Christ ist geboren
Prachthandschriften zum Weihnachtsfest

Weihnachten, an dem die Geburt Christi gefeiert wird, ist fest im Bewusstsein der Menschen verankert. Unabhängig von der Einstellung zu Glaubensfragen und Religion, angesiedelt zwischen besinnlicher Einkehr und kommerzieller Ausrichtung hat Weihnachten einen fixen Platz im Jahresablauf. Weit verbreitet ist auch noch die Kenntnis über den Anlass des Festes; liturgische Feiern, wie die Mitternachtsmette, und volkstümliches Brauchtum, wie Adventskranz und Weihnachtsbaum, sind wohl bekannte traditionelle Rituale und Ausdrucksformen. Nicht unwesentlich ist unsere Vorstellung verbunden mit bildlichen Darstellungen der Geburt, deren Hauptakteure – Christus, Maria und Josef – und natürlich auch Begleitfiguren wie Ochs und Esel leicht identifiziert werden können.

Die Bilder, die uns von Grußkarten vertraut sind, stammen oftmals aus mittelalterlichen Kunstwerken, vor allem auch aus kostbar ausgemalten Handschriften. Tatsächlich liefert dieses Zeitalter in vielfacher Hinsicht die Grundlagen für unser Verständnis vom Weihnachtsfest. Auf den in ihrem erzählerischen Gehalt oft kargen evangelischen Berichten aufbauend, werden die Ereignisse in dieser Zeit mit einer Fülle von inhaltlichen, zum Teil legendenhaften Erweiterungen bereichert.

Die Gliederung der Ausstellung folgt der Chronologie der evangelischen Berichte und thematisiert die einzelnen Stationen, die unter dem Erzählkreis der Kindheitsgeschichte Christi zyklisch zusammengefasst werden. Anhand kostbarer Prachthandschriften wird der thematische Bogen von der Verkündigung an Maria und die Heimsuchung, über Christi Geburt und Verkündigung an die Hirten, die Anbetung der Könige bis hin zur Flucht nach Ägypten gespannt.

Verkündigung des Herrn

„Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte Dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.“
(Lukas 1, 30-31)

Das Evangelium des Lukas berichtet nur knapp von dem Ereignis, mit dem im christlichen Glauben die Erlösung der Menschheit ihren Anfang genommen hat. Denn mit der Verkündigung an Maria, der Fleischwerdung von Gottes Wort, wird in der Kirche von alters her der Beginn des Neuen Bundes, des Zeitalters sub gratia (unter der Gnade) gesehen. Dieser Bund findet mit dem Opfertod Christi am Kreuz und der Auferstehung seine Vollendung. – In der mittelalterlichen Buchmalerei steht der Moment der Begegnung des Engels mit Maria im Vordergrund. Mit erschrockenem Gestus oder ruhiger Gelassenheit wird die Nachricht des Verkünders von der Jungfrau aufgenommen. In den spätmittelalterlichen Stundenbüchern wird die Szene mit Erzählungen aus der Kindheitsgeschichte Marias verbunden.

Heimsuchung Mariä

„Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.“
(Lukas 1, 39-40)

Die Heimsuchung Mariä, die im biblischen Bericht auf die Verkündigung folgt, hat die Begegnung der beiden schwangeren Frauen Maria und ihrer Kusine Elisabeth zum zentralen Thema. Der erzählerische Rahmen schließt außer der Verkündigung an das greise Ehepaar Elisabeth und Zacharias vor allem auch die Jugendgeschichte ihres Sohnes Johannes des Täufers mit ein. Eine nachhaltige Wirkung war dem in diesem Zusammenhang entstandenen Lobgesang Mariä (Magnificat) und dem Lied des Zacharias (Benedictus) beschieden. – In den Handschriften des Mittelalters steht neben dem zeitbedingten Interesse für kunstvoll wiedergegebene Architektur- und Landschaftskulissen immer wieder auch die emotionale Komponente der Begegnung der beiden schwangeren Frauen im Vordergrund.

Geburt Christi

„Als sie dort waren, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war.“
(Lukas 2, 6-7)

Die ausführlichste und zugleich berühmteste Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium schildert den Gang Josefs mit seiner schwangeren Frau Maria nach Bethlehem, ihre Herbergssuche, die Niederkunft in einem Stall und die Anbetung des Kindes durch die Hirten. – Die Buchkunst nimmt die in den zahlreichen schriftlichen Quellen vorgebrachten Episoden auf und integriert sie in erzählerisch ausgeschmückten Bildern. Die Geburt in der Höhle, das Baden des Kindes und der fürsorgliche Josef, der seine Hosen zu Windeln umfunktioniert, sind beliebte Themen. Darüber hinaus beinhalten die Bilder aber auch symbolhaft ausgelegte Motive wie die Darstellung des Lichtes oder Ochse und Esel, die als Symbol des auserwählten Volkes bzw. der Heidenwelt angesehen wurden.

