Aktualisierung 1998

[2/ S. 320:] Im ersten Jahr seiner vollen
Funktionsentfaltung hat das »Robert-Musil-Institut der
Universität Klagenfurt / Kärntner
Literaturarchiv« (RMI) intensiv die praktische Umsetzung
jener Forschungsziele und Forschungsaufgaben weiterbetrieben
bzw. in Angriff genommen, die durch den Gründungsvertrag
(1994 zwischen Land Kärnten, Stadt Klagenfurt und Bund)
definiert sind. Dabei ist es binnen kurzem gelungen, das RMI als
die zentrale Institution des literarischen Lebens in Kärnten
zu positionieren.
1. Das RMI als Kärntner Literaturarchiv

Die Ordnung und Systematisierung der schnell anwachsenden
Depotbestände hat vielfältige archivalische
Tätigkeiten nach sich gezogen. So erfolgen die
wissenschaftliche Erschließung der gelagerten Materialien
sowie die Katalogaufnahme nunmehr nach vorgegebenen internationalen
Standards (RNA, allegro-HANS), wofür von Mitarbeitern unter
anderem entsprechende Kurse im Rahmen des
»Brain-Pools« der ÖNB absolviert worden
sind. Erfreulicherweise ist mit Hilfe des Arbeitsmarktservice
Kärnten seit 1. Dezember 1998 die Ganztagsstelle einer
wissenschaftlichen Mitarbeiterin speziell für diesen Bereich
fi- [2/ S. 321:] nanzierbar geworden, sodaß die
Bearbeitung der Archivalien nun zügig und kontinuierlich
voranschreitet.
Material-Ankäufe und -Neuzugänge 1998: Verlagsarchiv
Braitan (Hans Kitzmüller); Manuskripte, Briefe und
Materialien von Paul Celan, Egyd Gstättner, Peter Handke,
Gustav Januš, Gert Jonke, Alexander Widner.
Die im RMI befindliche Präsenzbibliothek mit
Sammelschwerpunkten zu Robert Musil, Ingeborg Bachmann, Christine
Lavant, zur Literatur von aus Kärnten stammenden Autorinnen
und Autoren im allgemeinen sowie zu deren jeweiligen literatur- und
sozialgeschichtlichen Kontexten wuchs 1998 um ca. 600
Bände. Außerdem wurde (in Zusammenarbeit mit dem
Literaturhaus Wien/Dokumentationsstelle für neuere
österreichische Literatur) eine umfangreiche Zeitungs- und
Zeitschriftenausschnittsammlung zu demselben Themenkomplex
eingerichtet.
2. Das RMI als Klagenfurter Literaturhaus

Das Musil-Institut gilt mittlerweile als wichtigstes literarisches
Dokumentations- und Veranstaltungszentrum des Landes, was eine
besondere Verantwortung gegenüber dem gegenwärtigen
Literaturschaffen der Region bedingt. Diese Aufgabe wurde im Jahr
1998 in unterschiedlichster Form wahrgenommen:
- Zwei namhaften Autorinnen und Autoren war je ein
wissenschaftliches, zugleich auf ein möglichst breites
Publikum hin ausgelegtes Symposium gewidmet. Dabei handelt es
sich um Gerhard Lampersberg (zum 70. Geburtstag; 10./11. Juni
1998) und Christine Lavant (zum 25. Todestag; 24./25. September
1998 in Wolfsberg). Publikationen dazu sind in Vorbereitung.
- Das RMI organisierte teils allein, teils in Verbindung mit
verschiedenen Partnern (Stadt Klagenfurt, Unikum,
Christine-Lavant-Gesellschaft, Josef
Friedrich-Perkonig-Gesellschaft, IG AutorInnen, Verlagen und
andere) ca. 70 Veranstaltungen (Lesungen, Vorträge,
Diskussionen, Theater, Konzerte), die von rund 6.000 Personen
besucht wurden. Höhepunkte waren die Durchführung
des Klagenfurter Literaturkurses und die Verleihung des
Österreichischen Staatspreises für literarische
Übersetzung (»Translatio«) im Musil-Haus.
3. Geförderte Forschungsprojekte

