ΟΙΔΙΠΟΥΣ ΕΠΙ ΚΟΛΩΝΩΙ. Ödipus in Kolonos (Textfassung 1)

Bleistiftmanuskript, 101 Blatt, 20.05.2002 bis 23.09.2002

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Die erste Textfassung von Sophokles' »ΟΙΔΙΠΟΥΣ ΕΠΙ ΚΟΛΩΝΩΙ« (Bl. I) in Peter Handkes Übersetzung »Ödipus in Kolonos« (Bl. I) ist ein Bleistiftmanuskript mit einem Umfang von 101 Blatt, das nach drei unpaginierten Blättern von Handke mit einer Seitenzählung von 1-98 versehen wurde. Auf dem Titelblatt hielt er neben dem griechischen und dem deutschen Stücknamen die Anmerkungen »aus dem Altgriechischen ins Deutsche [/] übertragen von [/] Peter Handke« und »Übersetzung [/] begonnen am [/] 20. Mai 2002/ [/] Chaville [/] PH« (Bl. I) fest. Die ursprünglich auf diesem Blatt eingetragene Widmung radierte er wieder aus und notierte sie auf einem separaten Widmungsblatt: »dem Andenken an Alfred Scherbantin, [/] meinen Griechischlehrer, und an [/] den Gräzisten Franz Schwarz [/] PH, [/] September 2002« (Bl. III). Zwischen diesen beiden Blättern befindet sich das Personenblatt, auf dem die Figurennamen jeweils auf Altgriechisch und auf Deutsch angegeben sind und der Ort der Handlung definiert wird: »Ein Hain zwischen Felsen [/] beim noch sagenhaften Athen« (Bl. II). Auf dem letzten Blatt des Manuskripts hielt Handke unterhalb der dort vermerkten Datierung die »verwendete Ausgabe« (Bl. 98) fest, die seiner Übersetzung zugrunde liegt: »Édition "Les Belles Lettres", Paris, 1967, Textfassung von Alphouse Dain« (Bl. 98).

Peter Handke begann die Niederschrift der Übersetzung am »20. Mai 2002« (Bl. 1). Die Datierungen der Schreibtage sind hier und in der Folge jeweils am rechten Blattrand eingetragen, ebenso wie die Verszahlen. Oberhalb des Textanfangs schrieb Handke den Titel des Stücks »Ödipus in (ἐπὶ) Kolonos« (Bl. 1). Die hinzugefügte griechische Präposition weist darauf hin, dass er zu Beginn des Schreibens seine Abweichung von der üblichen Titelübersetzung »Ödipus auf Kolonos« reflektierte. Der originale Wortlaut des Dramas ist beim Einstieg in die Übersetzungsarbeit noch sehr präsent: Bevor Handke den ersten Vers ins Deutsche übertrug, notierte er ihn auf Griechisch in lateinischen Buchstaben. »Tekmon tüphlu gerontos, Antigone -« übersetzte Handke dann zu »Antigone, Kind du eines alten Blinden« (Bl. 1). Am Textende geht der deutsche Text wieder in den griechischen über: Die letzten drei Verse, die vom Chor gesprochen werden, schrieb er auf Deutsch nieder, darunter abermals auf Griechisch in lateinischen Buchstaben und schließlich im griechischen Original (Bl. 97-98).

