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Rudolf Probst: Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen. RNA. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Unterausschuß für Nachlaßerschließung. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1997 (= Schriften der Deutschen Forschungsgemeinschaft), 95 S., ISBN 3-87068-540-9. Rezension (09. 05. 2002). In: Sichtungen online, PURL: http://purl.org/sichtungen/probst-r-2b.html ([aktuelles Datum]). - Auch in: Sichtungen 1 (1998), S. 143-146. |
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Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen. RNA. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Unterausschuß für Nachlaßerschließung. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut 1997 (= Schriften der Deutschen Forschungsgemeinschaft), 95 S., ISBN 3-87068-540-9RezensionRudolf Probst |
[1/ S. 143:] Anfang letzten Jahres sind die »Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen«, ausgearbeitet vom Unterausschuß für Nachlaßerschließung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, beim Deutschen Bibliotheksinstitut in Berlin neu erschienen (online verfügbar auf dem WWW-Server des Deutschen Bibliotheksinstituts unter der Adresse: http://www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelpu/regelw/rna/rna_00.htm). Das nun vorliegende Regelwerk basiert auf einem ersten Entwurf zur verbindlichen Reglementierung der Nachlaßerschließung und Autographenbeschreibung, der unter dem Titel »Der Einsatz der Datenverarbeitung bei der Erschließung von Nachlässen und Autographen« (dbi-materialien 108) 1991 veröffentlicht worden ist. Die Neubearbeitung beruht auf der fünfjährigen praktischen Erfahrung mit diesem Entwurf, der insbesondere an der Zentralkartei der Autographen der Staatsbibliothek zu Berlin, am Deutschen Literaturarchiv in Marbach und in Hamburg angewendet und kritisch überprüft wurde. Die Normierung der Nachlaßbeschreibung, ein Desiderat der computertechnisierten Informationsgesellschaft, spielt besonders in Deutschland eine wichtige Rolle, da die einzelnen Nachlässe und Autographen, die in deutschen Bibliotheken und Archiven gesammelt werden, in der Zentralkartei der Autographen in Berlin nachgewiesen sind; eine Vereinheitlichung der Erfassung von Archivmaterialien erleichtert den Nachweis bedeutend. In Österreich sind die RNA all Oktober 1997 von der VOR-Kommission für Nachlaßbearbeitung offiziell »empfohlen« worden. In der Schweiz sind die Vereinheitlichungsbestrebungen weniger weit fortgeschritten, pflegen doch hier die unterschiedlichen Institutionen, die Handschriftenmaterial sammeln, erschließen und Forschenden zur Verfügung stellen, jeweils eigene Erschließungs- und Beschreibungspraktiken. Doch auch hier werden Archivare und Nachlaßbetreuer und -betreuerinnen sowie letztlich auch die Benutzer und Benutzerinnen von den Bestrebungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft profitieren können, denn die RNA können als Leitfaden für ähnliche Normierungstendenzen dienen. Die RNA normieren in knapper und prägnanter Form die Nachlaßerschließung und die Beschreibung von Nachlaßmaterialien. Klug und übersichtlich aufgebaut, gliedert sich der Hauptteil der RNA in drei Abschnitte: 1. Richtlinien zur Erschließung von Nachlässen und Autographen; 2. das eigentliche Regelwerk zur Erschließung und Erfassung von Nachlässen und Autographen; 3. schematische Übersicht über die Beschreibungskategorien. Die dem Regelwerk vorausgehenden Richtlinien zur Nachlaßerschließung thematisieren grundsätzliche Überlegungen und Ordnungsstrukturen für Nach- [1/ S. 144:] lässe. Ausgehend von der Feststellung, daß Nachlässe und Archive häufig sehr umfangreich sind, und angesichts