Wien 1365. Eine Universität entsteht
2015 feiert die Universität Wien ihr 650jähriges Bestehen. Sie ist damit eine der ältesten Universitäten Europas. In der Gemeinschaftsausstellung „Wien 1365. Eine Universität entsteht“ präsentieren die Universität Wien und die Österreichische Nationalbibliothek über 100 Exponate vom Mittelalter bis zur Renaissance und lassen so die ereignisreiche Anfangszeit der „Alma Mater Rudolphina“ wieder lebendig werden.
Zu sehen sind nicht nur die von Herzog Rudolf IV. eigenhändig unterzeichneten Stiftungsbriefe, sondern auch Schätze aus der Frühzeit der Universität wie das Zepter der Artistenfakultät aus vergoldetem Silber. Schriften mittelalterlicher Gelehrter, oft kunstvoll von Buchmalern illustriert, bilden einen weiteren Glanzpunkt. Sie sind ein eindrucksvoller Beleg einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte, denn schon bald nach der Gründung unterrichteten „Spitzenforscher“ wie Johann von Gmunden oder Georg Peuerbach in Wien und lockten Studierende aus ganz Europa an. Unter den einzigartigen Leihgaben aus Klosterbibliotheken, Archiven und Museen befindet sich auch eines der bedeutendsten Gemälde der Kunstgeschichte: Das Porträt Herzog Rudolfs IV., das erste europäische Bildnis im Halbprofil. Für die Jubiläumsausstellung „seiner“ Universität wird die Bildtafel ein letztes Mal vom Wiener Dom- und Diözesanmuseum verliehen.
Prachtvolles Welterbe:  Das Original der Stiftungsurkunde von 1365
  „Wir der vorgenant  Hertzog Ruodolf IV sterken disen Prief mit der Underschrift unser selbs hant.“  Gleich zweimal besiegelte Herzog Rudolf IV. (1339–1365) am 12. März 1365 die  Gründung einer Hochschule in Wien. Das größere der beiden Dokumente ist die wohl  bemerkenswerteste Urkunde, die jemals für einen solchen Anlass ausgestellt  wurde. Unüblich für die damalige Sprachkultur der Gelehrten teilte der Herzog  seinen Stiftungswillen nämlich nicht nur in Latein, sondern auch in deutscher  Sprache mit. Breite Resonanz war das Ziel. Denn die rund einen Quadratmeter  große und mit drei fein gearbeiteten Siegeln ausgestattete Urkunde ist weitaus  mehr als die bloße Willensbekundung eines Herrschers: sie ist zugleich Programm,  Botschaft und Vermächtnis.
                                Er habe die  Universität gegründet, lässt Rudolf darin verlauten, damit „ein yeglich weiser  mensch vernünftiger und ain unweiser zuo menschlicher vernunft in rechte  erkantnüsse mit goetlicher lerung bracht und geczogen werde.” Detailliert wird  auf den folgenden Zeilen aufgelistet, wie die Hochschule organisiert sein soll  und welche Rechte, aber auch Pflichten Magister und Scholaren haben – bis hin  zu der kuriosen Frage, was mit Universitätsangehörigen zu geschehen habe, die  in der Stadt in Ehebrüche verwickelt sind.
                                Doch die Botschaft  Rudolfs an die damalige Welt steckt weniger in den geschriebenen Worten, als  vielmehr im Akt der Gründung selbst: Wien  sollte mit einer eigenen Universität für alle sichtbar in eine traditionsreiche  Ahnenreihe treten, die von Athen über Rom nach Paris reichte. Damit wollte  Rudolf nicht nur seine eigene Residenzstadt aufwerten, sondern auch in  Konkurrenz zu seinem Schwiegervater Kaiser Karl IV. treten, der 1348 im nicht  weit entfernten Prag selbst eine Universität gegründet hatte. Allein schon die  Opulenz der Urkunde zeigt Rudolfs Anspruch, denn bei keiner der in zeitlicher  und räumlicher Nachbarschaft entstandenen Universitäten gab es ähnlich  prachtvoll ausgefertigte Stiftungsdokumente. Mit ein Grund, warum die im  Prunksaal zu bewundernde deutsche, aber auch die lateinische Urkunde vor Kurzem  in das österreichische Memory of the World-Register der UNESCO aufgenommen  wurden.
