Grundeintrag 1998
[2/ S. 351:] »Amtsschimmel raus, Pegasus rein!« - unter diesem Motto hat das 1977 gegründete und von einem Verein getragene Literaturarchiv
Sulzbach-Rosenberg seinen Einzug in das ehemalige Amtsgericht gehalten, in einen mächtigen Neurenaissancebau aus dem Jahr
1905.
Walter Höllerer, gebürtiger Sulzbach-Rosenberger, schuf mit zwei Schenkungen an den Freistaat Bayern die Grundlagen für das
Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg. Umfangreiche Sammlungen aus seiner Tätigkeit als Literaturwissenschaftler, Autor, Herausgeber
und Kritiker der Gruppe 47, als Entdecker und Förderer junger Talente und als heimatverbundener Oberpfälzer eröffnen den Blick
auf eine Sammlung zur deutschsprachigen Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur, die nicht primär auf Vollständigkeit bedacht
ist. Vielmehr geht es um eine »Zusammenhangsverständlichkeit«, die Höllerer hinsichtlich Autorengruppen, Schriftstellertreffen,
Diskussionen, Themen und Werken, die einen besonderen Einfluß erreicht haben, immer sichtbar machen wollte. Zu nennen ist
hier beispielsweise Günter Grass! mit dem Preis der Gruppe 47 ausgezeichneter Roman »Die Blechtrommel«, deren Erstfassung
(»Urtrommel«) als Typoskript im Archiv vorliegt. Bereits seit 1987 werden die Dokumente in einer dBase-Datenbank erfaßt. Die
Akzente-Korrespondenz mit ihren ca. 35.000 Briefen ist bereits vollständig im Computer abrufbar. Wichtige Namen der Nachkriegs-
und Gegenwartsliteratur sind darin vertreten: Ingeborg Bachmann, Hans Bender, Heinrich Böll, Elias Canetti, Paul Celan, Hilde
Domin, Günter Eich, Günter Grass, Michael Krüger, Günter Kunert, Hans Werner Richter, Wolfdietrich Schnurre und viele andere.
Mit Annahme der Schenkungen verpflichtete sich der Freistaat Bayern, die Voraussetzungen für eine sachgerechte Archivierung
und Aufarbeitung der Dokumente zu schaffen. Von 1994 bis 1996 wurde das Haus für ca 1,8 Mio DM renoviert: im Dachgeschoß erhielt
das Literaturarchiv ein fachgerecht und großzügig ausgebautes Depot.
Im Zuge des Umbaus erfolgte auch eine Überarbeitung und Neugestaltung der Dauerausstellung zur Gegenwartsliteratur, die seit
der Wiedereröffnung im Juli 1996 zu sehen ist.
Von Beginn an verstand sich das Literaturarchiv Sulzbach-Rosenberg als lebendiges Literaturhaus: das Veranstaltungsprogramm
bietet Lesungen, Sonderausstellungen, Vorträge, Wochenendtagungen, Schreibwerkstätten und Gesprächskreise zu literarischen
Themen.
Die Zusammenarbeit mit Schulen bildet einen weiteren Schwerpunkt: unter dem Motto »Literaturunterricht im Literaturarchiv«
finden Pro- [2/ S. 352:] jekttage mit Schulklassen und Fortbildungsveranstaltungen für Deutschlehrer statt.
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