Geraubte Bücher - Die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit Österreichische Nationalbibliothek

 

 

Die Fotografie von
Adolf Düringer zeigt die
Nationalbibliothek in
einer Montage
Adolf Düringer: Nationalbibliothek (Montage)
     
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Geraubte Bücher
Die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit

Im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek wird von 10. Dezember 2004 bis zum 23. Jänner 2005 die Ausstellung Geraubte Bücher. Die Österreichische Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit zu sehen sein. Mit dieser Ausstellung befasst sich die ÖNB erstmals mit der wohl dunkelsten und unrühmlichsten Epoche ihrer Geschichte - der aggressiven Erwerbungspolitik in der Zeit des NS-Regimes. Geleitet von einem fanatischen Nationalsozialisten, dem damaligen Generaldirektor Paul Heigl, beteiligte sich die Nationalbibliothek aktiv und in großem Umfang an der systematischen Beraubung vor allem jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger.

Vorsichtig geschätzt kamen in der Zeit von 1938 bis 1945 mindestens 150.000 Druckschriften und 45.000 Sammlungsobjekte unrechtmäßig - durch Enteignung politisch und rassisch verfolgter Opfer des NS-Regimes - in die Nationalbibliothek. Nicht mitgezählt all jene Objekte, für die die Nationalbibliothek lediglich Durchgangsstation auf dem Weg in Bibliotheken und Institute des Deutschen Reiches war. In der Nachkriegszeit wurde ein Teil der Bibliotheken und Sammlungen restituiert. Zahlreiche Bücher und Objekte verblieben allerdings im Haus, als ob sie rechtmäßig erworben worden wären.

In den letzten drei Jahren hat sich die Österreichische Nationalbibliothek intensiv mit dem Thema Restitution befasst und im Dezember 2003 mit einem 3.000 Seiten umfassenden Provenienzbericht nach dem Kunstrückgabegesetz von 1998 eine akribische Auflistung aller noch im Haus befindlichen unrechtmäßigen Erwerbungen vorgelegt. Ziel ist es, das geraubte Eigentum - insgesamt noch mehr als 25.000 Objekte - an die Erbinnen und Erben der ehemaligen BesitzerInnen, soweit diese noch zu eruieren sind, zurückzugeben und damit dieses beschämende Kapitel nach mehr als einem halben Jahrhundert endlich abzuschließen.

Mit der Ausstellung Geraubte Bücher stellt sich die Österreichische Nationalbibliothek erstmals ihrer unrühmlichen Vergangenheit und macht auf die noch immer vorherrschende Tabuisierung des schwierigen Themas aufmerksam. Anhand einer repräsentativen Auswahl von Exponaten wird aufgezeigt, wie brutal und rücksichtslos Erwerbungspolitik betrieben wurde. In den wenigsten Fällen sind es wertvolle Bücher und oftmals liegt gerade in der kommerziellen Wertlosigkeit der enteigneten Objekte die besondere Tragik - die Tatsache, dass den Opfern des NS-Regimes wahllos alles genommen wurde.


Im Mittelpunkt der von Margot Werner und Christina Köstner kuratierten Ausstellung stehen einerseits einige exemplarische Fallbeispiele geschädigter Personen, die das begangene Unrecht von einer ganz persönlichen Seite zeigen. Daneben sollen ein Gesamtbild der Bibliothek zur NS-Zeit und die persönlichen und politischen Verstrickungen jener Personen in der Nationalbibliothek, die für diese Vorgänge verantwortlich zeichneten, aufgezeigt werden. Der zeitliche Rahmen des Ausstellungsprogramms erstreckt sich weiter über die Rückgabebemühungen der Nachkriegszeit bis hin zur Provenienzforschung in der Gegenwart.
Neben bisher großteils unveröffentlichten Fotografien und historischem Aktenmaterial aus dem weitgehend erhalten gebliebenen Archiv der Nationalbibliothek ist eine Auswahl von beschlagnahmten Büchern und Sammlungsobjekten zu sehen, die oftmals noch die Spuren ihrer einstigen BesitzerInnen tragen, sei es in Form von Exlibris oder handschriftlicher Anmerkungen. Daneben liegt der gesamte Provenienzbericht auf und kann eingesehen werden.

Mit Ausstellung und Restitution der Geraubten Bücher will die Österreichische Nationalbibliothek nicht so sehr einer gesetzlichen als einer moralischen Verpflichtung nachkommen und auch für die Zukunft einen transparenten Kurs festlegen, der zu einer lückenlosen Aufarbeitung dieser so beschämenden Vergangenheit führen soll.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, herausgegeben von Murray G. Hall, Christina Köstner und Margot Werner. Neben einem historischen Überblick und sechs Fallstudien zu Einzelschicksalen enthält der reich illustrierte Band ein Sach- und Personenregister sowie ein vollständiges Verzeichnis aller Exponate.

 

Erica Fischer: Beutegut Buch. Späte Korrektur: Österreichs Nationalbibliothek stellt sich ihrer NS-Vergangenheit (Der Tagesspiegel online)


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