Die Lehre der Sainte-Victoire (Textfassung 2a)

Typoskript 2-zeilig, Exemplar von Siegfried Unseld, 103 Blatt, ohne Datum [12.04.1980 bis 20.04.1980]

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Dieses Typoskript der zweiten Textfassung von Die Lehre der Sainte-Victoire (Textfassung 2a) schickte Peter Handke am 20. April 1980 an seinen Verleger Siegfried Unseld mit dem Kommentar: »damit ich es schon einmal los habe« (Handke / Unseld 2012, S. 402). Die handschriftlichen Korrekturen, Streichungen und Einfügungen aus der ersten Textfassung sind darin weitgehend übernommen, wobei manche Stellen bei der Umsetzung der Korrekturen mit noch weitreichenderen Änderungen neu formuliert oder großzügiger gestrichen wurden. Das Typoskript dieser zweiten Fassung wurde zudem zweizeilig und mit breitem Korrekturrand getippt.

Kapitelstruktur

Im Gegensatz zur ersten Textfassung ist der Text der zweiten Fassung bereits durch Absätze und Leerzeilen gegliedert. Die neun Kapitelüberschriften blieben im Wortlaut unverändert und sind wieder jeweils mit Bleistift links neben den Text geschrieben: »Der große Bogen« (Bl. 1), »Die Anhöhe der Farben« (Bl. 25), »Die Hochebene des Philosophen« (Bl. 31), »Der Sprung des Wolfs« (Bl. 37), »Der Maulbeerenweg« (Bl. 44), »Das Bild der Bilder« (Bl. 50), »Das kalte Feld« (Bl. 59), »Der Hügel der Kreisel« (Bl. 69), »Der große Wald« (Bl. 85).

Umfang

Das Typoskript umfasst 103 Blatt, die nach zwei unpaginierten Blättern – einem Titelblatt (Bl. I) und einem Widmungsblatt mit der Aufschrift »für Hermann \Lenz/ und Hanne Lenz, zum Dank für den Januar 1979« (Bl. II) von Handke mit einer Seitenzählung von 1-100 versehen wurden. Das letzte Blatt ist wiederum ohne Paginierung. Es enthält die Entstehungsangabe »(geschrieben in Salzburg im Winter und Frühjahr 1980)« sowie den Zusatz: »Langsame Heimkehr,2.Teil« [sic!] (Bl. I*), beide sind bereits in der ersten Textfassung zu finden (ÖLA SPH/LW/W19, Bl. I u. II). Dieser Hinweis auf die Fortsetzung des Romans Langsame Heimkehr wurde von Handke in die dritte Fassung und in die Buchausgabe nicht weiter übernommen. Auffällig ist die durchgehende Doppel-s-Schreibung, die sich auf das von Handke verwendete Schreibmaschinenmodell zurückführen lässt.

Datierung

Auf dem Titelblatt, einem gelben Karton, schrieb Handke mit Bleistift den Titel »Peter Handke [/] Die Lehre der Sainte-Victoire«. Darunter wurde vom Verlag vermerkt (die Handschrift lässt sich nicht eindeutig zuordnen): »1. Version Anf. April 80« (Bl. I). Die Notiz liefert einen ersten Anhaltspunkt zur Datierung der zweiten Fassung. Da das Typoskript undatiert ist, lässt sich der Entstehungszeitraum nur ungefähr ermitteln: Peter Handke beendete die Niederschrift der ersten Textfassung am 12. April 1980 und sandte diese zweite Textfassung (2a) bereits am 20. April an seinen Verleger Siegfried Unseld. Die zweite Textfassung muss somit in der zwischen diesen Daten liegenden Woche geschrieben worden sein.

Korrekturen und Überklebungen

Das Typoskript enthält einige Bleistiftkorrekturen und Übertippungen von Peter Handke, allerdings in weit geringerer Dichte als noch in der ersten Textfassung. Markant sind insgesamt vier Überklebungen in den Kapiteln »Der Sprung des Wolfs«, »Der Maulbeerenweg« und »Das kalte Feld«. Bei der ersten schrieb Handke acht Zeilen vollständig neu und klebte diese im Kapitel »Der Sprung des Wolfs« über den zu tilgenden Text: »Ein fernes Grollen kam dazu, eher ein Raunen im Luftraum, und \fastzugleich/ fast zugleich brüllte mich dann hautnah etwas an;  worauf ich durch das Stacheldrahtmuster in einen purpurnen Schlund blickte. Jetzt erst sah ich den Hund – es war eine Doggenart – und erkannte in ihm meinen \empfand ich hautnah ein Brüllen: den bösesten aller Laute, Todes- und Kriegsgeschrei zugleich, ohne Ansatz das Herz anspringend, das ein Phantasiebild lang eine panisch gesträubte, buckelnde Katze wurde. Ende der Farben und Formen in der Landschaft. Nur noch ein Zahnweiss und ein bläuliches Fleischpurpur. Ja, vor mir, hinter dem Zaun, stand ein grosser Hund – eine Doggenart– [sic], und ich erkannte in ihm meinen/ Feind wieder.« (Bl. 37-38)

Die zweite Überklebung im Umfang von vier Zeilen folgt kurz darauf im selben Kapitel: »Ich begriff: er meinte gar nicht mich-im-besonderen, sondern sein Blutdurst war hier auf dem Territorium der Fremdenlegion, wo nur mehr das Kriegsrecht galt, auf denjenigen dressiert, der noch unbewaffnet ein Ich war. ("Es muss doch wenigstens einen geben, der unbewaffnet bleibt," schrieb der Dichter.) \Kriegsrecht galt, auf jedweden dressiert, der, unbewaffnet, ohne Uniform, bloss war, der er war. (Wenigstens einen müsste es doch geben, der unbewaffnet bleibe, schrieb diesbezüglich einmal solch ein blosses Ich.)/ Er, der Wachhund im Gelände [...]« (Bl. 39).