3.1. Edition und Ergänzung des Registers zur
»Fackel« von Karl Jaray
Zur »Fackel« von Karl Kraus, einer der bedeutendsten
und eigenwilligsten Zeitschriften dieses Jahrhunderts, existiert in
der Buttinger-Bi- [2/ S. 322:] bliothek der Universität Klagenfurt ein von
Karl Jaray verfaßtes, bisher unbekanntes umfangreiches
Sachregister für die Jahrgänge 1899 bis 1932. Durch
das Projekt wird dieses Sachregister (mit mehreren Zehntausenden
Einträgen) in Form einer Datenbank erschlossen, für
die Jahre 1933 bis 1936 ergänzt und zugänglich
gemacht (Leiter: Klaus Amann; Mitarbeiter: Gunther Hirschmann;
Laufzeit: 1995-2000; gefördert durch: Forschungskommission
der Universität Klagenfurt, von 1995 bis 1998 durch die
Gehring-Stiftung, ab 1998 vom Fonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung).
3.2. Kritische Gesamtausgabe der Werke Christine Lavants
In einer ersten Arbeitsphase (1995-1997) wurden die Grundlagen
einer textkritischen und kommentierten Neuausgabe der Werke Lavants
geschaffen, indem ihr gesamter Nachlaß transkribiert und
wissenschaftlich dokumentiert worden ist (Erstellung eines
elektronischen Werkkatalogs). In der zweiten, aktuellen
Projektphase (1998-2000) geht es darum, die Gesamtausgabe zu
konzipieren sowie den philologischen und den sachlichen Kommentar
zu erarbeiten. Die geplante Edition wird aus zwei Teilen bestehen:
einerseits aus einer mehrbändigen Buchausgabe, andererseits
aus einer CD-ROM, die (wahrscheinlich mit Hilfe von
«Folio-Views«) sämtliche Werke in
textkritischer Form samt ›elektronischem Katalog‹ und
philologischem Kommentar sowie Fotografien, Scans von Manuskripten
und Original-Ton-Material von Christine Lavant
präsentiert. Da es zwischen den beiden Projektphasen zu
einem Mitarbeiterinnenwechsel gekommen ist, hat sich über
Ursula A. Schneider und Annette Steinsiek eine intensive
Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Brenner-Archiv der
Universität Innsbruck als zweckmäßig
erwiesen. Voraussichtlich wird die im Anschluß an die
Werkausgabe geplante Edition der Briefe Lavants als
Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Musil-Institut und Brenner-Archiv
durchgeführt werden (Leiter: Klaus Amann, Arno
Rußegger, Johann Strutz; Mitarbeiterinnen: Ursula
A. Schneider, Annette Steinsiek, Laufzeit: 1998-2000;
gefördert durch: Fonds zur Förderung der
wissenschaftlichen Forschung).
4. Veröffentlichungen des Jahres 1998

Die rege wissenschaftliche Veranstaltungstätigkeit des RMI
ist geprägt von einem gezielten Versuch,
Forschungsleistungen »von außen« für
die Zielsetzungen und Aufgaben des Instituts fruchtbar zu machen,
da das RMI nach wie vor lediglich über zwei reguläre
wissenschaftliche Mitarbeiter verfügt. Ein Großteil
der Forschungsvorhaben und der [2/ S. 323:] wissenschaftlich-archivalischen Tätigkeiten
muß deshalb über Drittmittel finanziert und
bewältigt werden. Derzeit ist ein zu großer Anteil an
Zeit, Energie und Arbeitskraft des Stammpersonals durch
Organisationstätigkeit, Drittmittelakquirierung und
-verwaltung sowie Projektmanagement gebunden.
Dennoch ergänzen und erweitern die persönlichen
Schwerpunktsetzungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die
Forschungsaufgaben des RMI in einer ganz spezifischen Weise, die
auch der Gefahr einer zu intensiven Konzentration auf das Regionale
und Regionalistische entgegenarbeiten. Es sind dies vor allem
Arbeiten in den Bereichen der Theorie des literarischen Bildes, des
Verhältnisses von Film und Literatur, Arbeiten mit
literatursoziologischen Fragestellungen wie z. B. der
Rezeptionsgeschichte oder der Geschichte literarischer
Institutionen. Eine Liste dieser Veröffentlichungen mit
annähernd 20 Titeln ist über das RMI zu beziehen.
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