[2/ S. 86:] Mit der Bearbeitung des 1997 vom ÖLA erworbenen Nachlasses von Wilhelm Szabo (1901–1986) wurde im März 1998 im Rahmen einer
Diplomarbeit begonnen. Szabo, der den Großteil seines Lebens als Lehrer im Waldviertel verbrachte, trat besonders als Lyriker
hervor und erhielt unter anderem 1954 den Georg-Trakl-Preis für Lyrik. Aus heutiger Sicht bedeutend sind vor allem Szabos
Gedichte der 30er und 40er Jahre, veröffentlicht in den Gedichtbänden »Das fremde Dorf« (1933), »Im Dunkel der Dörfer« (1940)
und »Das Unbefehligte« (1947), die trotz der gewählten Thematik – Dorf und Natur – keinerlei Glorifizierung der Dorfwelt beinhalten,
sondern vielmehr die Skepsis des Autors gegenüber dem traditionellen Heimatkonzept der Blut-und-Boden-Literatur zum Ausdruck
bringen.
Durch die Erschließung des Nachlasses soll die Voraussetzung für weiterführende Forschungen in bezug auf Leben und Werk des
heute bei- [2/ S. 87:] nahe in Vergessenheit geratenen Schriftstellers geschaffen werden. Das im Nachlaß enthaltene Material spiegelt die vielfältige
Persönlichkeit des niederösterreichischen Lyrikers wider und erlaubt nicht nur einen Einblick in seine künstlerische und berufliche
Tätigkeit, sondern gibt auch Aufschluß über die Privatperson Szabo.
Der Nachlaß enthält zahlreiche Manuskripte und Typoskripte zu veröffentlichten und unveröffentlichten Werken des Autors, wobei
den Großteil Szabos lyrische Arbeiten ausmachen, die sich bis Anfang der 30er Jahre zurückdatieren lassen. Einen Einblick
in die frühe Schaffensperiode des Schriftstellers gibt eine im Nachlaß enthaltene Sammlung von handschriftlichen Gedichten
aus den Jahren 1922 bis 1924. Besonders gut dokumentiert sind die in den 30er und 40er Jahren entstandenen Gedichte Szabos,
die größtenteils als Typoskripte mit handschriftlichen Korrekturen vorliegen.
Neben in Typoskripten erhaltenen Fassungen zu Szabos erzählerischem Hauptwerk »Zwielicht der Kindheit« und Kurzprosaarbeiten,
die meist nur fragmentarisch erhalten sind, finden sich im Nachlaß auch Typoskripte zu einem von Szabo geplanten Roman. Den
Versuch des Autors, sich auch auf dramatischem Gebiet zu betätigen, belegt ein in Typoskripten erhaltenes Dramenfragment,
zu dem auch handschriftliche Notizen gefunden werden konnten.
Der Nachlaß umfaßt neben Besprechungen von Werken anderer Autoren auch Aufsätze zu Literatur, Geschichte und Politik sowie
in Heften eingetragene Notizen. Bei diesen Notizen handelt es sich größtenteils um Exzerpte aus geschichtlichen, philosophischen
sowie sprach- und literaturwissenschaftlichen Büchern, die Szabos verschiedene Interessen widerspiegeln. Eine genaue Analyse
des Materials konnte bis jetzt noch nicht erfolgen, da die Aufzeichnungen mitunter stenographisch vorliegen und eine Entzifferung
dementsprechend zeitaufwendig ist.
Einen weiteren Teil des Nachlasses bilden die umfangreichen Korrespondenzen des Autors, wobei – dem Regelfall entsprechend
– mehr An- als Von-Briefe erhalten sind. Innerhalb dieser Korrespondenzen finden sich zahlreiche Schreiben von prominenten
Schriftstellerkollegen, wie etwa Otto Basil, Marlen Haushofer oder Josef Weinheber. Daneben umfaßt der Nachlaß auch private
Schreiben von und an Familienmitglieder(n), wie etwa Szabos Briefwechsel mit seiner Ehefrau Valerie Lorenz-Szabo und seiner
Mutter Agnes Szabo, sowie die Korrespondenz mit Freunden und Bekannten.