Auf dem Titelblatt vermerkte Handke die Verszahlen »924-928!« (Bl. I), deren Übersetzung lautet: »Nie würde ich einfallen in dein Land, und hätte \beanspruchte/ [/] ich auch \volle/ Rechtfertigung für alles, ohne \gegen/ den Bestimmenden [/] dort, und wer der auch sei; würde nie und nimmer [/] von dort jemand \aus dem andern Land/ greifen oder verschleppen – vielmehr [/] wüßte, \ja,/ wüßte, wie ein Fremder sein Leben ein\aus/zurichten [/] hätte bei den Bürgern der \einer/ andern Polis!« (Bl. 54) Es scheint wahrscheinlich, dass sich Handke eine zusätzliche Notiz dieser Verse aus politischen Gründen machte, denn am vorhergehenden Blatt findet sich die Randnotiz »KOSOVO!« (Bl. 53) neben den Versen: »Indem du [/] gehandelt hast sowohl wider meine Würde als [/] auch wider die des Landes, wo du herkommst, [/] als einer, welcher einfällt in eine Polis, die das [/] Recht pflegt und die ohne ein Gesetz nichts [/] schafft, stürzt du \dich/, hohnlachend der Hoheit des [/] Ortes, auf das, wonach dir der Sinn steht, und [/] zerrst es hinweg, nimmst es mit Gewalt.« (Bl. 53) Diese Randnotiz ist außergewöhnlich, da Handke in seinen Manuskripten äußerst selten Bemerkungen einträgt, die sich nicht unmittelbar auf den Text beziehen.

Er übersetzte ab dem 20. Mai täglich bis zum »27. Mai 2002« (Bl. 13). In dieser ersten Woche schrieb er 265 Verse und unterbrach dann bis zum »5. Juni 2002« (Bl. 14), an dem er nach einer Reise in den deutschen »Harz« und nach »Scheveningen« (Bl. 14) bei Den Haag weiterarbeitete. Diese Reise, bei der Handke aller Wahrscheinlichkeit nach Slobodan Milošević traf, könnte in Zusammenhang mit der oben erwähnten »KOSOVO!«-Notiz stehen. Bis zum »10. Juni 2002« (Bl. 23) schrieb Handke bis Vers 465 und pausierte dann einen ganzen Monat lang bis zum »9. Juli 2002« (Bl. 25). Von 9. bis »15. Juli 2002« (Bl. 37) hielt sich Handke in »Beauvallón« (Bl. 25) in Südfrankreich auf, wo er  täglich an seiner Übersetzung schrieb. Am »16. Juli 2002« (Bl. 39) arbeitete er auf der Heimreise »im TGV Aix Paris« (Bl. 39) weiter, ab »17. Juli 2002« (Bl. 40) in seinem Haus in »Chaville« (Bl. 40). In den folgenden drei Wochen schrieb er täglich, bis von »8. August 2002« (Bl. 82) bis »4. Sept. 2002« (Bl. 84) abermals eine beinah einmonatige Unterbrechung stattfand. Zu diesem Zeitpunkt hatte Handke bereits 1540 Verse (von insgesamt ca. 1780 Versen) übersetzt. Von 4. bis »10. Sept. 2002« (Bl. 89) schrieb Handke weiter und stellte die erste Textfassung von Ödipus in Kolonos schließlich in den Tagen von »18.« (Bl. 90) bis »23. Sept. 2002« (Bl. 97) fertig; unterhalb des Textendes hielt er nochmals den Entstehungszeitraum von »20. Mai – 23. Sept. 2002« (Bl. 98) fest, der sich aufgrund der längeren Unterbrechungen ergibt. Diese abgerechnet entstand das Manuskript an 57 Schreibtagen.

Am ersten Schreibtag übersetzte Handke nur 18 Verse; im gesamten Manuskript zeigt sich, dass er an einem Schreibtag durchschnittlich 30 Verse erarbeitete. Wie bereits im Manuskript seiner ersten Altgriechisch-Übersetzung (Prometheus, gefesselt) trug Handke auch in der ersten Textfassung von Ödipus in Kolonos die Namen der sprechenden Figuren, zumindest beim ersten Auftritt, in griechischen Buchstaben ein (vgl. ÖLA SPH/LW/W153). (Vanessa Hannesschläger)

Siglenverzeichnis  Editorische Zeichen

Tabellarische Daten

Titel, Datum und Ort

Eingetragene Werktitel (laut Vorlage): 

ΟΙΔΙΠΟΥΣ ΕΠΙ ΚΟΛΩΝΩΙ [//] Ödipus in Kolonos [Bl. I]; Ödipus in (ἐπὶ) Kolonos [Bl. 1]

