aus: Granitsch: Kriegsdienstleistung der Frauen. 1915
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Allgemeines:
- Gründung 1910:
"Im Sommer 1910 veranstalteten die Frauen der kleinen niederösterreichischen Stadt Krems einen Fleischboykott und wandten sich um Unterstützung an eine Gruppe Wiener Frauen, die sich seit kurzem mit der Dienstboten- und Teuerungsfrage beschäftigte. Das brachte die Sache ins Rollen. Im Herbste darauf konstituierte sich unter Leitung von Frau Else Beer-Angerer und Fanny Freund-Markus die "Reichsorganisation der Hausfrauen Oesterreichs", die sofort eine außerordentlich rasche und starke Entwicklung nahm (...)."
(aus: Kulka, Leopoldine: Hausfrauenbewegung und Frauenbewegung. - In: Neues Frauenleben 16. Jg., Nr. 6, 1914)
- Ziel: Beeinflussung aller gesetzlichen und Verwaltungsmaßnahmen, die Hauswirtschaftsinteressen berühren; Heranziehung der Hausfrauen zu allen einschlägigen Beratungen und Entscheidungen; offizielle Wertung der Hausfrauenarbeit
- Mitarbeiterinnen: Fanny Freund-Marcus (Präsidentin), Else Beer-Angerer, Helene Granitsch (seit 1911), Adele Hirschenhauser, Stephanie Endlicher
- Die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs wurde 1910 gegründet und war eine der mitgliederstärksten Frauenorganisationen in Österreich. Mitgründerin und spätere langjährige Präsidentin war Fanny Freund-Marcus
Anlass der Gründung war die stetig zunehmende Lebensmittelteuerung, die im Sommer 1910 in Krems in Niederösterreich zu einem von Frauen organisierten Fleischboykott führte. Die Organisatorinnen wandten sich zwecks Unterstützung an eine Gruppe Wiener Frauen und im Herbst 1910 konstituierte sich unter der Leitung von Else Beer-Angerer und Fanny Freund-Marcus die Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs. Die Organisation war sehr erfolgreich und verfügte allein in Wien über 10.000 Mitglieder und über Ortsgruppen in zehn österreichischen Städten. Das Konzept dieser "Hausfrauenbewegung" blieb innerhalb des radikaleren Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung nicht ohne Kritik. Im Gegensatz zu Konsumgenossenschaften mit gemeinwirtschaftlichen Konzeptionen war die ROHÖ als Verbraucherinnenorganisation Teil der "Mittelstands-Selbsthilfe-Aktionen".
Während des Ersten Weltkrieges schloss sich die ROHÖ im Rahmen der Kriegsdienstleistung mit dem Bund österreichischer Frauenvereine (BÖFV) zusammen. Als erste Frauenorganisation leitete die zu diesem Zeitpunkt österreichweit aus 30.000 Mitgliedern bestehende ROHÖ zahlreiche Frauenhilfsaktionen ein. Dazu gehörte insbesondere die Unterstützung arbeitssuchender Frauen. Außerdem bemühte sich die ROHÖ darum, eine Verdienstmöglichkeit für Frauen zu schaffen und errichtete diverse Arbeitsstuben wie Näh-, Strick- und Pelzstuben, in denen Aufträge für die Armee ausgeführt wurden.
Die ROHÖ gab nach dem Ersten Weltkrieg ein eigenes Blatt, das "ROHÖ-Flugblatt" heraus, aus dem später "Die Hausfrau" (1925-1933) und noch später "Die österreichische Hausfrau" (1933-1938) wurde. Anfang der Zwanzigerjahre wurde die ROHÖ - und insbesondere Fanny Freund-Marcus - nicht nur Gegenstand heftiger frauenfeindlicher Angriffe, sondern auch antisemitischer Attacken seitens der Wiener Kaufleute. Hinweise auf antisemitische Angriffe gibt es bereits für das Jahr 1916 als Deutschnationale versuchten, die Generalversammlung der ROHÖ zu sprengen, nachdem vorher ihr Antrag auf Umbenennung der ROHÖ in "Reichsverband deutscher Hausfrauen Österreichs" abgelehnt worden war. Ein halbes Jahr später fand die Konkurrenzgründung des "Verbandes deutscher Hausfrauen Österreichs" statt.
Eine KonsumentInnengeschichte, die den Faktor Antisemitismus berücksichtigt, steht für Österreich noch aus. Eine solche Fragestellung würde möglicherweise zu einer Neubewertung der ROHÖ führen, als einer Vereinigung jüdischer und nicht-jüdischer Frauen, die sich auch gegen den Antisemitismus im Handel richtete.
(Elisabeth Malleier)
- Gleich zu Beginn des ersten Kriegsjahres 1914 wird die Frauen-Hilfsaktion mit Frauen aus allen Parteien unter dem Vorsitz von Berta Weiskirchner ins Leben gerufen. Es werden Arbeitskomitees für die 21 Bezirke Wiens gebildet. Sammlung von Warenspenden und Geld, Ausspeisungen und Kinderbetreuung,Vermittlung von Arbeit etc. werden organisiert.
(Siehe dazu: Colbert, Tony: "Neues Frauenleben" 16. Jg., 1914, Nr. 8/9)
Dokumente:
- Satzungen des Vereins "Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs (Rohö). - Wien : Davis, 1917
Signatur: 535.533-B
- Satzungen der Ortsgruppe Wien der Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs (Rohö). - Wien : Dr. Davis, 1917
Signatur: 535.521-B
- Rohö-Frauenblatt : für die wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Frau in Staat, Gemeine und Einzelhaushalt. Herausgeberin: Adele Bardowicz (später: Rosine Obermüller, Eugenie Benisch-Darlang). - Wien, 1921 - 1927
Signatur: 606142-D
Sekundärliteratur und Quellen:
- Ellmeier, Andrea & Singer-Meczes, Eva: Einkaufen in Wien 1918-1933 ; eine Analyse konsumgenossenschaftlicher Frauen(presse)politik und bürgerlicher Frauen- und Kundenzeitschriften. - Wien 1990, Dipl.-Arb.
Signatur: 1270393-C
- Freund-Marcus, Fanny: Die Kriegsfürsorgeaktionen der ROHÖ. - In: Granitsch, Helene: Kriegsdienstleistung der Frauen. Wien 1915, S. 38-47
Signatur: 506915-B
Online bei ALO
- Granitsch,Helene: Kriegsdienstleistung der Frauen. Wien 1915.
Signatur: 506915-B
Online bei ALO
- Kulka, Leopoldine: Hausfrauenbewegung und Frauenbewegung. - In: Neues Frauenleben, 1914, Nr. 6, S. 165-169
Signatur: 422673-B.Per
Online bei ALO
- Malleier, Elisabeth: Die Verschränkung jüdischer frauenbewegter und nationaler Identitäten : das Engagement jüdischer Frauen während des Ersten Weltkrieges. - In: Mitteilungen des Instituts für Wissenschaft und Kunst. biografiA : neue Ergebnisse der Frauenbiografieforschung. - 56 (2001) 4, S. 10-17
Signatur: 858240-B.Neu-Per
- Eine stürmische Generalversammlung der "ROHÖ". - In: Neues Wiener Journal. Wien 16. Mai 1916
Nachlässe:
- Tiroler Landesarchiv (Reichsorganisation der Hausfrauen Österreichs - Ortsgruppe Innsbruck
Akten ca. 1915-1921)
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