Einen Einblick in Szabos hauptberufliche Tätigkeit als Lehrer und Schuldirektor geben die im Nachlaß vorgefundenen Schulhefte,
die Stundenplanungen und Lehrerbeobachtungen enthalten. Weiters finden sich zahlreiche Unterlagen, die Szabos Arbeit für verschiedene
Or- [2/ S. 88:] ganisationen, z. B. die Österreichische Jugendschriftenkommission oder den Österreichischen P.E.N.-Club, belegen. Besonders
umfangreich ist das im Nachlaß vorgefundene Material zum Literaturkreis »Podium«, dessen Mitinitiator Szabo war. Erhalten
sind Manuskripte bzw. Notizen zu Reden und Vorträgen innerhalb des Literaturkreises sowie Programmhefte und Plakate zu »Podium«-Veranstaltungen.
Neben autobiographischen Aufzeichnungen, Fotografien, weiteren Lebensdokumenten, Werken anderer Autoren, Zeitschriften und
einer umfangreichen Bibliothek enthält der Nachlaß auch Sekundärliteratur zu Szabo. Diese besteht vorwiegend aus Zeitungsartikeln,
die der Autor gesammelt hat und die von kurzen Erwähnungen, etwa Ankündigungen von Lesungen Szabos, bis hin zu Besprechungen
von Gedichten bzw. Gedichtbänden reichen. Die im Nachlaß enthaltene Sekundärliteratur dokumentiert fast seine gesamte literarische
Produktion und reicht bis in die frühen 20er Jahre zurück. Unter den Zeitungsausschnitten finden sich unter anderem eine Rezension
zu dem im Nachlaß nicht dokumentierten Jugendwerk »Verklärte Stunden« von 1922 (vgl. den Beitrag von Jörg Thunecke im vorliegenden
Band) sowie Besprechungen von Gedichten, die innerhalb verschiedener Anthologien von 1930 bis 1935 erschienen sind.
In einem ersten Arbeitsschritt erfolgte die Durchsicht des in einer Bestandsliste verzeichneten Gesamtbestandes (zehn Kartons).
Szabo selbst hat die im Nachlaß enthaltenen Materialien in Plastiksäckchen, Schachteln, Kuverts und Mappen gesammelt und zum
Teil vorgeordnet. Die Mehrzahl der Ablageobjekte enthält jedoch Papiere unterschiedlichster Art. Eine besondere Schwierigkeit
bei der Aufarbeitung der Archivalien stellten die im Nachlaß enthaltenen Papiere von Valerie Lorenz-Szabo dar. Diese Unterlagen
wurden zunächst aussortiert und sollen bei einer späteren Bearbeitung in eine entsprechende Ordnung gebracht werden.
Für den Nachlaß Wilhelm Szabos wurde eine Ordnung gefunden, die sich im wesentlichen an den »Regeln zur Erschließung von Nachlässen
und Autographen« (RNA) orientiert. Im Rahmen der Diplomarbeit konnte ein detailliertes Verzeichnis für die im Nachlaß enthaltenen
Werke, persönlichen Aufzeichnungen und Auftragsarbeiten (Nachlaßgruppe 1) erstellt werden, wobei eine Gliederung des bearbeiteten
Materials in zwölf Hauptgruppen bzw. entsprechende Untergruppen erfolgte (s. Ordnungssystematik für die Nachlaßgruppe 1).
In den ersten vier Hauptgruppen wurden jene Texte erfaßt, die sich der traditionellen Gattungstrias Lyrik, Prosa und Drama
zuordnen lassen. In der Gruppe 2 wurde »Schnee der vergangenen Winter« gesondert erfaßt, weil dieser Text sowohl Lyrik als
auch Prosa enthält. Die Gruppe [2/ S. 89:] 5 umfaßt Texte von Szabo als Mitautor. Dem nachgeordnet sind Essays, Reden und Besprechungen. Im Anschluß daran finden sich
Texte zu Rundfunk- und Fernsehbeiträgen, zu Lesungen sowie autobiographische Arbeiten. Jeweils gesondert erfaßt wurden Nachdichtungen
und Texte, die als Auftragsarbeiten für verschiedene Organisationen und Behörden entstanden sind. Den Schlußpunkt der Nachlaßgruppe
1 bilden Szabos Notizen.
Nach Abschluß dieser Ordnungsarbeit erfolgte eine EDV-mäßige Erfassung der Archivalien in die Datenbank allegro-HANS. Anschließend
wurden die Datensätze für ein geordnetes Verzeichnis aus der Datenbank in ein ASCII-File exportiert. Die Unterlagen selbst
wurden in Flügelmappen abgelegt und mit entsprechenden Signaturen versehen. Insgesamt konnten 147 Mappen angelegt werden.
An der Erstellung eines Verzeichnisses für die bislang noch nicht geordneten Materialien des Nachlasses sowie an deren EDV-mäßiger
Erfassung wird weitergearbeitet.
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