Frauenliteratur der österreichischen Moderne
Nonkonformistin und Künstler-Muse
E. A. wird als Elsa Packeny in Wien geboren und heiratet 1890 den Bulgaren Ivan Johann Nestoroff. Ihr erstgeborener Sohn Asen stirbt, worauf sie dessen Namen als Pseudonym für ihre schriftstellerische Karriere annimmt. 1896 wird die Ehe geschieden und es erscheint ihre Erstveröffentlichung: "Ist das Liebe? Kleine psychologische Erzählungen und Betrachtungen". Sie geht nach Leipzig und lernt bei einem Vortragsabend Detlev von Lilienkrons 1898 den Künstler Max Klinger (1857-1920) kennen, wird sein Modell und seine langjährige Lebensgefährtin. Am 7.9.1900 wird in Paris ihre gemeinsame Tochter Desirée geboren, die zu einer Pflegemutter kommt. 1903 erwirbt M. K. in Großjena einen Weinberg mit Winzerhäuschen, wohin er sich mit E. A. aus dem hektischen Leipziger Großstadtleben zurückzieht. Dennoch kommt es zu einer zunehmenden Entfremdung. Ab 1911 wird die junge Gertrud Bock (1893-1932) sein Modell und seine ständige Begleiterin. 1916 kommt es zum endgültigen Bruch zwischen A. und K. Über ihre letzten Lebensjahre ist wenig bekannt. Sie soll viele Jahre in psychiatrischen Anstalten verbracht haben und es wird vermutet, dass sie dem NS-Euthanasie-Programm zum Opfer fiel. In ihren Büchern behandelt sie Themen, wie die Gewalt in den Geschlechterbeziehungen, die sexuelle Unterdrückung der Frauen oder die Unfähigkeit der Männer, Frauen auf geistiger Ebene als gleichberechtigte Partner zu begegnen. A. kann als frühe Vorläuferin des sog. Differenz-Feminismus betrachtet werden, der von einer radikalen Andersartigkeit der Frau ausgeht.
In diesem formal schwer einzuordnenden, weil zwischen Pamphlet, Aphorismus und Essay oszillierenden theoretischen Beitrag zur Frauen- und Geschlechterfrage redet E. A. einer fundamentalen Geschlechterdifferenz und weiblichen Autonomie das Wort. Dabei kommen eindeutig antifeministische Töne durch, wenn sie der sog. "Emanzipierten" (dem "dritten Geschlecht"), die Vorzüge des "echten Weibes" gegenüberstellt. In der radikalen Ablehnung der Emanzipation als einer für sie oberflächlichen Anpassung an männliche Werte kommt sie zu paradoxen Schlüssen: die Institution der Ehe wird zum weiblichen Freiraum (v)erklärt: "O schöne geheiligte Einsamkeit hinter den Mauern des Ehegefängnisses, wo das Weib so frei im Geiste war, wie kein anderes Wesen auf Erden". Jeder Kampf um Gleichstellung mit den Männern bedeute nach A. eine Erniedrigung und einen unwiderbringlichen Verlust an weiblicher Identität. Emanzipierte Frauen übernehmen ihrer Meinung nach die falschen männlichen Werte, während die wahren weiblichen Qualitäten in der Fähigkeit liegen, höhere "Kultur" (Kunst, Wissenschaft) hervorzubringen und sich in einer Symbiose mit kosmischer Energie befinden.
Dieses fiktive Tagebuch einer in Leipzig studierenden jungen Frau (Irene), handelt die Themen Liebe, Erotik, Begehren und Enttäuschung ab. Irene beschreibt die ungewöhnliche Liebesbeziehung einer anderen Studentin (Hella - ihr Alter Ego), die sich über alle Konventionen hinwegsetzt und die Liebe als einzigartiges mystisches Geschehen erlebt - nur der Freitod kann sie vor der Banalisierung der Liebe im Alltag retten. Die weibliche Utopie von der Liebe und das tatsächliche sexuelle Erleben prallen in diesem Text immer wieder schmerzhaft aufeinander. So erlischt auch das erotische Begehren Irenes im Augenblick der Begegnung mit der männlichen "Lüsternheit" und macht einer plötzlichen, körperlich empfundenen Kälte Platz.