitt aus Erasmus von Rotterdams Colloquia
(Exequiae Seraphicae), auf den auch Schilling in den Begräbnissen
in Wien Bezug genommen hatte: Die beiden Freunde Philecous und
Theotimus kritisieren die Bereicherung des doch zu Armut verpflichteten
Franziskanerordens durch Einnahmen aus Begräbnissen. Unser anonymer
josephinischer Autor sieht Josephs Reform als endgültige Lösung
für diese jahrhundertealten Missstände: „ Nur Joseph der Aberglaubenzerstöhrer
hatte Muth genug das Ungeheuer hinter seinen Verschanzungen anzugreifen;
und am Fuße des Altars, wo es thronte, zu erlegen.“
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