Entstehungsdatum (laut Vorlage):  Übersetzung begonnen am 20. Mai 2002 [Bl. I]; September 2002 [Bl. III]; 20. Mai 2002 [Bl. 1]; 21. Mai 2002 [Bl. 1]; 22.5.02. [Bl. 3]; 23. Mai 2002 [Bl. 5]; 24/5/2002 [Bl. 6]; 25/5/2002 [Bl. 8]; 26. Mai 2002 [Bl. 10]; 27. Mai 2002 [Bl. 13]; 5. Juni 2002 (nach Harz u. Scheveningen) [Bl. 14]; 6. Juni 2002 [Bl. 16]; 7. Juni 2002 [Bl. 18]; 8. Juni 2002 [Bl. 20]; 9. Juni 2002 [Bl. 22]; 10. Juni 2002 [Bl. 23]; 9. Juli 2002 (Beauvallón) [Bl. 25]; 10. Juli 2002 (Beauv., Zikaden) [Bl. 26]; 11. Juli 2002 (Beauv.) [Bl. 28]; 12. Juli 2002 (Beauv.) [Bl. 31]; 13. Juli 2002 [Bl. 32]; 14. Juli 2002 Beauv. [Bl. 35]; 15. Juli 2002 Beauv. [Bl. 37]; 16. Juli 2002 (im TGV Aix → Paris) [Bl. 39]; 17. Juli 2002 (Chaville) [Bl. 40]; 18. Juli 2002 [Bl. 41]; 19. Juli 2002 [Bl. 43]; 20. Juli 2002 [Bl. 44]; 21. Juli 2002 [Bl. 47]; 22. Juli 2002 [Bl. 50]; 23. Juli 2002 [Bl. 53]; 24. Juli 2002 [Bl. 54]; 25. Juli 2002 [Bl. 55]; 26. Juli 2002 [Bl. 56]; 27. Juli 2002 [Bl. 57]; 28. Juli 2002 [Bl. 59]; 29. Juli 2002 [Bl. 60]; 30. Juli 2002 [Bl. 63]; 31. Juli 2002 [Bl. 65]; 1. August 2002 [Bl. 67]; 2. August 2002 [Bl. 69]; 3. August 2002 [Bl. 71]; 4. August 2002 [Bl. 72]; 5. August 2002 [Bl. 74]; 6. August 2002 [Bl. 76]; 7. August 2002 [Bl. 79]; 8. August 2002 [Bl. 82]; 4. Sept. 2002 [Bl. 84]; 5. Sept. 2002 [Bl. 85]; 6. Sept. 2002 [Bl. 86]; 7. Sept. 2002 [Bl. 87]; 9. Sept. 2002 [Bl. 88]; 10. Sept. 2002 [Bl. 89]; 18. Sept. 2002 [Bl. 90]; 19. Sept. 2002 [Bl. 91]; 20. Sept. 2002 [Bl. 92]; 21. Sept. 2002 [Bl. 95]; 22. Sept. 2002 [Bl. 96]; 23. Sept. 2002 [Bl. 97]; 20. Mai – 23. Sept. 2002 [Bl. 98]
Datum normiert:  20.05.2002 bis 23.09.2002
Entstehungsorte (laut Vorlage): 

Chaville [Bl. I]; (Beauvallón) [Bl. 25]; (Beauv., Zikaden) [Bl. 26]; (Beauv.) [Bl. 28]; (Beauv.) [Bl. 31]; Beauv. [Bl. 35]; Beauv. [Bl. 37]; (im TGV Aix Paris) [Bl. 39]; (Chaville) [Bl. 40]

Materialart und Besitz

Besitz:  Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek
Art, Umfang, Anzahl: 

Bleistiftmanuskript, 101 Blatt, fol. I-III, 1-98

Format:  A4
Schreibstoff:  Bleistift
Weitere Beilagen: 

1 leere, blaue Flügelmappe mit der Aufschrift »ΟΙΔΙΠΟΥΣ ΕΠΙ ΚΟΛΩΝΩΙ [//] 20. Mai 2002 – 23. September 2002«