Die Verkündigung des Engels an die Hirten

„In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen [...]: fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude [...]: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren.“
(Lukas 2, 8-11)

Dass die Botschaft vom Wunder der Menschwerdung Gottes, von der Geburt des Messias, als erstes dem einfachen Hirtenvolk verkündet wird, ist von großer Bedeutung und spiegelt einen wesentlichen Grundgedanken der christlichen Lehre wider: Dieser Gott wird – im Gegensatz zu den antiken Göttern – als ein Gott präsentiert, der sich von irdischem Reichtum nicht blenden lässt. Er macht daher ausgerechnet jene, die nicht lesen können, aber mit dem Herzen verstehen, zu seinen ersten Zeugen, damit sie die himmlische Botschaft weiter tragen in die Welt. – Die spätmittelalterlichen Stundenbücher widmen diesem Thema eigenständige Bilder, die sie mitunter zu bukolischen Idyllen ausbauen.

Beschneidung und Namensgebung des Herrn

„Als acht Tage vorüber waren und das Kind beschnitten werden sollte, gab man ihm den Namen Jesus, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde.“
(Lukas 2, 21

Ganz selbstverständlich berichtet das Lukas-Evangelium von der Beschneidung, mit der das auch heute noch wichtigste Gebot des jüdischen Glaubens an Christus vollzogen wurde. Ausgangspunkt für den Ritus ist das Alte Testament, dem zufolge Gott mit Abraham und dem Volk Israel einen Bund schloss und als Zeichen dafür die Beschneidung aller männlichen Angehörigen am achten Tag nach der Geburt einforderte: „So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein (Genesis 17, 13). – In Parallele zu den literarischen Deutungen des Mittelalters, die wie die Legenda aurea hervorhebt „daß Christus heute das erste Blut für uns vergossen hat“, wird die Beschneidung auch in den bildlichen Darstellungen der Passion Christi gegenüber gestellt.

Darstellung des Herrn

„Dann kam für sie der Tag, der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf um es dem Herrn zu weihen.“
(Lukas 2, 22)

Dem Gesetz des Alten Testaments folgend führen Maria und Josef vierzig Tage nach der Geburt ihren Sohn in den Tempel. Maria bringt als Reinigungsopfer zwei Tauben dar. Ihr Sohn, der als erstgeborener als Eigentum Gottes gilt, muss durch ein Geldopfer ausgelöst werden. Darüber hinaus wird im Evangelium die Begegnung mit dem Propheten Simeon erzählt, der in dem Knaben den Messias erkennt. – Die mittelalterlichen Buchmaler konzentrieren sich auf die Darstellung der Darbringung Jesu im Tempel, die in Anspielung auf den Opfertod Christi oft direkt über dem Altar vollzogen wird. Eindrucksvoll wird dies in den Stundenbüchern hervorgehoben, die der Darbringung die Kreuzigung gegenüberstellen. Auch die an diesem Festtag (Maria Lichtmess) vollzogene Kerzenweihe und die Lichterprozession wurden thematisiert.

Erscheinung des Herrn (Epiphanie)

„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“
(Matthäus 2, 1-2)

In den östlichen Kirchen hatte die Epiphanie als das ältere Geburtsfest Christi die Geburts- und Kindheitsgeschichten des Matthäus- und Lukas-Evangeliums zum Hintergrund. Im Westen verband man mit diesem Fest insbesondere die Geschichte der Drei Weisen aus dem Morgenland. Geleitet von einer kosmischen Erscheinung, die sie im Sinne damaliger astrologischer Vorstellungen auf die Geburt eines neuen Königs beziehen, begeben sich die Magier nach Jerusalem. Von Herodes dazu veranlasst, eruieren die Sterndeuter den Geburtsort und ziehen nach Bethlehem, finden das Kind, beten es an und bringen Gold, Weihrauch und Myrrhe.

Bethlehemitischer Kindermord und die Flucht nach Ägypten

„Als Herodes merkte, daß ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig, und er ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten.“
(Matthäus 2, 16)

„Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten.“
(Matthäus 2, 13)

Die Kinder von Bethlehem und ihre Mütter, Herodes und seine Schergen – sie sind die Akteure des biblischen Dramas, in dem Unschuld und Mutter-liebe der Machtgier eines antiken Gewaltherrschers zum Opfer fallen. Ausgelöst wurde der barbarische Akt durch die Täuschung der Sterndeuter. Sie sollten Herodes den genauen Aufenthaltsort des neugeborenen Königs der Juden verraten. – Die mittelalterlichen Buchmaler stellen das Morden mit drastischem Detailrealismus dar, während die Flucht der Heiligen Familie bald um zahlreiche Wundergeschichten bereichert wurde.

 

Prunksaal der Österreichischen
Nationalbibliothek
Josefsplatz 1, 1010 Wien

Dauer
1. Dezember 2006 bis
14. Jänner 2007

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr
Donnerstag 10 bis 21 Uhr
24. Dezember 10 bis 15 Uhr

Eintritt
€ 5,– / ermäßigt € 3,–

Führungen
Zum Preis von € 2,5 jeden Donnerstag um 18 Uhr
sowie nach Vereinbarung unter
Tel.: (+43 1) 534 10-464, -261 oder: oeffentlichkeitsarbeit@onb.ac.at
Kinderführungen: „Christkind, Ochs und Esel”