der in vielen Institutionen herrschenden Ressourcenbeschränkung, was finanzielle, personelle oder Mittel der Infrastruktur betrifft, wird die Notwendigkeit betont, Archivalien möglichst rationell zu erschließen. Dies könne einerseits durch die Kassation der für das Verständnis der betreffenden Persönlichkeit und der kulturhistorischen Situation irrelevanten Elemente erfolgen, oder aber auch durch eine der Bedeutung der einzelnen Nachlaßteile angemessene Erschließungstiefe, die unter Umständen innerhalb eines und desselben Nachlasses differieren könne. Die Bestimmung der Bedeutung der einzelne Teile eines Nachlasses setze »ein hohes Maß an Sachkenntnis und Erfahrung im Umgang mit Nachlässen voraus«, wie die RNA zurecht festhalten (S. 9). Diese Richtlinien fordern eine dem Inhalt des Nachlasses angemessene Ordnung. Vorgefundene Ordnungen sollen vorerst auf ihre Brauchbarkeit hin untersucht und allenfalls angepaßt werden. Die RNA thematisieren aber nicht den Umstand, daß die physische Struktur eines Nachlasses und die intellektuelle Ordnung in der Nachlaßbeschreibung nicht unbedingt äquivalent zu sein brauchen; es scheint sehr wohl denkbar, den Nachlaß einerseits physisch in seiner vorgefundenen Ordnung zu belassen, ihn andererseits aber intellektuell in einer den RNA entsprechenden Art und Weise zu verzeichnen. Anders gesagt, der Nachlaß muß im Magazin nicht unbedingt in derselben Ordnung aufgestellt werden, wie er im Findmittel (Repertorium, Inventar, Liste oder Katalog - die RNA lassen wohlweislich alle Möglichkeiten der Nachlaßverzeichnung offen) verzeichnet ist. Durchgesetzt hat sich die Grobgliederung eines Nachlasses in die vier Hauptkategorien - die RNA sprechen von »Materialarten« - Werkmanuskripte (w), Korrespondenzen (b), Lebensdokumente (l) und Sammlungen (s). Werkmanuskripte umfassen alle Dokumente, Manuskripte und Werkstattpapiere, die die Entstehung literarischer Werke dokumentieren. Für die Ordnung innerhalb der Werke läßt die RNA ebenfalls verschiedene Möglichkeiten offen, je nach Art des Nachlasses lassen sich die Dokumente nach den literarischen Gattungen, innerhalb der Gattungen alphabetisch oder chronologisch, bei Gelehrtennachlässen allenfalls nach systematischen Fachbereichen ordnen. Die Korrespondenz umfasse alle in einem Nachlaß vorgefundenen Korrespondenzstücke, seien dies Briefe des Nachlassers, Briefe an denselben oder Briefe Dritter. Innerhalb dieser Hauptreihen der Korrespondenz sollen die Dokumente alphabetisch nach Adressat bzw. Absender geordnet werden. Die RNA halten ausdrücklich fest, daß Briefe, die in Sachakten aufgefunden werden, dort zu belassen sind. Unter ›Lebensdokumenten‹ werden Sachakten zusammengefaßt, die einerseits die persönliche Lebensführung des Nachlassers oder der Nachlasserin, andererseits seine oder ihre berufliche, organisatorische, gesellschaftliche oder politische Tätigkeit betreffen. Die ›Sammlungen‹ beinhalten vom Autor oder der Autorin selbst angelegte Sammlungen, aber auch die Familie betreffende Unterlagen, und nach dem Tod des Nachlassers über ihn, sein Werk oder seine Wirkung angelegte Sammlungen (Teil des angereicherten Nachlasses). [1/ S. 145:] Im vierten Anhang unternehmen die Verfasser in beispielhafter Weise eine exemplarische Zuordnung der bei der Nachlaßerschließung häufiger auftretenden Begriffe zu den einzelnen Nachlaßkategorien (Materialarten). Die Richtlinien zur Ordnung und Erschließung eines Nachlasses sollen in analoger Weise auch für einzelne Autographen gelten. Im nächsten Abschnitt schlagen die RNA vereinheitlichende Richtlinien für die Erschließung eines Nachlasses im Nachlaßverzeichnis vor. Nach den einleitenden Abschnitten zum Nachlasser oder zu der Nachlasserin, seinem bzw. ihrem Werk und