Die dritte Überklebung im Kapitel »Der Maulbeerenweg« betrifft vier Zeilen auf Seite 49 des Typoskripts: »In der Tiefe des Seitenwegs sah ich nämlich einen Maulbeerbaum (eigentlich nur die rötlichen Fruchtsaftflecken im Wegstaub. Etwas, der Anblick, die Augen, dunkelten – während zugleich die Einzeldinge sich rundeten und klar wurden, und ich "der Schriftsteller". \nur die rötlichen Fruchtsaftflecken von Maulbeeren im hellen Wegstaub); und etwas, der Anblick? die Augen?, dunkelten – während zugleich jede Einzelheit rund und klar wurde – und ich rein niemand: rechtens der Schriftsteller, ja./« (Bl. 49).

Eine vierte Überklebung betrifft die Seiten 68 und 69 im Kapitel »Das Kalte Feld«. Insgesamt 13 Zeilen fügte Handke neu ein: »(Doch weder Haus noch Mann sollen im einzelnen beschrieben werden.) Ich sah in seinen Augen die Todesangst und fühlte eine verspätete Verantwortung für ihn. Er kam mir wie der Sohn von irgendjemandem vor(nicht von mir). Der Geist des Fragens ergriff mich( ich meinte, was ich sagte),und er antwortete, nicht nur mir zuliebe. Ganz nebenbei sagte er, schon wenn er sich am Morgen in Spiegel sähe, würde er sich am liebsten in die Visage hauen. (Als er mich spätnachts zum letzten Zug brachte, brannte an einem [sic] \noch Mann sollen im einzelnen beschrieben und einschlägig bekanntgemacht werden.) [...] (Als er mich spätnachts zum letzten Zug begleitete, brannte an einem/ Bahnhofsbaum lichterloh ein Plakat, das die unbeschäftigten Taxifahrer da in Brand gesteckt hatten.)« (Bl. 68-69). Alle überklebten Stellen lassen sich anhand vorhandener Durchschläge in der Sammlung Peter Handke/Leihgabe Widrich rekonstruieren (vgl. ÖLA SPH/LW/W16/3 und ÖLA SPH/LW/W16/4).

Im begleitenden Brief an Siegfried Unseld teilte Peter Handke seinem Verleger mit, dass er das Typoskript »eigentlich in einer Woche noch einmal durchschreiben« wolle, aber das könne er »auch zwischen 10. u. 15. Mai machen« (Handke / Unseld, S. 402). Damit deutete Handke bereits auf eine Überarbeitung dieser zweiten zu einer dritten Textfassung hin.

Dem Typoskript liegen im Bestand des Suhrkamp Archivs am Deutschen Literaturarchiv Marbach acht Blatt mit Siegfried Unselds Lesenotizen bei, die dieser nach Erhalt und nach der Lektüre des Typoskripts anfertigte. Dem Briefwechsel zufolge müsste dies um den 5. und 6. Mai 1980 herum gewesen sein (Handke / Unseld 2012, S. 395). (kp/ck)

Siglenverzeichnis Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

Die Lehre der Sainte-Victoire [Bl. I]

Beteiligte Personen:  Siegfried Unseld
Entstehungsdatum (laut Vorlage):  Anf. April 80 [Notiz von Siegfried Unseld auf Bl. I], Winter und Frühjahr 1980 [Bl. 100]
Datum normiert:  ohne Datum [12.04.1980 bis 20.04.1980]
Entstehungsorte (laut Vorlage): 

Salzburg [Bl. I*]

Materialart und Besitz

Besitz:  Deutsches Literaturarchiv Marbach
Art, Umfang, Anzahl: 

Typoskript 2-zeilig, 103 Blatt, fol. I-II, pag. 1-100, I*, mit eh. Bleistiftkorrekturen und Überklebungen

Format:  A4
Schreibstoff:  Bleistift
Weitere Beilagen: 

 

  • Kuvert mit hs. Aufschrift von Siegfried Unseld
  • Manuskript 8 Blatt, mit hs. Lesenotizen von Siegfried Unseld auf Briefpapier von Siegfried Unseld, geschrieben mit Stift (schwarz), Bleistift, Kugelschreiber (blau); die schwer lesbaren Notizen bestehen zum Teil nur aus Wörtern und sind seitlich mit Nummern (den Seitenzahlen) versehen, zum Beispiel: »32 bekanntlich [/] 35 unwillkürlich [/] [...] [/] 38 nein das Lexikon sagt [/] 43 Was ist das? [/] 44 spezielles Leiden«

Ergänzende Bemerkungen

Bemerkungen: 

alte Signatur vor Übergabe an das DLA Marbach: SV, PH, W1/11.1
alte Signatur der Beilage vor Übergabe an das DLA Marbach: SV, PH, W1/11.1a