                                Rudolfs Rechnung  ging schließlich auf: Papst Urban V. erteilte – trotz Intervention Kaiser Karls  – am  18. Juni 1365 seine Zustimmung, die  Wiener Universität war gegründet.
Höhepunkt der  Kunstgeschichte: Herzog Rudolfs letztes Bildnis 
                                Dabei schien die  Universität ganz am Anfang schon fast wieder am Ende. Etwas mehr als einen  Monat nach der päpstlichen Bewilligung starb Rudolf IV. am 27. Juli 1365 im  Alter von nur 26 Jahren. Sein Tod kam völlig unerwartet. Das berühmte um 1360  entstandene Bildnis des Herzogs, das gleichzeitig sein letztes sein sollte,  zeigt noch einen Herrscher mit Ambitionen. Völlig ungewöhnlich für die damalige  Porträtkunst ist Rudolf im Halbprofil mit realistischen Gesichtszügen  dargestellt. Auf dem Haupt trägt er die Krone eines Erzherzogs. Ein Titel, den  Rudolf nie besaß, dessen bildliche Darstellung aber deutlich machen sollte,  wohin er strebte. Mit seinem Ableben war all dies Makulatur und auch seine  Universitätspläne drohten zu scheitern. Wien befand sich plötzlich in der  Gefahr in einer ganz anderen Ahnenreihe zu stehen, nämlich in jener von  Hochschulen, die ihre fragile Gründungsphase nicht überlebt hatten. Immerhin rund  ein Drittel aller damaligen Universitätsgründungen scheiterte. Dieses Schicksal  drohte nun auch der kleinen Wiener Gelehrtengemeinschaft, die noch dazu mit  einem weiteren Makel kämpfte. Papst  Urban hatte zwar der Gründung der Universität zugestimmt, aber aus Rücksicht  auf Kaiser Karl keine theologische Fakultät gewährt. Die Universität des  Mittelalters war ohne diese jedoch weder vollständig noch für Gelehrte oder  Studierende attraktiv.
Glanzvolle  Wiedergeburt: Das goldene Zepter der Weisheit
                                Und dennoch: Wien  hielt durch. Zum Erfolg mag beigetragen haben, dass Rudolf mit seinem  Stiftsbrief eben nicht nur ein Programm und eine Botschaft, sondern auch ein  Vermächtnis hinterließ. Mit Umsicht und Weitblick hatte er seine jüngeren  Brüder Leopold und Albrecht als Mitunterzeichner aufgenommen. Als Albrecht III.  die Regierungsgeschäfte übernahm, fühlte er sich in der Pflicht, den Traum  Rudolfs zu realisieren. Dabei spielte ihm ein weltgeschichtliches Ereignis in  die Hände, das die spätmittelalterliche Christenheit mehrere Jahrzehnte lang  spaltete, sich aber für die Wiener Universität als glückliche Fügung erweisen  sollte. Das Große Abendländische Schisma teilte die lateinische Kirche nach  1378 in zwei Lager, die jeweils einem Papst anhingen. Als der französische  König die Universität von Paris zur Loyalität gegenüber dem Papst in Avignon  verpflichtete, setzte ein Exodus jener Magister und Studenten ein, die sich Rom  verpflichtet fühlten. Der „brain drain“ kam den jungen Universitätsgründungen  in Deutschland und Österreich zugute. Zudem war der Widerwille des Papsttums,  theologische Fakultäten zu gewähren, gebrochen, da die konkurrierenden Päpste Verbündete  unter den Herrschern suchten.
  So wurde das Jahr 1384 zum zweiten  Geburtsjahr der Universität Wien: Herzog Albrecht III. bestätigte und erweiterte  die Stiftung Rudolfs mit einem Privilegienbrief, welcher der  Gründungsurkunde in prachtvoller Gestaltung in nichts nachsteht und ebenfalls  in der Ausstellung präsentiert wird. Kernstück des sogenannten „Albertinischen  Privilegs” war die Einrichtung eines Kollegiums für zwölf Magister der  artistischen Fakultät und ein bis zwei Theologen beim Stubentor. Mit dem  „Collegium Ducale“ bzw. Herzogskolleg, zu sehen auf dem ältesten Plan Wiens aus  dem 15. Jahrhundert, erhielt die Universität erstmals ein eigenes Gebäude. Nun wurden  Geschäftsbücher angelegt, Kleiderordnungen entworfen und Siegel geprägt. Präsenz in der Öffentlichkeit schufen sich die Gelehrten zudem  in feierlichen Prozessionen, in der Schau eindrucksvoll belegt durch das golden  glänzende Zepter der Artistenfakultät, entstanden um 1400. Die über einen Meter  hohe Preziose wird gekrönt von der Hl. Katharina von Alexandrien,  Schutzpatronin der Universität und Symbol der Weisheit. Für die Universität Wien begann eine Zeit des außergewöhnlichen  Aufschwungs: Bereits Mitte des 15. Jahrhunderts war sie die größte Universität im  deutschsprachigen Raum. 