der Wirkung sollen unter Angabe allenfalls bestehender Benutzungseinschränkungen die einzelnen Nachlaßkategorien separat verzeichnet werden. Der Hauptteil der RNA, das eigentliche Regelwerk, normiert die Beschreibung und die Bestandteile der Beschreibung von Nachlaßunterlagen paragraphenweise, wobei der Begriff ›Unterlage‹ als Beschreibungseinheit eingeführt wird. Unterlagen können aus einzelnen Teilen bestellen, für welche ihrerseits eitle Aufnahme erstellt werden kann. ›Konvolut‹ meint eine vorgefundene oder hergestellte Einheit von Unterlagen, die nur eine gemeinsame Titelaufnahme erhalten. Bei den Bestandteilen der Beschreibung unterscheiden die RNA zwischen fakultativen und obligatorischen Angaben. Personen und / oder Körperschaften, die an einer Unterlage beteiligt sind, Materialart, Titel (sofern Angaben vorhanden), Art, Umfang, Anzahl und die Angabe von Benutzungsbeschränkungen sind obligatorisch. In Deutschland werden (mindestens) diese obligatorischen Angaben an die Zentralkartei der Autographen geliefert. Die folgenden Paragraphen regeln die Ansetzung der Personen- und Körperschaftsnamen, die in Anlehnung an die bestehenden Normdateien Personennamendatei (PND) sowie Gemeinsame Körperschaftsdatei (GKD) und Zeitschriftendatenbank (ZDB) zu erfolgen habe. Ebenfalls normiert werden Titelaufnahmen und Kollationsvermerke. Erwähnt werden zudem auch spezielle Angaben, die in einem Nachlaßverzeichnis auftreten können, wie etwa die Angabe von Einband und Wasserzeichen, Editions- und Literaturhinweise, Inhaltsangaben, Provenienz, Erhaltungszustand, Benutzungsbeschränkung u. a. m. Der dritte Hauptteil der RNA bringt, geordnet nach den einzelnen Materialarten, eine Liste aller empfohlenen Beschreibungskategorien, verbunden mit dem jeweils zutreffenden RNA-Paragraphen und der Feldnummer des Maschinellen Austauschformats für Bibliotheken MAB2 sowie der Angabe, ob die betreffende Kategorie fakultativ oder obligatorisch ist. Die beigefügte Umschreibung, was denn nun ›fakultativ‹ oder ›obligatorisch‹ sei, verwischt allerdings mit Verlaub den beiden Begriffen in der umgangssprachlichen Verwendung zukommenden Sinn, wenn von den fakultativen Kategorien gesagt wird, sie »sollen auf jeden Fall besetzt werden, wenn entsprechende Daten und Informationen vorliegen bzw. mit vertretbarem Aufwand ermittelt werden können.« (S. 44, Anm. 2) Archiven und Bibliotheken wird vielfach nichts anderes übrigbleiben, als sich auf die obligatorischen Kategorien zu beschränken und die fakultativen fakultativ bleiben zu lassen ... [1/ S. 146:] Für die praktische Arbeit mit Nachlaßdokumenten äußerst hilfreich sind sowohl das beigegebene Glossar, das eine Auswahl der wichtigsten, in den RNA verwendeten Begriffen zur Nachlaßerschließung und -beschreibung verzeichnet und erklärt, als auch die einzelnen Anhänge: eine Liste der empfohlenen Abkürzungen, der Ländercodes, eine Auswahl von Sprach- und Schriftbezeichnungen und die bereits erwähnten Vorschläge zur Zuordnung der Nachlaßmaterialien. Einzig der fünfte Anhang mit Beispielen für Begriffe der Textausreifung vermag nicht, den Ansprüchen einer genetischen Textwissenschaft zu genügen, indem hier diskussionsbedürftige Begriffe wie Fassung, Textfragment und Version kommentarlos aufgelistet werden. Weder für Laien noch für Fachente ist immer ganz offensichtlich, wie sich ein literarischer ›Entwurf‹ von einer ›Skizze‹ oder einem ›Exposé‹ abgrenzen läßt, zumal die einzelnen Begriffe ins diesem fünften Anhang auch im beigefügten Glossar nicht weiter erklärt werden. Eine inhaltliche Ausarbeitung dieses fünften Anhangteils (oder des Glossars) müßte in einer Folgeauflage erst noch geleistet werden. Rudolf Probst |
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