Mit der Gründung des Bundes der Frauenvereine Ungarns (Magyarországi Nőegyesületek Sövetsége, MNSz) im Jahre 1904 entsteht ein übergreifendes Forum für die Artikulation frauenbewegter Positionen und entsprechender Forderungen. Zur Entstehung der landesweiten Dachorganisation der Frauenvereine in Ungarn kommt es nach einem Aufruf des International Council of Women (ICW) aus dem Jahr 1899. Die Initiative ergreift Auguszta Rosenberg, für die Einladung zeichnet der Landesverein für Frauenbildung (Országos Nőképző-Egyesület) verantwortlich.
Noch im Gründungsjahr wird der MNSz in den ICW aufgenommen. Zum Zeitpunkt seiner Entstehung gehören ihm 43, im Jahre 1913 93 Vereine an. Gegründet werden zunächst Fachsektionen für Kinderschutz, Krankenpflege, Dienstbotenwesen, Arbeiterinnenschutz und den Schutz des heimischen Gewerbes. Von 1905 bis 1906 kommen eine Antialkohol-, eine Friedenssektion sowie eine Stimmrechtssektion hinzu. Seit 1909 verfügt „der Bund“ über ein eigenes Mitteilungsblatt mit dem Titel „Mit vereinten Kräften“ („Egyesült Erővel“).
Innerhalb des Vereins gestalten sich laut Susan Zimmermann die Positionen und Bestrebungen eher uneinheitlich. Die Führungspositionen haben über Jahre hinweg gemäßigte Kräfte inne, und auch ein Großteil der Mitgliedsvereine ist eher „traditionalistisch“ ausgerichtet. Vor allem in den letzten Jahren vor dem Ersten Weltkrieg gewinnt die katholische Frauenbewegung an Bedeutung im Bund. Im Krieg kommt es rasch zu einer Einbindung in staatlich geleitete, konzentrierte Frauenkriegshilfe-Aktivitäten.
Bei aller Inhomogenität lassen sich dennoch drei Strömungen ausmachen, die im „Bund“ vertreten sind. Einer ersten Gruppe geht es insbesondere um die Entfaltung einer systematischen gesellschaftlichen (und weniger politischen) Reformtätigkeit von Seite der Frauen, die soziale Arbeit ebenso wie seelische Betreuung von Frauen und Mädchen umfasst und auf der Idee einer „spezifisch weiblichen Berufung“ beruht. Zu dieser Gruppe gehören der gemäßigte Reformflügel im MNSz sowie der größte Teil der katholischen Frauenbewegung. Die zweite bedeutende Gruppe ist „karitativ“ organisiert und deckt die traditionellen Tätigkeitsfelder der wohltätigen Frauenvereine des 19. Jahrhunderts ab. Die dritte große Gruppe steht dem international häufig als „radikal“ bezeichneten Flügel der Frauenbewegung nahe. Diese Gruppe versteht sich selbst als progressiv und ist am Prinzip der Gleichberechtigung orientiert. Gründungsmitglied und Präsidentin
Rosika Schwimmer ist dieser Fraktion zuzuordnen.
Bald nach der Gründung fordert der MNSz auf Initiative seines progressiv ausgerichteten Mitgliedsverein, Verein der Feministen (Feministák Egyesülete, FE), dessen Initiatorin ebenfalls Rosika Schwimmer ist, die Zulassung von Frauen für das Studium an technischen Universitäten und dem Juridicum. Später folgt der Einsatz für den Ausbau einer höheren kaufmännischen Bildung für Mädchen. Auf der Generalversammlung 1906 erfolgt, dank der aktiven Interessenpolitik des FE, der Beschluss für Koedukation einzutreten.
Die Haltung zum Frauenstimmrecht bleibt im „Bund“ lange Zeit gespalten. Erst 1912/13 nimmt der Bund eigene Aktivitäten zur Stimmrechtsfrage auf. Ab 1917 ist die explizite Forderung nach einem allgemeinen Frauenstimmrecht offizieller Agendapunkt.
Die Existenz des Bundes der Frauenvereine Ungarns ist bis in die 1930er Jahre hinein belegt, wenn auch seine Bedeutung in der Zwischenkiriegszeit weitaus geringer war.
Zimmermann: Die bessere Hälfte.
Zimmermann: Frauenbewegungen und Frauenbestrebungen im Königreich Ungarn. - In: Die Habsburgermonarchie 1848-1918, 1359-1491