Wertvoller als Gold  und Silber: Bücherschätze und Spitzenforscher 
                                Lehrende und  Lernende aus ganz Europa zog es nach Wien. Die „Alma Mater Rudolphina“ wurde zu  einem Wissenschaftszentrum der mittelalterlichen Welt. Besonders in der  Mathematik und den Naturwissenschaften, aber auch in der Medizin gelangte die  Universität zu Ansehen. So wurde hier im Jahre 1404 die erste anatomische  Sektion außerhalb Italiens durchgeführt. Spitzenforscher der damaligen Zeit wie  Johannes von Gmunden (1380/84–1442), dessen astronomische Tafeln in ganz  Mitteleuropa verbreitet waren, oder Georg von Peuerbach (1423–1461) und  Johannes Regiomontanus (1436–1476) unterrichteten in Wien. Letztere zählten zu  den bedeutendsten Wissenschaftlern ihrer Zeit. Peuerbachs und Regiomontanus’ Arbeiten lieferten zentrale Einsichten  für die Beschreibung des heliozentrischen Weltbildes durch Nikolaus Kopernikus.  Einer der Grundsteine für die naturwissenschaftliche Revolution der Neuzeit  wurde somit in Wien gelegt. 
                                Die Handschriften  und Inkunabeln aus dem Umkreis der frühen Universität geben heute einen  einzigartigen Einblick in das Leben und Wissen dieser Gelehrtengemeinschaft. Die Ausstellung präsentiert Prachthandschriften  aus mehreren Jahrhunderten mit beeindruckenden Illuminationen, hochkarätige wissenschaftliche  Werke mit faszinierenden Darstellungen aus Theologie, Optik, Astronomie oder  Medizin ebenso wie studentische Schriften mit manch derber Federzeichnung. Ihnen allen gemeinsam ist ihr – damals wie heute – unschätzbarer Wert. Bereits  im Stiftungsbrief Herzog Rudolfs kommt dieser zum Ausdruck: In der Auflistung  von Gütern der Universitätsangehörigen, deren Steuerfreiheit, Schutz und Ersatz  garantiert wird, stehen Bücher an erster Stelle – noch vor Gold und Silber.  Kein Wunder: Der transportable Text in Tinte auf Papier war das Schlüsselmedium  der Wissenschaften des Mittelalters.
                                Die Manuskripte  wanderten vom Schreiber zum Illuminator und von dort zum Vorleser oder dem  Studiosus am Lesepult, sie kamen aus Paris, Prag, Padua und anderen  Universitätszentren nach Wien – und viele von ihnen gelangten nach der  Schließung der Universitätsbibliothek im Jahre 1756 an die Hofbibliothek. An  genau diesem Ort, dem heutigen Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek,  sind sie nun Jahrhunderte nach ihrer Niederschrift erstmals wieder öffentlich  zu sehen.
Eine Gemeinschaftsausstellung der Österreichischen Nationalbibliothek und der Universität Wien
 
							Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek 
		          Josefsplatz 1, 1010 Wien
Dauer
6. März 2015 – 3. Mai 2015
Öffnungszeiten
Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr
		          Donnerstag 10 – 21 Uhr		      
Eintritt
€ 7,–
                Ermäßigungen siehe hier
Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren haben freien Eintritt in alle musealen Bereiche. 

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Führungen
Prunksaal und Ausstellung:
		          Zum Preis von € 4,– jeden Donnerstag um 18 Uhr sowie 
		          auf Anfrage
	            Treffpunkt an der Prunksaalkasse 
Begleitbuch
Zur Ausstellung erscheint ein Begleitbuch: € 39,90
Erhältlich an der Prunksaalkasse

 
					
				



